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Die Entstehungsgeschichte eines Asteroiden wird entschlüsselt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
28. September 2022
Eine detaillierte Analyse der Proben, die die japanische
Raumsonde Hayabusa-2 vom Asteroiden Ryugu zur Erde gebracht hat,
lieferte nun neue Erkenntnisse über die Entstehung dieses erdnahen Brockens und
damit über die Frühphase unseres Sonnensystems. Offenbar ist Ryugu weit ab von
seiner jetzigen Position entstanden und könnte früher sogar ein Komet gewesen
sein.
Der Asteroid Ryugu, aufgenommen von der
japanischen Raumsonde Hayabusa-2.
Foto: JAXA, University of Tokyo, Kochi
University, Rikkyo University, Nagoya University,
Chiba Institute of Technology, Meiji University,
University of Aizu, AIST
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90 Prozent der bekannten Asteroiden befinden sich im sogenannten
Asteroidengürtel zwischen den Planeten Jupiter und Mars, einige jedoch kommen
der Sonne und damit auch der Erde viel näher. Zu den sogenannten erdnahen
Asteroiden gehört auch Ryugu, ein Gesteinsbrocken von rund einem Kilometer
Durchmesser, der einem auf einer Ecke stehenden Pflasterstein ähnelt. Für seinen
Flug um die Sonne in einer Entfernung von 0,96 bis 1,42 Astronomischen Einheiten
braucht er 474,5 Tage und kreuzt dabei auch die Erdumlaufbahn. Das macht ihn zu
einem besonders interessanten Forschungsobjekt für die Wissenschaft.
"Himmelskörper wie Asteroiden, beziehungsweise die von ihnen stammenden
Meteoriten, sind so faszinierend, weil sie uns einzigartige Informationen über
die Anfänge unseres Sonnensystems liefern", sagt Prof. Dr. Falko Langenhorst.
Der Professor für Analytische Mineralogie der Mikro- und Nanostrukturen an der
Universität Jena ist seit langem damit beschäftigt, Materie aus dem Weltall bis
ins kleinste Detail zu analysieren, um die Prozesse bei der Entstehung und
Formierung unseres Sonnensystems aufklären zu helfen. Er war schon 2006 an der
Stardust-Mission der NASA zu einem Kometen beteiligt und seine Expertise als
Astro-Mineraloge war auch gefragt bei der 2003 gestarteten ersten Mission einer
japanischen Raumsonde zum Asteroiden Itokawa. Die Sonde wurde nach dem
scharfsichtigen Wanderfalken Hayabusa benannt. Der Jenaer gehörte zu
dem internationalen Team, das den extraterrestrischen Staub von der Itokawa-Oberfläche
untersuchte, den die Sonde 2010 zur Erde gebracht hatte. "Material in der Hand
zu halten, das von einem Himmelskörper stammt, der seit Jahrmillionen seine Bahn
im Weltall zieht, ist schon faszinierend", so Langenhorst. Diesen Staubkörnern
ihr Geheimnis zu entlocken, treibe ihn immer wieder aufs Neue an.
2014 bestimmte die Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) den
Asteroiden Ryugu als Ziel ihrer Hayabusa-2-Mission. Die Raumsonde erreichte nach
mehrjährigem Flug den Kleinplaneten Ryugu und schickte 2018 nicht nur
erstaunliche Fotos von dem Himmelskörper zur Erde, sondern brachte zwei Jahre
später auch Gesteinsmaterial von dort mit zurück. "Während Hayabusa 1
aufgewirbelten Staub eingesammelt hatte, dessen größtes Korn etwa 0,3 Millimeter
klein war, brachte die Sonde diesmal zahlreiche, mehrere Millimeter große
Bruchstücke von Ryugu zur Erde", erklärt Langenhorst. Seine Aufgabe im
Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Tomoki Nakamura von der Universität
Tohoku in Japan war es, die Minerale in den Gesteinsbruchstücken von Ryugu zu
identifizieren und die Verteilung der chemischen Elemente darin zu analysieren.
