Neue Gärtnerin für Gewächshaus im Eis
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
23. Dezember 2020
Das DLR betreibt auf der Antarktisstation Neumayer III ein
einzigartiges Experiment: In einem Gewächshaus wird hier während der langen
Polarnacht Gemüse angebaut. Die Technologien und Verfahren sollen einmal helfen,
entsprechende Gewächshausmodule auch auf Mond und Mars zu betreiben. Ein Jahr
lang wird nun eine NASA-Wissenschaftlerin das Projekt betreuen.
Seit 2018 steht das Gewächshaus EDEN-ISS des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
in der Antarktis.
Foto: DLR (CC.BY 3.0) [Großansicht] |
Seit 2018 steht das Gewächshaus EDEN-ISS des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) in der Antarktis, um für die Nahrungsmittelproduktion der
Zukunft in Wüsten und kalten Regionen zu forschen sowie die Möglichkeiten
frischer Ernährung unter den lebensfeindlichen Bedingungen auf Mond oder Mars.
Für die Überwinterung 2021 wird nun die Pflanzenwissenschaftlerin Jess Bunchek
vom Kennedy Space Center der NASA als Gastforscherin des DLR ein Jahr
im ewigen Eis mit der Gemüsezucht ohne Erde und unter künstlichem Licht
verbringen. Dabei ist sie Teil der Überwinterungscrew der vom
Alfred-Wegener-Institut (AWI) betriebenen Antarktisstation Neumayer III.
Nach monatelangem Training ist die Crew am 20. Dezember 2020 an Bord des
AWI-Forschungsschiffs Polarstern von Bremerhaven aus in See gestochen, um nach
einer rund einmonatigen Non-Stop-Reise über den Atlantik Ende Januar die
Antarktis zu erreichen. Zuvor befand sich die Crew in Quarantäne, um
COVID-19-Erkrankungen an Bord auszuschließen. "EDEN-ISS ist ein einzigartiges
Projekt. Es gibt weltweit nur wenige andere Einrichtungen wie diese", sagt
NASA-Wissenschaftlerin Jess Bunchek, die derzeit für das DLR-Institut für
Raumfahrtsysteme tätig ist. "Noch einzigartiger ist es aufgrund des extremen
Klimas und des Überwinterungsaspekts. Diese Zusammenarbeit zwischen DLR und NASA
soll dazu beitragen, den Entwurf eines zukünftigen Mond- oder Marsgewächshauses
und die Anforderungen an die Unterstützung der Astronautenbesatzung
mitzugestalten."
Am Bremer DLR-Institut für Raumfahrtsysteme lernte sie die nötigen
Grundlagen, um das Antarktisgewächshaus in der Polarnacht nur digital verbunden
mit dem Kontrollzentrum im Institut betreiben zu können. Dort werden Systemdaten
sowie das Pflanzenwachstum digital überwacht und es ist zudem möglich etwa bei
antarktischen Stürmen übergangsweise das Gewächshaus für wenige Tage ganz aus
der Ferne zu betreiben. "Mit Jess Bunchek und der damit verbundenen Kooperation
mit der NASA haben wir nun die einzigartige Chance die Forschung im EDEN-ISS-Gewächshaus weiterzuführen und auf ein neues Level zu bringen. Das
anspruchsvolle Forschungsprogramm ist ein wichtiger Meilenstein für die
zukünftige Errichtung eines Gewächshausmoduls innerhalb einer internationalen
Mondstation und für die Perspektive bemannter Marsmissionen", sagt EDEN-ISS-Projektleiter Dr. Daniel Schubert.
Im Rahmen der Zusammenarbeit werden in der Antarktis einige Salate und
Gemüsesorten gezüchtet, die die NASA bereits auf der Internationalen Raumstation
ISS auf ihre Weltraumtauglichkeit getestet hat. Dazu bereitete sich Jess Bunchek
umfangreich mit der neuen zehnköpfigen Überwinterungscrew auf die extremen
Verhältnisse in der Antarktis vor, wobei sie unter anderem einen Gletscherkurs
in den Alpen und einen Brandschutzkurs absolvierte. "Die Vorbereitung ist
alles", unterstreicht Bunchek. "Ich denke, was an der Station Neumayer III so
interessant ist, ist unsere Vorbereitungszeit. Sie ist lang im Vergleich zu
anderen Stationen, zum Teil deshalb, weil das AWI sicherstellen will, dass das
Überwinterungsteam die richtige Zusammensetzung hat. Aber auch, weil wir den
ganzen Winter über isoliert sein werden, müssen wir auf jede Situation
vorbereitet sein."
Die Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts wird dieses Jahr
ausschließlich auf dem Seeweg versorgt. Das Forschungsschiff Polarstern bringt –
wie üblich – Material und Treibstoff in die Antarktis. Corona-bedingt reisen
aber diese Saison auch alle Menschen, die an der Station arbeiten, per Schiff
auf den Südkontinent. Um den 20. Januar 2021 herum ist der Anlauf der Polarstern
in der Atkabucht geplant. Dann können die mitfahrenden 25 Menschen an der
Neumayer-Station ihre Arbeit aufnehmen: AWI-Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen warten die Observatorien für Luftchemie, Geophysik und
Meteorologie und tauschen sich mit den alten und den neuen Überwinterungsteams
über die Langzeitmessungen aus. Technikerinnen und Techniker kümmern sich darum,
dass die Station als Infrastruktur funktionstüchtig bleibt.
Die weltweite Nahrungsmittelproduktion ist eine der zentralen
gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Eine steigende
Weltbevölkerung bei gleichzeitigen Umwälzungen durch den Klimawandel erfordern
neue Wege, um Nutzpflanzen auch in klimatisch ungünstigen Regionen kultivieren
zu können. Für Wüsten und Gebiete mit tiefen Temperaturen wie auch bei
Weltraummissionen zu Mond und Mars ermöglicht ein geschlossenes Gewächshaus von
Wetter, Sonne und Jahreszeit unabhängige Ernten sowie weniger Wasserverbrauch
und den Verzicht auf Pestizide und Insektizide.
Mit dem Projekt EDEN-ISS ist solch ein Modell-Gewächshaus der Zukunft unter
antarktischen Extrembedingungen in der Langzeiterprobung. In der ersten
umfangreichen Überwinterungsforschungskampagne hatte Gewächshaus in neuneinhalb
Monaten insgesamt 268 Kilogramm Nahrung auf nur 12,5 Quadratmetern produziert,
unter anderem 67 Kilogramm Gurken, 117 Kilogramm Salat und 50 Kilogramm Tomaten.
Als Ergebnis der Forschungsarbeiten entstand ein erstes neues
Gewächshaus-Konzept für die zukünftige Raumfahrtmissionen.
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