Das energiereiche Geheimnis des Krebsnebels
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Innsbruck astronews.com
30. Oktober 2019
Der Krebsnebel ist der Überrest einer vor rund 1000 Jahren
beobachteten Supernova in unserer Galaxie. Obwohl es sich um eines der am besten
untersuchten Himmelsobjekte handelt, ist es erst jetzt gelungen, die Ausdehnung
des Krebsnebels in hochenergetischer Gammastrahlung zu bestimmen. Genutzt wurden
dazu die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia.
Der Krebsnebel (Mitte). Punkte zeigen die mit
H.E.S.S gemessenen Richtungen von
Gammastrahlungsereignissen, im weißen Kreis die
vom H.E.S.S.-Team ermittelte Ausdehnung im
Gammalicht. Bild:
Uni Innsbruck (Daten für den Krebsnebel vom
Chandra-Teleskop bereitgestellt von M. C.
Weisskopf und J. J. Kolodziejczak) [Großansicht] |
Bereits mit einem Fernglas kann der Krebsnebel als ausgedehntes Objekt
wahrgenommen werden, und dementsprechend lassen sich zum Beispiel mit optischen
oder Röntgenteleskopen viele seiner Bestandteile detailliert abbilden. "Es zeigt
sich, dass die Ausdehnung des Krebsnebels stark vom betrachteten Energiebereich
abhängt", erklärt Markus Holler vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der
Universität Innsbruck, Mitglied der H.E.S.S.-Kollaboration. "Daraus können
Rückschlüsse auf astrophysikalische Prozesse gezogen werden."
Seit dem ersten Nachweis von hochenergetischer Gammastrahlung 1989 mit
Teleskopen auf der Erde konnte der Krebsnebel bis heute nicht von einer
Punktquelle unterschieden werden. Grund dafür war die vergleichsweise schlechte
Auflösung. Jetzt präsentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
in Namibia gelegenen H.E.S.S.-Teleskope erstmals eine Messung der Ausdehnung des
Krebsnebels in hochenergetischer Gammastrahlung. Dieses Ergebnis ist das
Resultat modernster Analyse- und Simulationstechniken, welche eine in der
Gammastrahlungsastronomie bisher unerreichte Präzision ermöglichen.
Die Wissenschaftler messen mit den H.E.S.S.-Teleskopen das Tscherenkow-Licht
aus Teilchenschauern, um so die Energie und Einfallsrichtung der zugehörigen
Gammastrahlen zu rekonstruieren. "Die Genauigkeit der Richtungsrekonstruktion
hängt erheblich von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel den
Beobachtungsbedingungen ab", erklärt Holler. "Für die Messung der Ausdehnung
einer Quelle sind deshalb verlässliche Simulationen notwendig."
Für die jetzt vorgestellte Messung verwendeten die Wissenschaftler erstmals
eine neuartige Simulationsumgebung, welche die Bedingungen bei der Beobachtung
des Krebsnebels auf einem bisher unerreichten Detailgrad mitberücksichtigt. Die
dabei gewonnene Genauigkeit in der Simulation der Daten spiegelt sich
eindrücklich im ermittelten Resultat wider. Die gemessene Ausdehnung des
Krebsnebels ist etwa zweieinhalb Mal kleiner als die mittlere
Richtungsungenauigkeit pro Gammateilchen.
Die elektromagnetische Strahlung des Krebsnebels wird überwiegend von
hochenergetischen Elektronen sowie deren Antiteilchen, den Positronen,
ausgesendet. Dafür sind zwei unabhängige Prozesse verantwortlich: Die Strahlung
vom Radio- bis zum Röntgenbereich entsteht durch die Ablenkung der Teilchen im
internen Magnetfeld des Krebsnebels. Die höherenergetische Gammastrahlung
dagegen ist das Resultat der Streuung der Elektronen und Positronen an
Lichtteilchen mit niedrigerer Energie.
"Die Beobachtung des Krebsnebels in Gammastrahlung ist somit unabhängig von
entsprechenden Messungen bei niedrigeren Energien, auch wenn die dafür
verantwortlichen Teilchen die gleichen sind", sagt Theoretiker und
H.E.S.S.-Wissenschaftler Dmitry Khangulyan vom Department of Physics
der Rikkyo University in Tokio. Ein Vergleich der Ausdehnung des
Krebsnebels bei verschiedenen Energien zeigt eine gute Übereinstimmung mit
theoretischen Modellen.
Dabei weist die Gammastrahlung des Nebels eine stärkere Ausdehnung auf als im
Röntgenlicht, aber eine geringere als im ultravioletten Licht. Der Hauptgrund
dafür sind die entsprechenden Energien der Elektronen und Positronen des Nebels.
Mit steigender Energie sind die Teilchen stärker zum Zentrum hin konzentriert.
Da die für die Gammastrahlung verantwortlichen Teilchenenergien zwischen denen
der beiden anderen genannten Bereiche liegt, folgt Entsprechendes für die
Ausdehnung des Krebsnebels in Gammastrahlung. "Die Bestätigung dieser Erwartung
durch die Ergebnisse von H.E.S.S. liefern ein schönes Beispiel für die Bedeutung
von Theorie und Experiment", freut sich Astroteilchenphysiker Holler.
Die H.E.S.S.-Teleskope sind nach dem Entdecker der kosmischen Strahlung und
Nobelpreisträger Victor Franz Hess benannt, der von 1931 bis 1937 als Professor
an der Universität Innsbruck tätig war. Sie messen Gammastrahlen, die etwa 1.000
Milliarden Mal energiereicher sind als sichtbares Licht. Jedes dieser
Gammaquanten erzeugt beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre unter anderem eine
Vielzahl an geladenen Teilchen, welche wiederum über den Tscherenkow-Effekt
(eine Art optisches Analogon zum Überschallknall) sichtbares Licht emittieren.
Die H.E.S.S.-Teleskope werden seit 2002 von einer internationalen Kollaboration
in Namibia betrieben. Seit 2009 ist auch Österreich Mitglied.
Der Krebsnebel gehört seit der Erfindung des Teleskops zu den am besten
untersuchten, astrophysikalischen Objekten und leuchtet hell durch das gesamte
elektromagnetische Spektrum hinweg, von Radio- über Röntgen- bis hin zu
hochenergetischer Gammastrahlung. Er ist der Überrest einer Supernova, welche im
Jahr 1054 im Sternbild Stier beobachtet wurde.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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