Autarkes Gewächshaus erreicht Antarktis
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
15. Januar 2018
Wie lässt sich in einer eigentlich lebensfeindlichen
Umgebung Gemüse anbauen? Die Beantwortung dieser Frage ist auch für künftige
Langzeitmissionen von Bedeutung. Astronauten auf dem Mars könnten sich so
beispielsweise mit frischem Salat versorgen. In einem Gewächshaus in der
Antarktis soll der autarke Gemüseanbau nun getestet werden. Es hat jetzt seinen
Einsatzort erreicht.

Entladung in der Antarktis: Das
Forschungsschiff S. A. Agulhas II mit EDEN
ISS-Containern an Bord im Meereis in der Atka-Bucht.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
"Jetzt mit der Entladung an der Schelfeiskante sind wir im Aufbau", sagt
EDEN-ISS-Projektleiter Daniel Schubert. "Wir konnten es kaum erwarten, nachdem
wir als vierköpfiges Aufbauteam bereits vor Weihnachten unsere Füße auf den
antarktischen Kontinent gesetzt haben." In den nächsten Wochen errichtet das
Team vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das für extreme
Umwelten konzipierte Gewächshaus nur 400 Meter von der deutschen
Neumayer-Station III in der Antarktis. Diese wird durch das
Alfred-Wegener-Institut (AWI) betrieben, das zusammen mit dem DLR das
EDEN-ISS-Projekt realisiert.
Die Antarktis ist das ideale Testgelände für die Gemüsezucht ohne Erde mit
künstlichem Licht in einem abgeschlossenen System, in dem sämtliches Wasser
recycelt wird und keine Pestizide und Insektizide benötigt werden. Der Testlauf
soll die Kultivierung von Nutzpflanzen in Wüsten sowie Gebieten mit tiefen
Temperaturen auf der Erde wie auch für zukünftige bemannte Missionen zu Mond und
Mars demonstrieren. Über den Hashtag #MadeInAntarctica kann die Mission auf
Twitter, Facebook und Instagram verfolgt werden.
Da sich das Gewächshaus einige Tage auf dem Seeweg verspätete, erlebte das
DLR-Team zunächst wie es sich anfühlt, weiße Weihnachten und die Silvesternacht
im Licht der Mitternachtssonne zu erleben. "Weihnachten haben wir zusammen mit
der AWI-Mannschaft in der Station verbracht.", sagt Schubert. "Es war ein
besonderer Moment, nachts um eins auf dem Dach der Station zu stehen und die
Aussicht zu genießen. Man muss um diese Uhrzeit immer noch Sonnencreme benutzen.
So stark scheint die Sonne dann noch."
Da für alle aktuell 50 Bewohner der Neumayer-Station III die Weltzeit gilt,
begrüßten sie das neue Jahr eine Stunde später als in Deutschland. "Mit der
Sonne über dem Horizont, mussten wir uns erst einmal klar machen, dass gerade
ein neues und für uns unglaublich spannendes Jahr beginnt", beschreibt
DLR-Forscher Paul Zabel seine Eindrücke. "Ein Feuerwerk gab es nicht, weil es
schlicht in der Antarktis nicht erlaubt ist, aber wir haben alle gemeinsam auf
2018 und die bevorstehende gemeinsame Forschung angestoßen."
Viel Zeit bleibt den Forschern um Daniel Schubert vom DLR-Institut für
Raumfahrtsysteme nun nicht, um das in Containern integrierte Gewächshaus
funktionstüchtig zu machen. "Nachdem die zwei Containerteile von der
Schelfeiskante zur Station geschleppt und auf dem vorinstallierten Gerüst
zusammengesetzt sind, müssen wir schnell mit der Inneneinrichtung beginnen",
erklärt Schubert. "Regale müssen eingerichtet, Pumpen für die Nährlösung
installiert und Spezial-LEDs für die optimale Beleuchtung kalibriert werden.
Dann soll bereits die Aussaat beginnen."
