Die Untersuchungskommission (CAIB) setzt ihre Arbeit zur Klärung der Ursachen
des "Columbia"-Absturzes fort und führt nun eine Reihe öffentlicher Anhörungen
durch. Die europäische Weltraumorganisation ESA wurde unlängst vom Vorsitzenden der von der NASA zur Unterstützung der CAIB eingesetzten
"Columbia Task Force" zusammen mit den anderen ISS-Partnern über den Stand der
Ermittlungen ausführlich informiert und informierte die Presse zusammenfassend
über den aktuellen Stand der Untersuchungen.
Inzwischen wurden Trümmerstücke im Umfang von mehr als 20 Tonnen geborgen,
was rund 20
Prozent der "Columbia"-Gesamtmasse entspricht. Bisher wurde jedoch westlich von Texas
noch nichts gefunden, obwohl Filmaufnahmen zeigen, dass bereits über Kalifornien
Teile der Raumfähre niedergingen. In diesem Gebiet geht die Suche nach
Überresten weiter.
Als bisher letztes wichtiges Bauteil konnte das Experimentaufzeichnungsgerät
geborgen werden. Dieses Magnetbandgerät dient der Aufzeichnung der Daten
verschiedener Sensoren während des Aufstiegs und Wiedereintritts, die nicht
direkt zum Boden übertragen werden können. Das geborgene Gerät wird gegenwärtig
im Kennedy Space Center eingehenden Analysen unterzogen.
Es gilt jetzt als gesichert, dass sich am zweiten Flugtag ein 30 mal 15
Zentimeter großes
Teil von der "Columbia" löste und drei Tage später in die Atmosphäre eintrat.
Dies wurde bei der Auswertung von Radaraufzeichnungen nach dem Unglück
festgestellt.
Das aerodynamische Verhalten der Raumfähre beim Rückflug wurde in allen
Einzelheiten untersucht. Aus der Synthese der empfangenen Daten geht hervor,
dass zum Zeitpunkt des Wiedereintritts bereits eine gewisse Beschädigung bestand und
mehrere Minuten vor dem Abbruch des Funkkontakts heißes Gas (Plasma) in die
linke Tragfläche eindrang.
Ferner deutet alles darauf hin, dass es 2 bis 3 Minuten vor dem Abbruch des
Funkkontakts zu einer sehr viel größeren Beschädigung gekommen ist. Zu diesem
Zeitpunkt rollte die "Columbia" entgegen dem Uhrzeigersinn um die Längsachse und
führte eine Gierbewegung nach links aus.
In Windkanalversuchen und thermischen Analysen wurde nachgewiesen, dass
Stoßwellen-Wechselwirkungen an einer beschädigten linken Tragfläche ähnliche
Temperaturen hervorrufen können, wie sie die Sensoren der "Columbia" angezeigt
hatten, und dass Plasmaströme durch die Flügelhohlräume und dann im
Hauptfahrwerksschacht zu Temperaturausschlägen der dort gemessenen Höhe führen
können.
Als wichtiger beitragender Faktor wird nach wie vor der Umstand gewertet,
dass
sich beim Start ein Stück Isolierschaum vom Außentank gelöst hat und gegen die
linke Tragfläche gestoßen ist.
Noch nicht gefunden wurde das an der linken Tragfläche aufgehängte
Hauptfahrwerksbein, wogegen alle sechs Reifen und die beiden anderen
Fahrwerksbeine geborgen werden konnten.
Das für den Außentank verantwortliche Team untersucht zur Zeit Möglichkeiten zur
Sicherstellung einer besseren Haftung des Isolierschaums und zur orbitalen
Inspektion und Reparatur der Außenflächen der Raumfähre bei künftigen Einsätzen.
Untersucht werden auch eine verbesserte photographische Erfassung kritischer
Missionsabläufe sowie alternative Flugbahnen zur Minimierung der Aufheizung beim
Wiedereintritt.
Die Columbia-Tragödie hat auch für die Internationale Raumstation ISS Folgen:
Zwar sind sich alle ISS-Partner darin einig, dass die Raumstation ständig bemannt
bleiben soll. Es wurde aber grundsätzlich vereinbart, dass die Raumstationsmannschaft auf zwei
Mitglieder beschränkt wird, solange die Raumfähren Flugverbot haben. Dies
soll ab April 2003 verwirklicht werden, wenn der nächste Sojus-Flug zur Ablösung
der Mannschaft genutzt wird (astronews.com berichtete).
Gegenwärtig werden Überlegungen zur Wiederaufnahme der Raumtransporterflüge
angestellt, wofür die NASA eigens ein "Flugwiederaufnahmeteam" gebildet hat.
Zwischen der ESA und Rosaviakosmos wurde Einvernehmen über die umgeplanten
Sojus-Flüge der ESA-Astronauten Pedro Duque und André Kuipers erzielt. Duque
soll nun im Oktober/November dieses Jahres und Kuipers im April/Mai 2004 zur ISS
reisen.
Die jetzige dreiköpfige ISS-Mannschaft ist mit der weiteren Routinewartung der
Stationssysteme und einer Inspektion der ISS mit Hilfe des Roboterarms Canadarm2
beschäftigt.
Zur Versorgung der Raumstation im weiteren Verlauf dieses Jahres sowie im Jahr
2004 wurde ein ausführlicher Logistikplan aufgestellt, der auch den Einsatz des
Automatischen Transferfahrzeugs (ATV) der ESA vorsieht. Das ATV soll im
September 2004 zu seinem Jungfernflug gestartet werden, um Nachschub zur ISS zu
befördern und deren Bahn anzuheben.