Gespanntes Warten auf Proben von Ryugu
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
4. Dezember 2020
Gespanntes Warten in Australien und an Instituten in Japan
und Deutschland: Am Wochenende soll die Sonde Hayabusa-2 an der Erde
vorüberfliegen und eine Kapsel mit Material des Asteroiden Ryugu abwerfen. Von
der Analyse der Proben erhoffen sich die Forschenden ganz neue Erkenntnisse über
diese Art von Asteroiden. Hayabusa-2 soll anschließend noch einen
weiteren Asteroiden ansteuern.

Mit der Sonde Hayabusa-2 soll am Wochenende
eine Probenkapsel mit Material des Asteroiden
Ryugu zurück zur Erde gebracht werden.
Bild:
DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Erstmals werden am Abend des 5. Dezember 2020 Proben von einem
erdbahnkreuzenden Asteroiden zurück auf der Erde erwartet. Bereits im Februar
und Juli 2019 hatte die Sonde Hayabusa-2 der japanischen
Raumfahrtagentur JAXA in zwei außergewöhnlichen Touchdown-Manövern Material des
Asteroiden Ryugu eingesammelt: viereinhalb Milliarden Jahre alte Fragmente aus
der frühesten Zeit des Sonnensystems. Nun wird sie diese Proben, sicher verstaut
in einer Landekapsel, nach insgesamt 5,25 Milliarden zurückgelegten
Reisekilometern, im Vorbeiflug an der Erde abstoßen. Das Landegebiet liegt in
der Nähe von Woomera in Südaustralien.
Als Teil der Mission erkundete im Oktober 2018 der deutsch-französische
Lander MASCOT Ryugus Oberfläche und zeigte einen fragilen kosmischen
"Schutthaufen" mit viel Geröll, Steinen, aber fast ohne Staub. Nach dem
Abtrennen des Probencontainers setzt die Sonde Hayabusa-2 ihre Forschungsreise
fort und steuert 2031 einen weiteren erdnahen Asteroiden an. Das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird voraussichtlich ab 2022 an der
Analyse der Ryugu-Proben mitwirken.
"Dies ist ein historischer Moment für die Weltraumforschung. Ich wünsche JAXA
viel Glück für dieses außergewöhnliche Landemanöver!", sagt Prof. Anke
Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR. "JAXA ist seit langem einer der
wichtigsten internationalen Partner des DLR. Nirgendwo wurde dies deutlicher,
als im Oktober 2018 der vom DLR und den französischen Kollegen der CNES
entwickelte Lander MASCOT im Rahmen der JAXA-Mission Hayabusa2 auf dem
Asteroiden Ryugu landete. Ich bin mir sicher, dass nun mit der Analyse der
Proben von Ryugu dank JAXA ein weiteres erkenntnisreiches Kapitel der
internationalen Asteroidenforschung beginnen wird."
Die Abtrennung der Landekapsel von der Raumsonde Hayabusa-2
wird am 5. Dezember 2020 um 6:30 MEZ in etwa 220.000 Kilometer Entfernung von
der Erde erfolgen - das ist etwas mehr als die halbe Entfernung Erde-Mond. Kurz
danach, zwischen 7:30 und 10 Uhr, führt die Sonde ein weiteres Manöver durch, um
vom Kollisionskurs mit der Erde weg und auf eine Flugbahn an ihr vorbei zu
gelangen. Sobald die Probenkapsel, langsam um die eigene Achse rotierend, mit
einer Geschwindigkeit von zwölf Kilometer pro Sekunde in 120 Kilometer Höhe in
die Erdatmosphäre eintritt, wird sie durch die Lufthülle bei großer
Hitzeentwicklung abgebremst.
Sieben bis elf Kilometer über Australien wird zwischen 18:30 Uhr und 18:33
Uhr ein für Radar "sichtbarer" Fallschirm ausgelöst, der vordere Hitzeschild
abgesprengt und die 40 Zentimeter lange Kapsel schließlich zwischen 18:47 und
18:57 Uhr im Woomera-Testgelände für Luft- und Raumfahrt aufsetzen. Während des
Flugs am Fallschirm werden bereits Signale zur Ortung der 16 Kilogramm schweren
Kapsel gesendet. Ein Bergungsteam wird dann in einem Hubschrauber über das
Landegebiet fliegen, um die Kapsel anhand der Ortungssignale aufzufinden und in
einem aufwendigen Ablauf zu bergen. In Australien ist es zu dieser Zeit bereits
früher Morgen rund um den Sonnenaufgang.
Nach der Bergung in der australischen Wüste, wird die Kapsel zunächst auf
ihren Zustand untersucht. Anschließend werden die Proben in der noch
verschlossenen Landekapsel im Flugzeug nach Japan gebracht, wo sie vom Flughafen
Tokio-Haneda in ein Labor des JAXA-Forschungszentrums Institute of Space and
Astronautical Science (ISAS) im nahe Tokio gelegenen Sagamihara überführt
werden. Erst dort wird nach einem über Jahre entwickelten Plan an die Kapsel ein
Mechanismus angebracht, ohne den die Kapsel zuvor nicht geöffnet werden kann.
