Gemüseanbau in der Antarktis
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
23. Mai 2016
Wie wird man einmal auf einer Langzeitmission ins All die
Besatzungsmitglieder mit frischem Gemüse versorgen können? Diese Frage will ein
internationales Team von Wissenschaftlern mithilfe eines praktischen Experiments
beantworten: Ab 2017 soll dazu Gemüse in der Antarktis gezüchtet werden. Die
Vorbereitungen haben bereits begonnen.
Rund 300 Meter entfernt von der
Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts
wird die Anlage des DLR stehen, in der unter
anderem Gurken, Salat und Tomaten gezüchtet
werden. Mit dem Projekt EDEN ISS erforschen die
Ingenieure des DLR, unter welchen Bedingungen
Gemüse auf kleinstem Volumen die höchsten Erträge
bringt.
Bild: LIQUIFER [Großansicht] |
Mit einem ersten Workshop in niederländischen Gewächshäusern ist für Paul
Zabel seine eigentliche Mission gerade wieder etwas näher gerückt: Der Ingenieur
im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird ab Dezember 2017 an der
Neumayer-Station III in der Antarktis ein Jahr lang in einem eigens
konstruierten Container Salat, Gurken, Kräuter und Tomaten ziehen - und hat
dafür zunächst einmal gelernt, wie man Pflanzen pflegt, erntet und vermisst.
Mit dem Projekt EDEN ISS wollen die Wissenschaftler so dicht wie möglich an
eine Langzeitmission ins Weltall herankommen: ein isolierter Standort, eine
kleine Crew, die in der Abgeschiedenheit zusammenlebt, und eine Versorgungslage,
in der frisches Obst und Gemüse auf dem Speiseplan sehr willkommen sind. Dafür
wird aus dem Ingenieur zumindest teilweise ein Bauer, der täglich 300 Meter bis
zu seinem Container-Gewächshaus stapft, um dort mit künstlichem Licht und
effektiven Nährstofflösungen - dafür allerdings ohne Erde - Lebensmittel zu
ziehen.
Schon alleine die Anreise wird bedeutend umständlicher sein als der übliche
Weg ins DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen: Der 28-Jährige wird
zunächst nach Kapstadt fliegen, von dort aus mit einem russischen
Transportflugzeug zu einer russischen Antarktisstation weiterreisen und
anschließend mit einem kleineren Flugzeug zur Station des
Alfred-Wegener-Instituts (AWI) fliegen. Dauer: je nach Wetterlage.
Schon jetzt macht sich der DLR-Ingenieur die ersten Gedanken, was er denn auf
die Reise mitnehmen muss. "Ab und zu schreibe ich mir tatsächlich schon kleine
Listen, was ich dann nicht vergessen darf." Großes Gepäck wird mit dem
AWI-Schiff Polarstern in Alukisten transportiert, die warmen Wintersachen für
die Ankunft reisen im Kleidersack mit Paul Zabel mit. "So langsam startet der
mentale Prozess bei mir - es wird realistischer."
Im EDEN-Labor des DLR-Instituts wird bereits derzeit erforscht, unter welchen
künstlichen Bedingungen Salate oder Gurken am besten gedeihen und natürlich auch
schmecken. Das Jahr in der Antarktis soll die erste Generalprobe sein, ob die
getesteten Systeme auch unter realen, harschen Bedingungen funktionieren. "Unser
Ziel ist es, auf möglichst kleinem Volumen möglichst viel zu produzieren",
betont der EDEN ISS-Projektleiter.
Die Ausrüstung dafür soll im Herbst 2016 in die Container eingebaut werden.
Diese sind dann bereits an den Einsatz als Gewächshaus angepasst, haben eine
spezielle Isolierung, Zwischenböden, Fenster und Türen. Die DLR-Ingenieure
integrieren zudem noch ihre Subsysteme, die beispielsweise die Pflanzen in
Experimentschränken mit Licht und Luft versorgen. Technik wird auch dafür
sorgen, dass die Wurzeln regelmäßig mit einer Nährstofflösung besprüht werden.
Bis Oktober 2017 wird das mobile Gewächshaus noch in Deutschland getestet, dann
reist es per Schiff in die Antarktis.
Aber auch Ingenieur Zabel braucht noch einige Trainingseinheiten, bevor er
zur Neumayer-Station III aufbrechen und mit seiner Mission beginnen kann. "Als
Ingenieur muss ich zunächst ein Grundverständnis für die Pflanzen entwickeln,
damit ich frühzeitig erkenne, ob es ihnen gut geht", erläutert er. Bei einem
Projektpartner, der Wageningen-Universität, hat er deshalb die ersten paar
Nachhilfestunden genommen und sich unter anderem mit sieben Salatsorten, drei
Tomaten- und drei Gurkensorten sowie diversen Kräutern von Koriander bis
Schnittlauch näher bekannt gemacht. Wie erntet man die unterschiedlichen Sorten?
Wie beschneidet man sie? Und auch: Welche Krankheiten und Schädlingen können die
kostbaren Pflanzen befallen? "Wir gehen zwar davon aus, dass wir in der
Antarktis keine Schädlinge haben werden, aber beispielsweise Pilzbefall muss ich
frühzeitig erkennen können, um einzugreifen."
Damit die gesamte Crew, die auf der AWI-Station überwintern wird, gut
funktioniert, wird es im Sommer 2017 auch ein erstes Probe-Zusammenleben in
Bremerhaven geben. Und auch die Sicherheitsvorkehrungen und Abläufe, die auf
einer Antarktisstation wichtig sind, wird der DLR-Ingenieur noch ausgiebig
verinnerlichen müssen, bevor die Mission ins Eis beginnen kann und erstmals
Pflanzen am Südpol angebaut werden.
Freunde und Familie haben sich mittlerweile dran gewöhnt, dass der 28-Jährige
für ein Jahr lang in eine sehr ungewöhnliche Wohngemeinschaft am anderen Ende
der Welt ziehen wird. "Mich fasziniert das Zusammenspiel von Technik, Biologie
und letztendlich bemannter Raumfahrt." Lange hat er daher nicht überlegt, als
bei den ersten Planungen für solch eine Mission ein Freiwilliger gesucht wurde.
"Das ist eine einmalige Gelegenheit für mich." Gedanken darüber, was er in
seiner Freizeit im ewigen Eis anfangen kann, hat er sich auch schon gemacht: Die
Überwinterung in der Neumayer-Station könne ja ein guter Zeitpunkt sein, um eine
neue Sprache zu lernen. Oder ein Musikinstrument. "Ich mache mir nicht so große
Sorgen, dass ich mich nicht beschäftigen kann."
Für das EDEN ISS-Projekt arbeiten zahlreiche internationale Partner unter
Leitung des DLR zusammen.
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