Die Sonnenaktivität der letzten tausend Jahre
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
20. Januar 2021
Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, aus
Messungen von radioaktivem Kohlenstoff in Baumringen die Sonnenaktivität bis ins
Jahr 969 zu rekonstruieren. Die Ergebnisse helfen der Forschung, die
Sonnendynamik besser zu verstehen und erlauben eine genauere Datierung
organischer Materialien mit der C14-Methode.

Sonnenaktivität über die letzten 1000 Jahre
(Ausschnitt), Aufzeichnungen von Sonnenflecken
über die letzten 400 Jahre (rote Kurve).
Bild: ETH Zürich [Gesamtansicht] |
Was in der Sonne vorgeht, lässt sich nur indirekt beobachten. Sonnenflecken
zum Beispiel geben Aufschluss über den Grad der Sonnenaktivität – je mehr
Flecken auf der Sonnenoberfläche sichtbar sind, desto aktiver ist unser
Zentralgestirn in seinem Innern. Auch wenn Sonnenflecken bereits seit dem
Altertum bekannt sind, wurden sie doch erst seit Erfindung des Fernrohrs vor
etwa 400 Jahren im Detail dokumentiert. Seitdem weiß man beispielsweise, dass
sich die Zahl der Flecken in regelmäßigen Elfjahreszyklen ändert und dass es
darüber hinaus lang andauernde Phasen von starker und schwacher Sonnenaktivität
gibt, die sich auch im irdischen Klima niederschlagen. Wie sich die
Sonnenaktivität allerdings vor Beginn dieser systematischen Aufzeichnungen
entwickelt hat, ließ sich bislang nur schwer nachvollziehen.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Hans-Arno Synal und
Lukas Wacker am Labor für Ionenstrahlphysik der ETH Zürich, an dem unter anderem
das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und die
schwedische Universität Lund beteiligt waren, hat nun mithilfe von Messungen des
Gehalts an radioaktivem Kohlenstoff in Baumringen den Elfjahreszyklus der Sonne
bis ins Jahr 969 zurückverfolgt. Gleichzeitig haben die Forschenden damit eine
wichtige Datenbasis zur genaueren Altersbestimmung mit der C14-Methode
geschaffen.
Um die Sonnenaktivität über ein Jahrtausend mit einer extrem guten zeitlichen
Auflösung von nur einem Jahr zu rekonstruieren, nutzten die Wissenschaftler
Baumring-Archive aus England und der Schweiz. In diesen Baumringen, deren Alter
sich präzise durch Zählen der Ringe bestimmen lässt, befindet sich ein winzig
kleiner Teil an radioaktivem Kohlenstoff C14, wobei von 1000 Milliarden Atomen
nur etwa eines radioaktiv ist.
Aus der bekannten Halbwertszeit dieses C14-Isotops – etwa 5700 Jahre – lässt
sich dann auf den radioaktiven Kohlenstoffgehalt schließen, der sich zum
Zeitpunkt der Bildung eines Jahresrings in der Erdatmosphäre befand. Da
radioaktiver Kohlenstoff hauptsächlich von kosmischen Teilchen gebildet wird,
die wiederum vom Magnetfeld der Sonne mehr oder weniger von der Erde
ferngehalten werden – je aktiver die Sonne, desto besser schirmt sie die Erde ab
-, lässt sich aus einer Änderung des C14-Gehalts in der Atmosphäre auf die
Sonnenaktivität schließen.
Genaue Messungen der Änderung dieses ohnehin sehr kleinen Gehalts gleichen
allerdings der Suche nach einem Staubkorn auf einer Nadel in einem riesigen
Heuhaufen. "Die einzigen Messungen dieser Art wurden in den 80er und 90er Jahren
gemacht", sagt Lukas Wacker, "allerdings nur für die letzten 400 Jahre und mit
der extrem aufwendigen Zählmethode". Bei dieser Methode werden die radioaktiven
Zerfallsereignisse von C14 in einer Probe mit einem Geigerzähler direkt gezählt,
wozu man vergleichsweise viel Material und, wegen der langen Halbwertszeit von
C14, noch mehr Zeit braucht. "Mit der modernen Beschleuniger-Massenspektrometrie
konnten wir nun mit einer tausendmal kleineren Jahresringprobe in wenigen
Stunden den C14-Gehalt auf etwa ein Promille genau bestimmen", ergänzt Nicolas
Brehm, der als Doktorand für diese Analysen verantwortlich ist.
Bei der Beschleuniger-Massenspektrometrie werden die zunächst elektrisch
aufgeladenen C14- und C12-Atome (der "normale", nichtradioaktive Kohlenstoff;
C14 dagegen enthält in seinem Kern zwei Neutronen mehr) des Baummaterials mit
einer Spannung von mehreren Tausend Volt beschleunigt und dann durch ein
Magnetfeld geleitet. In diesem Magnetfeld werden die unterschiedlich schweren
Kohlenstoffisotope verschieden stark abgelenkt und können so getrennt gezählt
werden. Um aus diesen Rohdaten schließlich die gewünschten Informationen über
die Sonnenaktivität zu bekommen, müssen die Forschenden diese anschließend noch
einer aufwendigen statistischen Analyse unterziehen und mittels Computermodellen
aufarbeiten.
Dieses Vorgehen erlaubte es, die Sonnenaktivität von 969 bis 1933 lückenlos
zu rekonstruieren. Daraus konnten sie sowohl die Regelmäßigkeit des
Elfjahreszyklus über ein Jahrtausend bestätigen als auch die Tatsache, dass die
Amplitude dieses Zyklus (also die Stärke des Ausschlags der Sonnenaktivität nach
oben und unten) bei lang andauernden solaren Minima ebenfalls kleiner ist.
Solche Erkenntnisse sind wichtig für ein besseres Verständnis der inneren
Dynamik der Sonne.
Die Messdaten erlaubten es auch, das solare Ereignis mit energetischen
Protonen aus dem Jahr 993 zu bestätigen. Bei einem solchen Ereignis führen stark
beschleunigte Protonen, die während einer Sonneneruption zur Erde gelangen, zu
einer leichten Überproduktion von C14. Darüber hinaus fand das Forschungsteam
Anzeichen zweier weiterer, bislang unbekannter Ereignisse in den Jahren 1052 und
1279. Dies könnte darauf hindeuten, dass solche Ereignisse – die elektronischen
Schaltkreise auf der Erde und in Satelliten empfindlich stören können – häufiger
auftreten als bisher angenommen.
Da Baumring-Archive für die letzten 14.000 Jahre existieren, wollen die
Forscher mit ihrer Methode demnächst die jährlichen C14-Konzentrationen bis zum
Ende der letzten Eiszeit bestimmen. Gleichsam als Zugabe können die Daten der
neuen Studie in Zukunft für eine viel genauere Datierung organischer Materialien
mit der C14-Methode verwendet werden und sind bereits in die neue Ausgabe der
international anerkannten Radiokarbon-Kalibrierkurven (IntCal) eingeflossen.
"Zuvor war die ETH an dieser Referenzdatenbasis nicht beteiligt gewesen", sagt
Wacker, "doch nun haben wir mit unseren Ergebnissen auf einen Schlag ein Drittel
der Messwerte beigesteuert."
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team kürzlich im Fachjournal Nature
Geoscience.
|