Die Öffnung erfolgt robotisch in einem Reinraum-Labor in einer Vakuum-Kammer, in
der die Asteroidenproben in spezielle Probenbehälter umgebettet werden.
Zunächst werden die einzelnen Bestandteile der auf die Erde gebrachten
Asteroidenproben kuratiert und ein erstes Mal beschrieben, ehe ab Mitte 2021
mikroskopische, mineralogische und geochemische Untersuchungen stattfinden. Das
DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof schafft momentan in einem
neuen Labor Untersuchungsmöglichkeiten mit dem Schwerpunkt auf spektroskopischen
Analysen und plant, ab 2022 an der Untersuchung von Proben mitzuwirken.
Der knapp einen Kilometer große Asteroid Ryugu gehört zu den "Near-Earth
Objects" (NEOs), also Asteroiden oder Kometen, die der Erdbahn nahe kommen oder
diese schneiden, wobei Ryugu dabei nie in unmittelbare Nähe der Erde gelangt und
deshalb keine Gefahr darstellt. Bisherige Ergebnisse zeigten, dass Ryugu als
Bindeglied der Planetenbildung ein Relikt aus der Frühzeit des Sonnensystems vor
rund 4,5 Milliarden Jahren ist. Der kohlenstoffreiche C-Typ-Asteroid besteht
durch und durch aus hochporösem Material und hat sich wahrscheinlich
größtenteils aus den Bruchstücken eines durch Einschläge zertrümmerten
Mutterkörpers gebildet.
Die hohe Porosität und der damit verbundene geringe innere Zusammenhalt der
Gesteinsbrocken sorgen dafür, dass solche Körper beim Eintritt in die
Erdatmosphäre vermutlich in zahlreiche Fragmente auseinanderbrechen. Deshalb
lassen sich von dieser Klasse kohlenstoffreicher Asteroiden nur sehr selten
Meteoriten auf der Erde finden und analysieren, weil die Atmosphäre tendenziell
einen höheren Schutz vor ihnen bietet.
Doch gerade deshalb ist die Untersuchung der Ryugu-Proben auf der Erde
wissenschaftlich besonders bedeutend: Die Forschenden erhoffen sich von den
Untersuchungen wichtige Hinweise, wie Asteroiden dieses Typs, über deren
Eigenschaften und Zusammensetzung wenig bekannt ist, im Falle einer drohenden
Kollision in Zukunft abgelenkt werden könnten.
"Am Ende dieser ganz außergewöhnlichen Mission Proben von einem 4,5
Milliarden Jahre alten Asteroiden auf der Erde zu haben und sie vielleicht sogar
bald in unseren DLR-Laboren untersuchen zu können, ist für uns alle ein
Höhepunkt in unserem Forscherleben", drückt Prof. Heike Rauer, Leiterin des
DLR-Instituts für Planetenforschung, ihre Begeisterung für die bevorstehende
Ankunft der Ryugu-Proben auf der Erde aus. "Es ist schon herausragend, was wir
mit Raumsonden und Landemodulen an den Körpern des Sonnensystems herausfinden
können, aber es macht einen Riesenunterschied, wenn wir Proben hier auf der Erde
haben und in vielen großen Laboren untersuchen können, und zwar auch noch in ein
paar Jahrzehnten, wenn die Analytik viel weiter entwickelt sein wird."
Da zum Zeitpunkt des Vorbeiflugs von Hayabusa-2 an der Erde noch
etwa die Hälfte des Treibstoffs, das Edelgas Xenon, für das Ionentriebwerk
vorhanden sein ist, kann Hayabusa-2 weiter auf einer Umlaufbahn um die
Sonne verbleiben und 2031 noch einen weiteren Asteroiden besuchen, den nur 40
Meter großen und extrem schnell rotierenden erdnahen Asteroiden 1998 KY26. Ein
Objekt mit diesen Eigenschaften wurde bisher noch nie von einer Raumsonde
besucht. Die Forschenden erwarten, dass diese vergleichenden Beobachtungen die
bereits gewonnenen Erkenntnisse aus der Hayabusa-2-Mission vertiefen
werden. Bis 2031 soll die Raumsonde mit zwischenzeitlich zwei weiteren
Erdvorbeiflügen zur Bahnanpassung ihr Ziel erreichen.
Hayabusa-2 startete am 3. Dezember 2014 vom japanischen
Tanegashima Space Center und erreichte im Sommer 2018 den Asteroiden Ryugu.
Am 3. Oktober 2018 erkundete der deutsch-französische Lander MASCOT mit drei
Hüpfern in drei Asteroidentagen Ryugus Oberfläche. Mit zwei Touchdown-Manövern
sammelte die Muttersonde anschließend Proben, die nun auf der Erde landen. Die
Vorgängermission Hayabusa brachte bereits 2010 insgesamt 1500 Partikel
des Asteroiden Itokawa zurück zur Erde.
Update (5. Dezember 2020, 21.10 MEZ): Die Kapsel mit
Material des Asteroiden Ryugu, das die Sonde Hayabusa-2 genommen hatte,
ist am Abend wie vorgesehen in Australien niedergegangen. Soeben hat die
japanische Raumfahrtbehörde Jaxa bestätigt, dass die Kapsel in der vorgesehenen
Landezone gefunden wurde.
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