Überraschende Strahlung aus dem Krebsnebel
Redaktion
/ Pressemitteilung des DESY astronews.com
7. Oktober 2011
Pulsare, also Neutronensterne, die sich mit hoher
Geschwindigkeit um die eigene Achse drehen, senden intensive und eng gebündelte
Strahlung ins All aus und erinnern daher etwas an kosmische Leuchtfeuer. Bei der
Messung der vom Pulsar im Krebsnebel ausgehenden Strahlung erlebten Astronomen
nun eine Überraschung: Sie war deutlich stärker, als es die Modelle
vorhersagen.
Der Krebsnebel
in einer Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble.
Bild: NASA, ESA und Allison Loll / Jeff
Hester (Arizona State University) / Davide De
Martin (ESA/Hubble) |
Zum ersten Mal haben Forscher von einem Pulsar ausgehende Gammastrahlen
ungeahnt hoher Energien nachgewiesen. Mit Hilfe der VERITAS-Teleskope am
Whipple-Observatorium im US-Bundesstaat Arizona konnten die Astronomen
Gammastrahlen vom Pulsar im Krebsnebel mit Energien von über 100 Milliarden
Elektronenvolt (100 GeV) registrieren. Die Beobachtung widerspricht allen
bisherigen Modellen von Pulsaren. Die Ergebnisse des internationalen Teams von
Astrophysikern, darunter auch Physiker des Forschungszentrums DESY in Zeuthen,
werden heute in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Beim Pulsar im Krebsnebel handelt es sich um einen schnell rotierenden
Neutronenstern. Der Pulsar und der ihn umgebende Krebsnebel sind die Überreste
einer spektakulären Sternenexplosion, einer sogenannten Supernova, die im Jahre
1054 stattfand. Beide zählen zu den am meisten studierten Himmelsobjekten. Der
Pulsar dreht sich 30 Mal pro Sekunde um die eigene Achse und damit auch sein
starkes Magnetfeld. So entsteht eine hochenergetische Strahlung, da durch das
rotierende Magnetfeld geladene Partikel bis auf nahezu Lichtgeschwindigkeit
beschleunigt werden und dabei Strahlung über ein breites Spektrum aussenden. Die
gebündelt ausgesandten Strahlen drehen sich wie die Scheinwerfer eines
Leuchtturms und werden deshalb auf der Erde als schnell pulsierend Signale
wahrgenommen.
Die Beobachtungen des Krebsnebel-Pulsars mit den VERITAS-Teleskopen zeigen
nun, dass dort Gammastrahlen mit Energien von über 100 Milliarden Elektronenvolt
erzeugt werden. Zum Vergleich: Sichtbares Licht hat etwa die Energie von einem
Elektronenvolt. Dies widerspricht fast allen astrophysikalischen Theorien, nach
denen sogenannte Krümmungsstrahlung für die gepulste Strahlung vom
Krebsnebel-Pulsar verantwortlich ist. Krümmungsstrahlung entsteht, wenn
hochenergetische, geladene Teilchen sich entlang gekrümmter Magnetfeldlinien
bewegen.
Die theoretischen Modelle sagen einen exponentiellen Abfall des Spektrums der
Krümmungsstrahlung oberhalb etwa 10 Milliarden Elektronenvolt vorher. Die
VERITAS-Beobachtungen von Strahlung mit mehr als zehnmal höherer Energie zeigen
jetzt, dass es trotz jahrelanger Beobachtungen des Krebsnebel-Pulsars noch kein
funktionierendes Modell für diese Abstrahlungen mit hohen Energien gibt.
Mit VERITAS hoffen die Forscher außerdem Einsteins Relativitätstheorie testen
zu können, nach der die Lichtgeschwindigkeit eine universelle Konstante ist.
Dies ist auch deshalb interessant, weil einige Wissenschaftler versuchen, mit
einer Quantengravitationstheorie Einsteins Theorie mit der Quantenmechanik zu
verbinden. Diese Theorien sagen aber voraus, dass die Lichtgeschwindigkeit in
sehr geringem Maße von der Energie eines Gammastrahls abhängt. Je höher die
Energie eines Strahls ist, umso langsamer pflanzt er sich im Raum-Zeit-Kontinuum
fort, was eine Verletzung von Einsteins Theorie wäre.
Mit den VERITAS-Beobachtungen der hochenergetischen Strahlung des
Krebsnebel-Pulsars kann nach einer entsprechenden Verletzung gesucht werden. Vom
Pulsar werden Gammastrahlen unterschiedlicher Energien zum gleichen Zeitpunkt
abgestrahlt. Wenn diese sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausbreiten,
würde sich der Effekt in einer kleinen Verschiebung der Pulspositionen bei
verschiedenen Energien offenbaren.
VERITAS (Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System)
ist ein System von vier optischen Reflektoren mit je zwölf Meter Durchmesser,
das am Fred Lawrence Whipple Observatory im Süden Arizonas steht. Die
Reflektoren nehmen das Cherenkov-Licht von elektromagnetischen Teilchenschauern
in der Atmosphäre auf, welche von hochenergetischen Gammastrahlen verursacht
werden.
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