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Ein Kind des äußeren Sonnensystems
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
21. Oktober 2022
Seit einiger Zeit werden von Forschungsgruppen auf der
ganzen Welt die Proben untersucht, die die japanische
Raumsonde Hayabusa-2 vom Asteroiden Ryugu zur Erde gebracht hat. Alle
bislang veröffentlichten Analysen sprechen für eine Entstehung des Brockens im
äußeren Sonnensystem, vermutlich sogar in den äußersten Bereichen, wie eine neue
Studie jetzt zeigt.
Der Asteroid Ryugu, aufgenommen von der
japanischen Raumsonde Hayabusa-2.
Foto: JAXA, University of Tokyo, Kochi
University, Rikkyo University, Nagoya University,
Chiba Institute of Technology, Meiji University,
University of Aizu, AIST
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Gerade einmal fünf Gramm Gesteinsmaterial enthielt die Probenkapsel, die am
5. Dezember 2020 nahe der Stadt Woomera im australischen Bundesstaat South
Australia niederging. Ihr "Absender" war die japanische Raumsonde Hayabusa-2.
Nachdem die Sonde das Gestein ein Jahr zuvor vom Asteroiden Ryugu eingesammelt
hatte, nutzte sie den Vorbeiflug an der Erde, um ihre wertvolle Fracht
abzuliefern – bevor sie selbst zur nächsten Asteroidenbegegnung weiterreiste.
2031 soll sie ihr zweites Ziel, den Asteroiden 1998 KY26, passieren.
Die in der Kapsel enthaltenen Gesteinsproben sind erst die zweiten, die
jemals von einem Asteroiden zur Erde gebracht wurden. Präzise Messungen, die
umfassend Aufschluss über Zusammensetzung, Beschaffenheit, Herkunft und
Entwicklung des kosmischen Brockens geben können, sind nur in irdischen Labors –
und nicht etwa an Bord der Raumsonde – möglich. Knapp zwei Jahre nach Eintreffen
der Proben auf der Erde liegen erste Ergebnisse vor. Sie bescheinigen den
Gesteinsproben unter anderem eine körnige, lockere Struktur, einen Werdegang,
bei dem über einen langen Zeitraum Mineralien mit Wasser reagierten, und
belegen, dass Ryugu Aminosäuren und andere komplexe organische Moleküle enthält.
Zu den vielen offenen Fragen zählt die nach dem Entstehungsort Ryugus. Dieser
Frage geht auch die aktuelle Studie mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen und der Georg-August-Univesität
Göttingen nach.
Der kohlenstoffreiche Asteroid Ryugu, der etwa einen Kilometer im Durchmesser
misst und dessen Form an eine abgerundete Doppelpyramide erinnert, zählt zur
Klasse der erdnahen Objekte. Diese Körper ziehen ihre Bahnen in einem ähnlichen
Abstand um die Sonne wie die Erde. Forscherinnen und Forschern gehen jedoch
davon aus, dass Asteroiden dieser Art im inneren Sonnensystem lediglich
"Zugezogene" sind und den größten Teil ihres Daseins im Asteroidengürtel
zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter verbracht haben. Der eigentliche
Geburtsort vieler Körper des Asteroidengürtels dürfte noch weiter außen im
Sonnensystem liegen.
Messungen und Simulationen sprechen dafür, dass kohlenstoffreiche Asteroiden
(ebenso wie die kohlenstoffreichen Meteoriten, so genannte kohlige Chondrite)
ihren Ursprung im äußeren Sonnensystem haben: die meisten von ihnen in der Nähe
der Entstehungsorte von Jupiter und Saturn, einige wenige möglicherweise sogar
im Einflussbereich von Uranus und Neptun. Erst das Wachsen der vier Gasriesen
wirbelte die Asteroiden dann in den Asteroidengürtel. "Alle Untersuchungen
deuten darauf hin, dass Ryugu wie die kohligen Chondrite ein Kind des äußeren
Sonnensystems ist", fasst Dr. Timo Hopp von der University of Chicago,
Erstautor der aktuellen Studie, den bisherigen Kenntnisstand zusammen. Der
Wissenschaftler forscht mittlerweile am MPS.
