Gewächshaus auf dem Weg in die Antarktis
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
10. Oktober 2017
Wie kann man Astronauten auf Langzeitmissionen mit frischem
Gemüse versorgen? Auch diese Frage versucht das DLR mit dem Forschungsprojekt
EDEN-ISS zu beantworten. Es handelt sich dabei um einen
Spezial-Gewächshauscontainer, in dem vollständig autark Gemüse angebaut werden
kann. Es soll ein Jahr lang in der Antarktis getestet werden und wurde nun in
Hamburg auf die Reise geschickt.
Das Gewächshaus EDEN-ISS beim Verladen im
Hamburger Hafen. EDEN-ISS besteht aus zwei
Containerelementen.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Das Forschungsabenteuer "Pflanzenzucht in der Antarktis" nimmt Fahrt auf: Am
8. Oktober 2017 hat der Spezial-Gewächshauscontainer auf einem Frachtschiff den
Hamburger Hafen in Richtung antarktisches Ekström-Schelfeis verlassen. Rund elf
Wochen dauert nun die Reise. Kurz vor Weihnachten wird das Team des
Forschungsprojekts EDEN-ISS das Hightech-Gewächshaus an der Neumayer-Station III
des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Empfang nehmen. Das Deutsche Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht im Projekt gemeinsam mit internationalen
Partnern den vollständig autarken Gemüseanbau für die Nahrungsmittelversorgung
in klimatisch anspruchsvollen Regionen sowie für zukünftige bemannte Missionen
zu Mond und Mars.
Von Ende Juni bis Ende August 2017 gediehen bereits Gurken, Tomaten,
Radieschen, Paprika, Salate und Kräuter prächtig beim Testlauf des insgesamt
zwölf Meter langen Containergewächshauses. "Wir konnten während des Probelaufs
am DLR-Standort Bremen reichhaltig ernten", sagt Projektleiter Daniel Schubert
vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. "Jetzt sind wir zuversichtlich, dass auch
unter den harschen Bedingungen in der Antarktis alles gut funktionieren wird."
Insgesamt hatten die Forscher während der Testphase über 40 Kilogramm
Frischgemüse produziert. Das Faszinierende dabei: Wasser verlässt das autarke
Gewächshaussystem nur in den geernteten Früchten. Alles andere wird recycelt und
den Pflanzen erneut zugeführt. Unter speziellem künstlichem Licht, wohl
temperiert, ohne Erde und nur von ausgesuchten Nährlösungen versorgt, können die
Pflanzen schneller und produktiver als in ihrem natürlichen Umfeld wachsen.
Ab Ende Dezember 2017 beginnt das eigentliche Pflanzenzucht-Experiment in der
Antarktis. Dann wird DLR-Wissenschaftler Paul Zabel für ein Jahr mit dem
Gewächshaus EDEN-ISS in die Antarktis ziehen und dort in der vom AWI betriebenen
Antarktisstation Neumayer III leben. "Trotz beschwerlicher Bedingungen in der
Antarktis wohnen und arbeiten ganzjährig Wissenschaftler in der
Forschungsstation. Im antarktischen Sommer befinden sich bis zu 50 Menschen an
der Station. Im Winter sind dagegen normalerweise nur noch neun Personen vor
Ort: ein Koch, drei Ingenieure, ein Arzt und vier Wissenschaftler", sagt der
langjährige Stationsleiter Dr. Eberhard Kohlberg. "Sie bilden das
Überwinterungsteam, zu dem Paul Zabel als zehntes Mitglied hinzukommt."
Teamkollegen des EDEN-ISS-Projekts helfen Paul Zabel zunächst bei Aufbau und
Inbetriebnahme des Gewächshauses. Dann ist er über die Polarnacht hinweg allein
für den Betrieb und die Gemüsezucht verantwortlich. Seine Ernte in monatelanger
Dunkelheit wird den Speiseplan der Überwinterer auf Neumayer III bereichern.
Gleichzeitig wird dabei das Versorgungsszenario einer bemannten Marsmission
nachempfunden. "Die Vorbereitungen auf die Überwinterung sind aufregend und
nehmen mittlerweile viel Zeit in meinem Tagesablauf ein", sagt Zabel. "Man
bekommt eine Vorstellung, wie umfangreich die Vorbereitungen für eine
Weltraummission sein müssen, wo man ja ebenfalls an alles denken und auf alles
vorbereitet sein muss."
Zabel hat bereits ein Überlebenstraining in den Alpen als Mitglied des
Neumayer-III-Überwinterungsteams absolviert. Außerdem nahm er an mehreren
Seminaren zur Technik der Station und an einem einwöchigen
Brandbekämpfungstraining teil. Bis zur Abreise im Dezember folgen noch
zahlreiche weitere Vorbereitungskurse.
Die weltweite Nahrungsmittelproduktion ist eine der zentralen
gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Eine steigende
Weltbevölkerung bei gleichzeitigen Umwälzungen durch den Klimawandel fordern
neue Wege, um Nutzpflanzen auch in klimatisch ungünstigen Regionen kultivieren
zu können. Für Wüsten und Gebiete mit tiefen Temperaturen wie auch bei
Weltraummissionen zu Mond und Mars ermöglicht ein geschlossenes Gewächshaus ein
von Wetter, Sonne und Jahreszeiten unabhängiges Ernten sowie weniger
Wasserverbrauch und den Verzicht auf Pestizide und Insektizide.
Mit dem Projekt EDEN-ISS geht solch ein Modell-Gewächshaus der Zukunft für
ein Jahr unter antarktischen Extrembedingungen in die Langzeiterprobung. Von
Ende Dezember 2017 bis Februar 2018 ist der Aufbau geplant. Danach folgt der
Forschungsbetrieb während der Überwinterung in der Antarktis bis zum Dezember
2018.
Das Projekt EDEN-ISS wird in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut
Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Rahmen einer
Überwinterungsmission auf der deutschen Antarktisstation Neumayer III
realisiert. Damit das Gewächshaus in der Antarktis funktioniert, arbeiten unter
der Leitung des DLR zahlreiche weitere internationale Partner in einem
Forschungskonsortium zusammen.
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