"Dabei arbeitete ich mit einem Transmissions-Elektronen-Mikroskop, das mit
einer Auflösung von unter einem Nanometer erstaunliche Details des Materials
offenbarte", erläutert Langenhorst. "So haben wir festgestellt, dass Ryugu ein
sogenannter 'Schutthaufen-Asteroid' ist, auf Englisch 'Rubble Pile'. Das Gestein
ist nicht kompakt, sondern besteht aus unzähligen, quasi zusammengebackenen
Gesteinsscherben", beschreibt Langenhorst seine Beobachtungen. Das lasse den
Rückschluss zu, dass der heutige Asteroid Ryugu sich erst aus den Trümmern eines
Einschlags auf einem ursprünglich deutlich größeren Ur-Asteroiden
zusammengeballt hatte.
Das Team fand auch Belege dafür, dass die "Kinderstube" von Ryugu nicht im
zentrumsnahen Bereich unseres Sonnensystems gelegen hat, wo sich der Asteroid
heute bewegt, sondern im äußeren Bereich des Sonnensystems. "Dort herrschen
Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt, dabei kondensieren Wasser und
andere leichte Moleküle wie Methan und Ammoniak zu Eisen und ballen sich mit
Mineralstaub zu 'dreckigen Schneebällen' zusammen, den Kometen. Da jedoch in der
Frühphase des Sonnensystems auch kurzlebige radioaktive Elemente beteiligt
waren, erwärmte sich Ryugu relativ schnell nach der Zusammenballung, sodass das
Eis schmolz und Mineralreaktionen einsetzten", erklärt Langenhorst. Denkbar sei,
dass Ryugu also früher ein Komet war. Bei seiner Annäherung an die Sonne sei das
Wasser gewissermaßen verdunstet und der feste Staub blieb übrig.
Das Hayabusa-2-Team machte dazu neue Entdeckungen: Einer seiner Kollegen
entdeckte etwa in einem Staubkorn vom Asteroiden einen Wassereinschluss, der
neben Kohlensäure und Salz auch organische Moleküle enthielt. Andere fanden ein
tausendstel Millimeter kleine Kügelchen organischen Materials im außerirdischen
Gestein. Vergleichbares kannte man aus Untersuchungen an einem Meteoriten namens
Ivuna, der 1938 in Tansania gefunden wurde, und der in die Gruppe der kohligen
Chondrite gehört. "Ivuna ist unserem Ryugu zum Verwechseln ähnlich", so
Langenhorst. Die kohligen Chondrite seien die ältesten Gesteine unseres
Sonnensystems. "Als Urmaterie geben sie am besten die Zusammensetzung unseres
Sonnensystems wieder."
Die neuen Erkenntnisse über Evolution und Diversität der Minerale und anderen
Bestandteile der Ryugu-Bodenproben versetzen die Forscher jetzt in die Lage,
Aussagen über die Zeit zu treffen, in der der Asteroid entstand und sich
entwickelte. "Wir vermuten, dass Ryugu von einem älteren großen Asteroiden
abstammt. Dieser Ur-Asteroid bildete sich innerhalb von nur zwei Millionen
Jahren nach der Geburt des Sonnensystems in dessen äußerem Bereich, wo Wasser
und andere Moleküle als Eis vorhanden waren. Unter radioaktiver Erwärmung
schmolz das Eis, wobei sich in diesem Prozess der aquatischen Alteration neue
Minerale wie Schichtsilikate, Carbonate und Eisenoxide im Ur-Asteroiden
kristallisierten. All diese Prozesse waren nach nur etwa fünf Millionen Jahren
beendet. Danach kam es zu der kosmischen Kollision, bei der Teile des
Ur-Asteroiden abgesprengt wurden, aus denen sich der neue Asteroid Ryugu
formte", fasst Langenhorst die Ergebnisse des Forschungsteams zusammen. "Auch
wenn wir Prozesse aus der Frühzeit unseres Sonnensystems immer besser aufklären,
so ist es wohl unwahrscheinlich, die Rätsel um den Beginn unseres Sonnensystems
je vollständig lösen zu können", vermutet er.
Die Studie zu Ryugu wurde jetzt in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
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