Ob der Entstehungsort Ryugus jedoch in der Nähe von Jupiter und Saturn oder
noch weiter entfernt von der Sonne zu verorten ist, ließ sich bisher nicht
klären. Zu diesem Zweck wandte sich die Forschergruppe um Hopp den Eisenisotopen
in den Gesteinsproben des Asteroiden zu. Als Isotope bezeichnet man Varianten
desselben chemischen Elements, wie etwa Eisen, die sich lediglich durch die
Anzahl der Neutronen im Kern und damit ihr Gewicht unterscheiden.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Isotope
bestimmter Elemente in der Geburtsstunde des Sonnensystems nicht gleichmäßig
verteilt waren. Je nachdem wo ein Körper entstanden ist, stand somit Baumaterial
mit unterschiedlichen Isotopenverhältnissen zur Verfügung. Diese Verhältnisse
enthalten noch heute Informationen über den Entstehungsort eines Körpers. Für
ihre Analysen untersuchten die Forscherinnen und Forscher vier Proben des
Asteroiden Ryugu sowie zum Vergleich Proben 13 verschiedener Meteoriten, die
unterschiedliche Meteoritengruppen repräsentieren. Die meisten von ihnen sind
wie Ryugu kohlenstoffreich.
"Das Verhältnis bestimmter Eisenisotope zueinander ist ein hervorragender
Marker, um einige dieser Gruppen nach ihren Entstehungsorten voneinander zu
unterscheiden“, erklärt MPS-Direktor und Ko-Autor Prof. Dr. Thorsten Kleine.
Nachdem die Gesteinsproben von Ryugu in Japan aufwändig chemisch präpariert
wurden, reisten sie nach Chicago. Nach weiteren vorbereitenden Schritten
analysierte Timo Hopp die Proben mithilfe eines
Multikollektor-Plasma-Massenspektrometers und konnte so Unterschiede in den
Mengenverhältnissen verschiedener Eisenisotope auf wenige Teile pro Million
genau bestimmen.
Wie sich zeigte, unterscheiden sich diese Verhältnisse im Fall des Asteroiden
Ryugu deutlich von dem der meisten untersuchten Meteoriten. Lediglich eine
Gruppe von Meteoriten bildet eine Ausnahme: die CI-Chondriten, die nach dem
tansanischen Fundort ihres bekanntesten Vertreters auch als Meteoriten vom Ivuna-Typ
bezeichnet werden. "Es besteht eine auffällige Verwandtschaft zwischen dem
Asteroiden Ryugu und den vergleichsweise seltenen Meteoriten der CI-Gruppe", so
Hopp. "Unsere Messungen belegen, dass Ryugu und Meteorite des Ivuna-Typs im
selben Bereich des frühen Sonnensystems entstanden sind und dass dieser Bereich
nicht mit dem Entstehungsort anderer kohliger Chondrite zusammenfällt", fügt er
hinzu. "Alles in allem spricht viel dafür, dass wir mit Ryugu und den Meteoriten
vom Ivuna-Typ Überbleibsel der frühen Körper gefunden haben, die sich am
äußersten Rand des Sonnensystems gebildet haben", so Ko-Autor Prof. Dr. Andreas
Pack von der Abteilung für Geochemie und Isotopengeologie der
Georg-August-Universität Göttingen.
Bereits frühere Studien hatten Ähnlichkeiten zwischen dem Asteroiden Ryugu
und Meteoriten vom Ivuna-Typ gefunden, etwa in Hinblick auf ihre chemische und
mineralogische Zusammensetzung. In der Fachzeitschrift Science
berichtet eine Forschergruppe heute von einem weiteren Hinweis: Auch die Gase,
welche die Proben von Ryugu während ihrer Reise zur Erde in der Probenkapsel
ausgedünstet haben, deuten auf Gemeinsamkeiten mit diesen exotischen Meteoriten
hin. Hopp und seine Kollegen berichten über ihre Ergebnisse in der Zeitschrift
Science Advances.
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