Pulsar im Krebsnebel gibt Rätsel auf
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Physik astronews.com
29. März 2012
Der Krebsnebel gehört mit zu den berühmtesten und am besten untersuchten
astronomischen Objekten. Doch der Überrest einer Supernova, die im Jahr
1054 zu beobachten war, gibt den Astronomen immer wieder neue Rätsel
auf. Beobachtungen mit den beiden MAGIC-Teleskopen auf La Palma zeigten
nun, dass der Pulsar im Zentrum eine überraschend energiereiche
Strahlung aussendet.
Der Krebsnebel
in einer Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble.
Bild: NASA, ESA und Allison Loll / Jeff
Hester (Arizona State University) / Davide De
Martin (ESA/Hubble) |
Der Pulsar im Zentrum des berühmten Krebsnebels ist ein wahres
Energiebündel. Das haben jetzt die beiden MAGIC-Teleskope auf der kanarischen Insel La
Palma bestätigt. MAGIC steht für Major Atmospheric
Gamma-Ray Imaging Cherenkov. Die Teleskope beobachteten den Pulsar im bisher schwer
zugänglichen Bereich der Gammastrahlen von 25 bis 400
Giga-Elektronenvolt (GeV) und fanden, dass er tatsächlich Pulse mit der
maximal messbaren Energie bis zu 400 GeV aussendet - mindestens 50-mal
mehr als von Theoretikern erwartet. Das aber bringt die Astrophysiker in
Erklärungsnot: "Dahinter muss ein Prozess stecken, den wir noch nicht
kennen", sagt Razmik Mirzoyan, Projektleiter am Max-Planck-Institut für
Physik.
Der Neutronenstern im Krebsnebel ist einer der bekanntesten
Pulsare. Er dreht sich 30-mal pro Sekunde um die eigene Achse und
besitzt ein Magnetfeld, das mit 100 Millionen Tesla mehr als 1000
Milliarden Mal stärker ist als das irdische. Der Pulsar versorgt den
berühmten Krebsnebel, der sich etwa 6000 Lichtjahre von der Erde
entfernt im Sternbild Stier befindet, mit Energie. Sowohl der Pulsar als
auch der Nebel sind Überreste einer Supernova, die im Jahr 1054
explodierte und sich eine Zeitlang dem bloßen Auge sogar am Taghimmel
zeigte.
Neutronensterne sind extrem verdichtete Kugeln mit einer Masse
ähnlich jener der Sonne, jedoch mit Durchmessern von lediglich 20
Kilometern. Was aber macht Neutronensterne zu Pulsaren, von denen die
Astrophysiker in unserer Milchstraße rund 2.000 kennen? Neutronensterne
rotieren äußerst regelmäßig und sehr schnell, ein "Tag" dauert auf ihnen
zwischen einer Millisekunde und zehn Sekunden. Während seiner Drehung
sendet der Stern ständig geladene Teilchen aus, hauptsächlich Elektronen
und Positronen (positiv geladene Elektronen). Die Teilchen bewegen sich
entlang von Magnetfeldlinien, die wiederum mit derselben Geschwindigkeit
rotieren wie der Neutronenstern selbst. Dabei geben sie gebündelte
Strahlung in allen möglichen Bereichen des Spektrums ab, von Radiowellen
bis hin zum Gammalicht.
Überstreicht ein solches Strahlenbündel die
Sichtlinie zur Erde, dann leuchtet der Stern kurz auf - ähnlich wie das
Signal eines Leuchtturms. Schon vor einigen Jahren haben die
MAGIC-Teleskope Gammastrahlung vom Krebspulsar mit einer Energie von
mehr als 25 GeV empfangen und dabei die von Satelliten aus gemessene
Grenze um das Fünffache übertroffen. Diese Strahlung, so schlossen die
Forscher damals, muss mindestens 60 Kilometer über der Oberfläche des
Neutronensterns entstehen. Der Grund: Die hochenergetischen
Lichtteilchen werden vom Magnetfeld des Sterns so wirksam abgeschirmt,
dass eine Quelle sehr nahe am Stern bei derart hohen Energien gar nicht
gesehen werden könnte.
Nun zeigen die jüngsten Messungen von MAGIC über
einen Zeitraum von zwei Jahren, dass der pulsierende Ausstoß mit einer
Energie von 400 GeV weit über die erwarteten Werte hinausgeht - und das
auch noch in extrem kurzen Impulsen von etwa einer Millisekunde Dauer.
Dieses Ergebnis stellt die bisherigen Theorien über Pulsare in Frage,
denn bisher galten für alle diese Objekte deutlich niedrigere
Energieobergrenzen.
Ein neues theoretisches Modell des mit dem
MAGIC-Team kooperierenden Theoretikers Kouichi Hirotani von der Academia
Sinica des Institute of Astronomy and Astrophysics in Taiwan erklärt das
Phänomen mit einem kaskadenartigen Vorgang: Danach werden sekundäre
Teilchen produziert, welche die von der Magnetosphäre des Pulsars
gebildete Barriere überwinden können. Eine andere mögliche Erklärung von
Felix Aharonian vom Dublin Institute for Advanced Studies und weiteren
Forschern verbindet dieses Emissionsmerkmal mit der ebenso rätselhaften
Physik des dunklen Pulsarwinds - einem Strom aus Elektronen und
Positronen sowie elektromagnetischer Strahlung, der letztlich im
Krebsnebel aufgeht (astronews.com berichtete).
Doch auch diese aktuellen Modelle erklären weder die
extrem hohe Energie noch die Kürze der Impulse befriedigend. So hoffen
die Astrophysiker, dass zukünftige Beobachtungen hierzu die
Datenstatistik verbessern und das Rätsel lösen helfen. Das könnte neues
Licht auf die Familie der Pulsare werfen - und auf den Krebsnebel
selbst, der als eines der meist studierten Objekte unserer Milchstraße
gilt.
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