Reiche Ernte in der Polarnacht
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
9. Juli 2018
Das Antarktis-Gewächshaus EDEN-ISS ist derzeit im Vollbetrieb
und versorgt die Überwinterer auf der Neumayer-Station III regelmäßig mit
frischen Tomaten, Gurken, Kohlrabi und anderem Gemüse. Für die
Forscher ist dies eine willkommene Ergänzung des Speiseplans. Ein ähnliches
Gewächshaus könnte auch einmal Astronauten auf dem Mars mit frischem Gemüse
versorgen.

Das EDEN-ISS Gewächshaus zeichnet sich im
Unterschied zu bisherigen
Pflanzenzucht-Experimenten in der Antarktis durch
einen geschlossenen Kreislauf aus, in dem analog
zu einer späteren Nutzung in der Raumfahrt oder
in Wüsten auf der Erde alles Wasser, das nicht in
den Früchten und Pflanzen steckt, wiederverwendet
wird.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Seit knapp sechs Monaten steht das Gewächshaus EDEN-ISS in der Antarktis,
seit vier Monaten betreut Paul Zabel vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) das Gewächshaus allein. Ende Juni hatte es den vollen Betrieb
erreicht. Paul Zabel erntet dabei pro Woche im Schnitt 740 Gramm Tomaten, 1,8
Kilogramm Gurken und 400 Gramm Kohlrabi. Dazu verschiedene Kräuter, Salate und
Radieschen. Die extremen Bedingungen in der Polarnacht bis minus 45 Grad Celsius
fordern die Technik und liefern wertvolle Erkenntnisse für die zukünftige
Pflanzenzucht auf Mond- und Mars sowie für die zukünftige
Nahrungsmittelproduktion in klimatisch anspruchsvollen Regionen der Erde.
Das frische Gemüse bereichert den Speiseplan der zehn Überwinterer auf der
vom Alfred Wegener Institut betriebenen Neumayer-Station III und war auch ein
Highlight zum Mittwinterfest. "Die Arbeit im und am Gewächshaus ist sehr
intensiv", erzählt Zabel. "Etwa die Hälfte meiner Zeit bin ich mit der Aussaat,
Pflanzenpflege und der Ernte beschäftigt, die andere Hälfte der Zeit kümmere ich
mich um die technischen Systeme des Gewächshauses sowie um die Ausführung der
rund 40 Experimente und Validierungsprozeduren.
Eine besondere Herausforderung für die Forscher ist immer wieder das Wetter,
berichtet EDEN-ISS Projektleiter Dr. Daniel Schubert. "Mitte Juni hatten wir
einen tagelangen Sturm. In dieser Zeit mussten wir drei Tage lang das
Gewächshaus aus Bremen steuern und überwachen". Am Bremer DLR-Institut für
Raumfahrtsysteme ist das Kontrollzentrum des Antarktisgewächshauses
eingerichtet. Von dort aus können die Forscher per Videokonferenz mit Paul Zabel
im Gewächshaus sprechen und bekommen die Bilder und technischen Daten aller
Pflanzenpopulationen im Gewächshaus übermittelt, darunter die bisherige Ausbeute
des wegweisenden Versorgungsexperiments.
Auf einer Anbaufläche von insgesamt etwa 13 Quadratmetern sind mittlerweile
35 Kilogramm Gurken, 39 Kilogramm Salat, 17 Kilogramm Tomaten, sieben Kilogramm
Kohlrabi und vier Kilogramm Radieschen gewachsen und abgeerntet. "Besonders gut
gedeihen Gurken", erklärt Schubert. "Paprika und besonders die Erdbeeren sind
anspruchsvoller in der Pflege."
Das EDEN-ISS Gewächshaus zeichnet sich im Unterschied zu bisherigen
Pflanzenzucht-Experimenten in der Antarktis durch einen geschlossenen Kreislauf
aus, in dem analog zu einer späteren Nutzung in der Raumfahrt oder in Wüsten auf
der Erde alles Wasser, das nicht in den Früchten und Pflanzen steckt,
wiederverwendet wird. Zudem analysieren die Forscher die Produktion von
Sauerstoff durch die Pflanzen, die unter optimiertem künstlichen LED-Licht und
mit Nährmittellösung besprüht (Aeroponik) ohne Erde und Sonnenlicht gedeihen.
Einzige externe Unterstützung ist die Stromversorgung, die über die
Neumayer-Station III bereitgestellt wird.
Auch der Härtetest der Gewächshaustechnik im antarktischen Winter ist
wesentlicher Bestandteil des Gemüsezuchtexperiments. In den vergangenen Wochen
hatte Paul Zabel etwa den Ausfall eines Regelungsventils im Kühlsystem, den
Ausfall einer LED Lampe oder Unstimmigkeiten im komplexen Steuerungssystem zu
meistern. "Oft musste ich nachts oder am Wochenende reagieren, was die Behebung
teilweise erheblich erschwert hat. Immerhin steht das Gewächshaus 400 Meter
entfernt von der Neumeyer Station III", erklärt er und sieht dabei die
Anstrengungen als Dienst für die Wissenschaft: "Ein zukünftiges Gewächshaus auf
einem anderen Planeten soll auch durchgehend in Betrieb sein. Daher sind die
technischen Ausfälle und deren Reparatur wertvolle wissenschaftliche
Erkenntnisse für uns."
Bei all den Anstrengungen war es eine willkommene Abwechslung, dass die
Überwinterungscrew auf der Station das Mittwinterfest feierte. "Die
Wintersonnenwende, auch Mittwinter genannt, war ein ganz besonderer Tag für mich
in der Antarktis", sagt Paul Zabel. "Dieser Tag markiert den Mittelpunkt der
Polarnacht und auch die Halbzeit meines Aufenthalts in der Antarktis". Und
Stationsleiter Bernhard Gropp berichtet: "An der Neumayer-Station haben wir
Mittwinter mit einem gemeinsamen Festmahl gefeiert. Aber nicht nur dort, sondern
auch im Alltag sind frisches Gemüse, Salat und Kräuter aus dem Gewächshaus eine
echte Bereicherung, die wir nicht mehr missen möchten. Deshalb helfen auch alle
Crewmitglieder gerne mit. Unsere Stationsköchin und Paul Zabel stimmen sich
zudem eng zur optimalen Zubereitung des erntefrischen Gemüses ab."
In der Polarnacht kommt die Sonne nicht über den Horizont und es ist für die
Forscher der Neumayer-Station III gegen 12 Uhr mittags nur ein heller Schein am
Horizont zu sehen. Nach der Wintersonnenwende dauert diese Mittagsdämmerung von
Tag zu Tag länger, bis Ende Juli die Sonne wieder über den Horizont steigt. Für
die Forscher ist die wochenlang andauernde Dunkelheit der Polarnacht eine große
Herausforderung.
"Es fühlt sich schon etwas wie auf einem anderen Planeten an, wenn man
aufgrund des fehlenden Tageslichtes nicht mehr zwischen Tag und Nacht
unterscheiden kann", sagt Zabel. "Dazu bezaubert die Antarktis in dieser
Jahreszeit mit beeindruckenden Naturschauspielen. Die stundenlang andauernden
Sonnenuntergänge zu Beginn der Polarnacht bleiben unvergesslich, genauso wie der
beeindruckende Sternenhimmel und die Polarlichter."
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