Die Rückkehr des Antarktis-Gärtners
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
9. Januar 2019
Ein Jahr lang hat ein Wissenschaftler in der Antarktis
Tomaten, Radieschen, Gurken und andere frische Lebensmittel gezüchtet, die sonst
in der Abgeschiedenheit des antarktischen Winters nur schwer zu beschaffen
gewesen wären. Das Experiment hat auch gezeigt, wie sich auch an noch
abgelegeneren Orten Gemüse züchten lassen könnte - etwas auf dem Mars oder dem
Mond.
Blick ins Gewächshaus vor der letzten Ernte der Wintersaison. Unter anderem konnte
Antarktis-Gärtner Paul Zabel 117 Kilogramm Salat bis zum
Ende seines Aufenthalts ernten.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
365 Tage in der Antarktis, davon 257 Tage abgeschnitten von der Außenwelt.
Der Antarktisgärtner Paul Zabel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) hat die Gemüsezucht für Mond und Mars im EDEN-ISS-Gewächshaus erprobt und
dabei Paprika, Tomaten, Gurken und verschiedenste Salate und Kräuter unter
künstlichem Licht geerntet. Dem insgesamt zehnköpfigen Überwinterungsteam auf
der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) brachte er frische
Abwechslung auf den Speiseplan, während sie gemeinsam in der wochenlangen
Polarnacht ausharrten. Nun ist Paul Zabel nach Deutschland zurückgekehrt.
"Die Antarktis ist ein faszinierender Ort. Ich bin sehr glücklich, dass ich
einer der wenigen Menschen sein konnte, der die Möglichkeit hatte, in der
Antarktis zu überwintern. In den vergangenen zwölf Monaten habe ich viele
einzigartige Eindrücke und Herausforderungen erlebt. Es ist schön, wieder
zuhause zu sein und Familie, Freunde und Kollegen wiederzusehen", sagt Zabel.
Der "Antarktisgärtner" Paul Zabel kehrte nach einem Zwischenstopp an der
antarktischen Novo Airbase und einem kurzen Aufenthalt in Kapstadt bereits kurz
vor Weihnachten in seine Heimat im brandenburgischen Spreewald zurück. "Nachdem
ich das Weihnachtsfest 2017 bereits in der Antarktis verbracht hatte, war es
etwas ganz Besonderes, wieder in der Heimat den Heiligabend und den
Jahreswechsel zu verbringen."
Zabel war am 16. Dezember 2017 mit drei weiteren Mitgliedern des
EDEN-ISS-Teams in die Antarktis aufgebrochen. Nach einer rund zweimonatigen
Aufbauphase, war er seit dem 18. Februar 2018 mit neun weiteren Überwinterern
des AWI auf der deutschen Antarktisstation Neumayer III verblieben. Beinahe
täglich machte sich Zabel auf den Arbeitsweg zum rund 400 Meter von der Station
entfernten EDEN-ISS-Gewächshaus. Nur bei stärkeren Stürmen, von denen Zabel
zahlreiche im antarktischen Winter erlebte, wurde das Gewächshaus automatisch
vom Kontrollzentrum in Bremen überwacht und gesteuert.
"Von Bremen aus waren wir mit Paul in täglichem Kontakt", berichtet
EDEN-ISS-Leiter Dr. Daniel Schubert vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. "Er
hat über die vergangenen Monate, die ihm einiges abverlangt haben, eine
großartige Arbeit für das Projekt EDEN-ISS geleistet. Zukünftige Raumfahrer
werden es ihm danken." Auch weitere Mitglieder des AWI-Überwinterungsteams
unterstützten Paul Zabel bei seiner Arbeit. So halfen sie bei der Aussaat der
Pflanzen und unterstützten ihn bei den zahlreichen Experimenten. "Nach über
einem Jahr in der Antarktis blicken wir auf eine erfolgreiche Überwinterung
zurück. Die Arbeit in dem Gewächshaus und das frische Gemüse haben unsere Zeit
an der Neumayer-Station III bereichert", sagt Stationsleiter Bernhard Gropp.
Eine detaillierte Auswertung der Studien zur Pflanzenzucht in der Antarktis
laufen derzeit auf Hochtouren. Die umfangreichen Ergebnisse, die unter anderem
technische, botanische, mikrobiologische sowie psychologische Analysen
enthalten, werden für Mai 2019 erwartet. Fest steht bereits, dass Paul Zabel
immer wieder - auch unterstützt von den übrigen Überwinterern des AWI, eine
reichhaltige Ernte eingefahren hat. So hatte die Crew auf Neumayer III über das
zurückliegende Jahr unter anderem 67 Kilogramm Gurken, 46 Kilogramm Tomaten, 19
Kilogramm Kohlrabi, 8 Kilogramm Radieschen, 15 Kilogramm Kräuter sowie 117
Kilogramm Salat zu verspeisen.
In den kommenden zwei Jahren wird das DLR zusammen mit dem AWI und anderen
Forschungspartnern die Produktionsprozesse im EDEN-ISS-Gewächshaus
weiterentwickeln, um zukünftigen Stationen auf Mond und Mars ein optimiertes
Gewächshauskonzept anzubieten. Die Fortführung des Projekts ist offen für
Forscher aus der ganzen Welt. "Bald übergeben wir das Gewächshaus an die neuen
Überwinterer, die das EDEN-ISS-Projekt in der Antarktis fortführen und sich um
den Pflanzenanbau kümmern werden", sagt Schubert. "Dabei werden wir das
Gewächshaus von Bremen aus kontrollieren und steuern." Schubert und sein Team
reisen Mitte Januar 2019 erneut in die Antarktis, um das EDEN-ISS-Gewächshaus zu
warten und technisch für die Fortführung auf den neusten Stand zu bringen.
Die weltweite Nahrungsmittelproduktion ist eine der zentralen
gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Eine steigende
Weltbevölkerung bei gleichzeitigen Umwälzungen durch den Klimawandel fordern
neue Wege, um Nutzpflanzen auch in klimatisch ungünstigen Regionen kultivieren
zu können. Für Wüsten und Gebiete mit tiefen Temperaturen wie auch bei
Weltraummissionen zu Mond und Mars ermöglicht ein geschlossenes Gewächshaus von
Wetter, Sonne und Jahreszeit unabhängige Ernten sowie weniger Wasserverbrauch
und den Verzicht auf Pestizide und Insektizide. Mit dem Projekt EDEN-ISS ist
solch ein Modell-Gewächshaus der Zukunft unter antarktischen Extrembedingungen
in der Langzeiterprobung.
EDEN-ISS wird in Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut,
Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Rahmen einer
Überwinterungsmission auf der deutschen Neumayer-Station III in der Antarktis
realisiert. Damit das Gewächshaus in der Antarktis funktioniert, arbeiten unter
der Leitung des DLR zahlreiche weitere internationale Partner in einem
Forschungskonsortium zusammen.
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