Kalter Wind sorgt für Gammapulse
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
16. Februar 2012
Eine der hellsten Hochenergie-Gammastrahlenquellen am Himmel ist der
Pulsar im Krebsnebel, von dem kürzlich auch sehr energetische gepulste
Strahlung beobachtet wurde. Jetzt könnten Wissenschaftler dafür eine
Erklärung gefunden haben: Sie beruht auf der abrupten Beschleunigung
eines ultraschnellen Windes aus kalten Elektronen und Positronen, die
einige Erddurchmesser vom Pulsar entfernt erfolgt.
Der Krebsnebel
in einer Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble.
Bild: NASA, ESA und Allison Loll / Jeff
Hester (Arizona State University) / Davide De
Martin (ESA/Hubble) |
Der Krebspulsar, ein sich schnell drehender Neutronenstern mit einem
starken Magnetfeld, ist das Ergebnis einer spektakulären Supernova, die
im Jahre 1054 nach Christus im Sternbild Stier aufleuchtete. Der Stern
hat die 1,4-fache bis doppelte Masse unserer Sonne und dabei nur einen
Durchmesser von 28 bis 30 Kilometer. Gemeinsam mit dem ihn umgebenden
Krebsnebel gehört er zu den am besten untersuchten astronomischen
Objekten.
Astrophysiker vermuten, dass aus der Magnetosphäre des Krebspulsars ein
sehr schneller Wind aus Elektronen und ihren Antiteilchen, den
Positronen entweicht, der dann im interstellaren Medium endet. Die
Entwicklung dieses Windes lässt sich dabei in drei Phasen einteilen: In
etwa 1.000 Kilometern Abstand vom Pulsar wird die Rotationsenergie des
Pulsars in elektromagnetische Energie umgewandelt, die dann ihrerseits
in Bewegungsenergie des Elektron-Positron-Plasmas konvertiert und der
Wind damit beschleunigt wird. Schließlich endet der Wind durch Kollision
mit der umgebenden Materie in einer stehenden Stoßwelle in etwa 0,3
Lichtjahren Entfernung. Hier werden Elektronen und Positronen auf extrem
hohe Energien beschleunigt und so die ausgedehnte nicht-thermische
Strahlung des Krebsnebels verursacht. Um die beobachteten Daten erklären
zu können, sollten alle drei Prozesse außerordentlich effizient
verlaufen.
Sowohl der Krebspulsar als auch der Krebsnebel sind starke Quellen im
Gammastrahlenlicht, wobei der Pulsar im hohen und der Nebel vorwiegend
im sehr hohen Energiebereich strahlen. Die dritte Schlüsselkomponente,
der Wind, die den Energietransport vom Pulsar zum Nebel ermöglicht,
scheint auf den ersten Blick jedoch eine quasi "unsichtbare Substanz" zu
sein. Denn obwohl der Wind selbst sich mit äußerst hoher Geschwindigkeit
bewegt, sind im mitbewegten System die Elektronen "kalt": Sie weisen
keine Relativbewegung zum Magnetfeld auf und emittieren daher keine
Strahlung.
Allerdings kann der Wind im Gammastrahlenlicht sichtbar werden, wenn
Röntgen-Photonen aus der Magnetosphäre oder auch von der Oberfläche des
Neutronensterns durch die schnellen Elektronen und Positronen des Windes
zu höheren Energien hin gestreut werden. Dieser Prozess wird inverse
Compton-Streuung genannt. In einem Beitrag, der jetzt in der
Fachzeitschrift Nature erscheint, zeigt ein Team um Felix
Aharonian vom Max-Planck-Institut für Kernphysik und dem Dublin
Institute for Advanced Studies, dass sich die jüngsten
überraschenden Entdeckungen gepulster sehr hochenergetischer
Gammastrahlung durch die Tscherenkow-Teleskopsysteme VERITAS und MAGIC (astronews.com
berichtete) am besten durch diese inverse Compton-Streuung erklären
lassen.
Gepulste Röntgen-Photonen des Pulsars wechselwirken mit schnellen
Elektronen des Windes vorwiegend in deren Beschleunigungszone. Der Wind
ist somit die Quelle der gepulsten Gammastrahlung und erklärt die
Beobachtungen mit nur drei Parametern: Beschleunigungsort des Windes,
Endgeschwindigkeit und Anisotropie. Wenn diese Erklärung zutrifft, dann
liefert die Entdeckung gepulster, sehr hochenergetischer Gammastrahlung
den ersten Beobachtungsnachweis für die Existenz eines kalten,
ultraschnellen Elektron-Positron-Windes im Krebspulsar.
Die Gammabeobachtungen ermöglichen eine gute Lokalisierung der Stelle,
an der die elektromagnetische Energie des Windes in Bewegungsenergie
umgewandelt wird, sowie eine gute Abschätzung der Geschwindigkeit, mit
der dieser Übergang erfolgt. Die Ergebnisse zeigen eine nahezu
plötzliche Beschleunigung des Windes auf extrem hohe Geschwindigkeiten
in einem engen zylindrischen Abstandsbereich von 20 bis 50 Tausend
Kilometern um die Rotationsachse des Pulsars. Obwohl die gefundene,
ultraschnelle Natur des Windes die allgemeine Grundvorstellung von
Pulsarwinden unterstützt, stellen die jetzt gefundenen Parameter über
die Beschleunigung des Windes nach Ansicht der Wissenschaftler doch eine
gewissen Herausforderung für bestehende Modelle dar.
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