Bereits Mitte Februar heißt es dann für Daniel Schubert sowie seine zwei
Team-Kollegen Conrad Zeidler und Matthew Bamsey die Rückreise über Kapstadt nach
Deutschland anzutreten, wenn eines der letzten Flugzeuge die Neumayer-Station
III verlässt. Zurück bleibt Paul Zabel, der sich in den Monaten der
Überwinterung um die Pflanzenzucht im polaren Winter kümmert. "Wenn wir
pünktlich Anfang Februar aussähen, hoffe ich Ende März die ersten Salate und
Radieschen ernten zu können", freut sich Zabel.
Vom 21. Mai bis zum 22. Juli schafft es die Sonne in der Gegend der Neumayer-
Station III, die bei rund 70 Grad südlicher Breite liegt, nicht mehr über den
Horizont und die Temperaturen können bis unter minus 40 Grad Celsius fallen. "Es
wird sicher eine Bereicherung des Speiseplans, wenn Paul unsere Vorratskost mit
frischem Gemüse direkt aus dem Gewächshaus ergänzt", sagt Bernhard Gropp vom
AWI, der ab Februar 2018 die Stationsleitung für die kommende
Überwinterungssaison übernimmt.
Während der Überwinterung 2018 wird ein 10-köpfiges Team, bestehend aus
Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, Ingenieuren, einer Köchin und eines
Arztes auf der Neumayer-Station III leben. "Wir sind interessiert, ob sich ein
positiver psychologischer Effekt mit der frischen Kost erzielen lässt", so
Gropp. In der Sommersaison von November bis Februar erfolgt in drei bis
vierwöchigen Abständen eine Versorgung mit frischem Obst, Gemüse und Salat aus
Südafrika auf dem Luftweg. Die letzte Frischproviantlieferung gelangt Ende
Februar zur Station. Danach gab es bisher bis zum kommenden November keinen
frischen Salat, frische Tomaten und Gurken. Der Betrieb des
EDEN-ISS-Gewächshauses in der Antarktis ist zunächst bis Dezember 2018 geplant.
Nach dem Probebetrieb am Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme hatte der
Spezial-Gewächshauscontainer am 8. Oktober 2017 auf einem Frachtschiff den
Hamburger Hafen in Richtung Kapstadt verlassen. Dort wurde er Mitte November auf
ein südafrikanisches Forschungsschiff verladen, das am 3. Januar 2018 das
antarktische Ekström-Schelfeis erreichte. "Von der Schelfeiskante schleppten wir
das Container-Gewächshaus noch einmal rund 20 Kilometer mit Pistenbullys zur
Neumayer- Station III", berichtet Schubert. Er und seine EDEN-ISS-Teamkollegen
erreichten bereits am 18.12. von Kapstadt aus zunächst die russische Station
Novo, von der aus sie mit einem Flugzeug des AWI am 21.12. zur deutschen
Neumayer-Station III gelangten.
Aeroponik ist das Zauberwort für die nun bald beginnende Gärtnerei unter
antarktischen Bedingungen. Bei dieser Technik werden Pflanzen ohne Erde steril
kultiviert und deren Wurzeln computergesteuert mit einem Wasser-Nährstoffgemisch
besprüht sowie die Blätter mit Spezial-LEDs optimal beleuchtet. "Die Luft im
Gewächshaus passen wir ebenfalls den Bedürfnissen der Pflanzen bestmöglich an.
So wird der Kohlendioxid-Gehalt gesteigert und wir reinigen mit speziellen
Filtern die Luft von Pilzspuren und Keimen bis hin zur Luftsterilisation mittels
UV-Strahlung, womit eine rein biologische Züchtung ohne Insektizide und
Pestizide möglich ist", erklärt Schubert.
"Wie auf einer Raumstation hat das Gewächshaus einen vollständig
geschlossenen Luftkreislauf, inklusive einer Schleuse, durch die Zabel Tag für
Tag das Gewächshaus betreten wird. Der geschlossene Kreislauf ermöglicht zudem,
sämtliches Wasser, das die Pflanzen an die Luft abgeben, wieder aufzufangen und
ihnen erneut zuzuführen.
Das Projekt EDEN-ISS wird in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut
Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Rahmen einer
Überwinterungsmission auf der deutschen Neumayer-Station III in der Antarktis
realisiert. Damit das Gewächshaus in der Antarktis funktioniert, arbeiten unter
der Leitung des DLR zahlreiche weitere internationale Partner in einem
Forschungskonsortium zusammen.
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