Funkenschlag im Pulsarwind
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
22. November 2017
Der Krebsnebel im Sternbild Stier dürfte mit zu den am
besten untersuchten Objekten am Nachthimmel zählen. Trotzdem sind die Vorgänge
in diesem Supernova-Überrest noch nicht vollständig verstanden: So konnte man
sich bislang nicht erklären, wie es zu den beobachteten Ausbrüchen
hochenergetischer Gammastrahlen kommt. Nun haben Physiker eine Theorie
vorgestellt.
Der Krebsnebel (M1) - Komposit aus Aufnahmen
bei verschiedenen Wellenlängen: Infrarot (rot,
Spitzer) sichtbares Licht (grün, Hubble), Röntgen
(hellblau, Chandra).
Bild: NASA [Großansicht] |
Der Krebsnebel (Messier 1, M1) ist der Überrest einer spektakulären
Supernova, die im Jahre 1054 nach Christus im Sternbild Stier aufleuchtete. Die
Sternexplosion hinterließ im Zentrum den Krebspulsar, einen Neutronenstern von
1,4 bis 2 Sonnenmassen mit einem Durchmesser von nur 10 bis 30 Kilometern, der
sich sehr schnell (gut 30 Mal pro Sekunde) um seine Achse dreht. Er besitzt ein
starkes Magnetfeld, dessen Achse gegenüber der Rotationsachse geneigt ist und so
im Magnetfeld gefangene geladene Teilchen mitführt.
Aus den zentralen Bereichen geht ein "Pulsarwind" aus – ein Plasmastrom aus
relativistischen Elektronen und ihren Antiteilchen (Positronen). Ihre Energie
beziehen sie aus der Rotation des Neutronensterns mit seiner geneigten
Magnetosphäre, die wie ein Quirl den Pulsarwind-Nebel durchrührt und
hochfrequente elektromagnetische Wellen abstrahlt.
Wo der Pulsarwind in einigen Lichtmonaten Entfernung vom Zentrum auf die
äußeren Bereiche des Krebsnebels trifft, bildet sich eine Stoßfront. Die auf
extrem hohe Energien beschleunigten Elektronen und Positronen produzieren
schließlich die ausgedehnte nicht-thermische Strahlung des Krebsnebels. Diese
sehr effizienten Prozesse machen ihn zu einer der hellsten Quellen
hochenergetischer Gammastrahlung, wobei der Pulsar im hohen und der Nebel
vorwiegend im sehr hohen Energiebereich leuchten.
Neben dem regulären Pulsieren der Gammastrahlung, die vom Krebsnebel ausgeht,
hat unter anderem der Fermi-Satellit in den "Dunkelphasen"
unregelmäßige Eruptionen (sogenannte Flares) im hohen Energiebereich – gleichsam
ein Flackern des Gammalichts – beobachtet. Diese waren in mehrfacher Hinsicht
für die Astrophysiker rätselhaft: Ihre rasche Variation innerhalb von Stunden
schränkt den Ursprung auf ein sehr kleines Gebiet ein, etwa von der Größe
unseres Sonnensystems (also im Bereich einiger Lichtstunden), da sich keine
Störung schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Zudem wurde
Gammalicht bei Energien beobachtet, die bis zu viermal über denen liegen, die
nach bisherigem Verständnis im Elektron-Positron-Plasma des Pulsarwinds erreicht
werden.
John Kirk und Gwenael Giacinti vom Heidelberger Max-Planck-Institut für
Kernphysik haben nun mit einem neuen theoretischen Modell einen Mechanismus
gefunden, der das beobachtete Spektrum der Gamma-Flares und ihre typische
Zeitdauer erklärt. Hierzu nahmen die Forscher an, dass der Pulsarwind in seinem
Ursprung nicht kontinuierlich gespeist wird, sondern Fluktuationen aufweist.
Diese bilden "Blasen" im Plasma mit erheblich geringerer Dichte – bis zu einem
Faktor von einer Million.
Die Rechnungen zeigen nun, dass auf dem Weg zur Schockfront die wenigen
Teilchen durch Induktion insgesamt die gleiche Energiemenge aufnehmen, aber
dafür die Energie pro Teilchen entsprechend höher ist. Die plötzliche
Verringerung der Anzahl von Ladungsträgern wirkt so ähnlich, wie bei einem
induktiven Stromkreis die Unterbrechung des Stroms eine Spannungsspitze erzeugt.
Dieser Induktionseffekt ist für die bekannten Funken beim Öffnen des Schalters
für einen Elektromagneten verantwortlich (Funkeninduktor) – ein
Anwendungsbeispiel sind Zündkerzen für Ottomotoren.
Treffen nun diese hochenergetischen Elektronen und Positronen auf die
Stoßfront, so werden sie dort magnetisch abgelenkt und geben ihre Energie in
Form von Synchrotronstrahlung ab, die dann als hochenergetisches Gammalicht
beobachtet wird. Da die Stoßfront gekrümmt ist, liegt der exakt in Richtung Erde
weisende Bereich etwas näher als dessen Umgebung. Der Unterschied liegt in der
Größenordnung von Lichtstunden, was zur beobachteten Zeitstruktur der
Gammastrahlung passt.
Auch die Form des Spektrums wird durch die neuen Rechnungen gut
wiedergegeben. Das neue Modell sagt auch weitere Eigenschaften der Strahlung
voraus, etwa die Polarisation, also die Schwingungsrichtung des Gammalichts,
welche in naher Zukunft gemessen werden könnten. Es legt zudem nahe, dass
ähnliche Gamma-Flares auch in anderen Pulsarwind-Nebeln auftreten.
Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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