Energiereiche Strahlung aus dem Krebsnebel
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Physik astronews.com
14. Januar 2016
Der Neutronenstern im Krebsnebel sendet die energiereichste
Lichtstrahlung aus, die je von einem Stern gemessen wurde. Dies ergab die
Auswertung von Daten des MAGIC-Teleskops aus mehreren Jahren. Wie genau
allerdings diese energiereiche Strahlung in der Umgebung des rotierenden
Neutronensterns entstehen kann, ist den Forschern noch nicht ganz klar.
Mit seinem enorm starken Magnetfeld (weiße
Linien) rotiert der Krebspulsar 30 Mal pro
Sekunde um die eigene Achse. Dabei werden
energiereiche Elektronen freigesetzt. Grün bzw.
blau unterlegt sind die Regionen, die für die
Beschleunigung der Teilchen auf extrem hohe
Energien infrage kommen. Der grün markierte
Bereich liegt in der Nähe des Magnetfelds, der
blaue könnte bis zu 100.000 Kilometer vom Pulsar
entfernt sein. Bild:
Patricia Carcelén Marco [Großansicht] |
Der Krebsnebel-Pulsar ist der Überrest einer Supernova-Explosion, die im Jahr
1054 zu beobachten war. Der dabei entstandene Neutronenstern hat einen
Durchmesser von nur ungefähr zehn Kilometern und rotiert etwa 30 Mal pro Sekunde
um die eigene Achse. Wie ein Leuchtturm sendet er dabei Lichtpulse aus, die sich
über das gesamte elektromagnetische Spektrum erstecken - von langen Radiowellen
über sichtbares Licht bis hin zu kurzwelligen, energiereichen Gammastrahlen.
Mithilfe des MAGIC-Teleskops auf der Kanareninsel La Palma wurden nun
Photonen, also Lichtteilchen entdeckt, deren Energie um ein Vielfaches höher
liegt als bisher beobachtet. Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass die
höchste Energie am Krebspulsar bei 6 GeV (Gigalektronenvolt) liegt. Im Jahr 2008
registrierte das MAGIC-Teleskop ein Energiespektrum von über 25 GeV. 2012
übertrumpfte das Observatorium sein eigenes Ergebnis mit Messungen von 400 GeV.
Inzwischen hat MAGIC Gammastrahlen bis zu 1,5 TeV (Teraelektronenvolt) gemessen.
Allerdings können die Forscher noch nicht erklären, wie die geladenen
Teilchen auf die extrem hohen Energien beschleunigt werden. "Bei der Erzeugung
energiereicher Teilchen spielt das für Neutronensterne typische enorm starke
Magnetfeld eine zentrale Rolle, das seinerseits extrem starke elektrische Felder
erzeugt", sagt Razmik Mirzoyan, Sprecher des MAGIC-Kollaboration und
Projektleiter am Max-Planck-Institut für Physik. "In der magnetisch geladenen,
komplexen Atmosphäre des Neutronensterns werden Elektronen und ihre
Antiteilchen, die Positronen, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt,
bevor sie zerstrahlen. In diesem Modell lassen sich Gammastrahlenergien bis zu
wenigen Gigaelektronenvolt als Synchrotron- und Krümmungsstrahlung erklären. Für
die jetzt beobachteten Gammapulse von über 1,5 TeV muss es aber einen anderen
Mechanismus geben."
"Wir können extrem energiereiche Gammastrahlen nur dann beobachten,
wenn es diesen Elektronen irgendwie gelingt, der komplexen Topologie des
Magnetfeldes am Neutronenstern zu entkommen und sich im elektrischen Feld zu
beschleunigen", erläutert Mirzoyan. "Dann bilden sie zusammen mit den
energieschwächeren Radiowellen und Röntgenstrahlen den Lichtkegel des Pulsars."
Für die "Flucht" der Gammastrahlen kommt ein indirekter Weg in Frage: Dabei
werden nicht die direkt vom Pulsar ausgehenden Elektronen und Positronen
gestreut, sondern ihre beschleunigten Abkömmlinge der zweiten oder dritten
Generation. Diese entstehen am äußersten Rand des Magnetfeldes in etwa 1.500
Kilometern Höhe. Vereinfacht gesagt, wechselwirken hier energiereiche geladene
Teilchen mit UV- und Röntgenstrahlen sowie dem Magnetfeld. Anschließend
übertragen die sekundären Teilchen ihre Energie auf niedrigenergetische Photonen
und machen sie damit zu energiereichen Gammaquanten – die das Magnetfeld
verlassen.
Diese Energieübertragung bezeichnet man als inversen Compton- Mechanismus.
Mittels inversem Compton-Effekt könnten sich Gammaphotonen auch im Pulsarwind,
weit vom Pulsar entfernt, bilden – wo die beschleunigten Teilchen ebenfalls auf
Röntgenstrahlen treffen können. Allerdings kommt die extreme Gammastrahlung
exakt zur gleichen Zeit am MAGIC-Teleskop an wie energieärmere Radiowellen oder
Röntgenstrahlen – von denen man weiß, dass sie im Inneren des Magnetfelds
entstehen.
"Das würde bedeuten, dass die gesamte Strahlung in einer relativ kleinen
Region am Rand des Magnetfeldes produziert wird oder die energiereiche
Gammastrahlung eine Art 'Erinnerung' an Strahlung niedrigerer Energie behält.
Zum heutigen Zeitpunkt kann man annehmen, dass der inverse Compton-Mechanismus
die Existenz derart energiereicher Gammastrahlen am Pulsar erklären kann.
Langfristig brauchen wir aber neue, detaillierte theoretische Modelle, die das
Phänomen beschreiben", so Mirzoyan abschließend.
Für die jetzt in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics
veröffentlichten Ergebnisse haben die an MAGIC beteiligten Wissenschaftler 320
Beobachtungsstunden zwischen Oktober 2007 und April 2014 ausgewertet.
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