Rätsel um inaktive Sonne gelöst?
von Stefan Deiters astronews.com
4. März 2011
Unsere Sonne ist seit einiger Zeit wieder aktiv und damit in
den letzten Wochen mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Zuvor sah das
allerdings über viele Monate ganz anders aus und Wissenschaftler haben
gerätselt, warum das solare Aktivitätsminimum so lange andauerte. Neue
Computersimulationen könnten dieses Rätsel nun gelöst haben.
Im Inneren der Sonne gibt es gewaltige
Strömungen, die Plasma vom Äquator zu den Polen
und wieder zurück transportieren.
Bild: Andrés Muñoz-Jaramillo / Harvard
CfA |
"In der Sonne gibt es riesige Ströme aus Plasma, die den
Strömungen in den Ozeanen der Erde gleichen", erläutert Andrés Muñoz-Jaramillo,
der derzeit am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) im
amerikanischen Cambridge als Gastwissenschaftler forscht. "Diese Plasmaströme
beeinflussen die Aktivität der Sonne auf eine Weise, die wir gerade erst zu
verstehen beginnen."
Unsere Sonne besteht aus Plasma, einem ungeheuer heißem Gas, in dem sich
Elektronen und Ionen frei bewegen und dabei Magnetfelder erzeugen, die für eine
Vielzahl von Phänomenen auf der Sonne verantwortlich sind, wie beispielsweise
Sonnenflecken oder Eruptionen. Plasma wird von Physikern auch gern als vierter
"Aggregatzustand" der Materie bezeichnet - neben fest, flüssig und gasförmig.
Die solare Aktivität schwankt in einem Zyklus von durchschnittlich elf
Jahren. Während der stärksten Aktivität, im sogenannten solaren Maximum, ist die
Oberfläche der Sonne mit zahlreichen Sonnenflecken bedeckt und es kommt zu
regelmäßigen und äußerst starken Eruptionen. Wenn das ins All geschleuderte
Plasma die Erde erreicht, können spektakuläre Polarlichter entstehen, es kann
aber auch zu Störungen in elektrischen Einrichtungen oder bei der Kommunikation
kommen.
Während des solaren Minimums hingegen gibt es kaum Sonnenflecken und nur
recht selten Plasmaeruptionen. Doch die geringe Aktivität der Sonne hat trotzdem
Auswirkungen auf die Erde. So kühlt sich wegen der geringeren Aufheizung durch
UV-Strahlung die Erdatmosphäre ab und zieht sich zusammen, so dass es weniger
Luftreibung für Satelliten oder auch Weltraummüll gibt. Auch gelangen wegen des
weniger intensiven Sonnenwinds mehr Partikel der kosmischen Strahlung ins innere
Sonnensystem.
Solare Minima dauern in der Regel um die 300 Tage. Das letzte Minimum
allerdings war mit einer Länge von 780 Tagen das längste seit 1913 (astronews.com
berichtete wiederholt). "Zwei Dinge fielen beim letzten Minimum auf", erklärt
Muñoz-Jaramillo. "Es gab eine lange Zeit ohne Sonnenflecken und ein sehr
schwaches polares Magnetfeld. Wenn wir das solare Minimum verstehen wollen
müssen wir beiden Faktoren erklären."
Um dem Problem auf den Grund zu gehen, simulierten Muñoz-Jaramillo und seine
Kollegen die letzten 210 Aktivitätszyklen der Sonne am Computer. Das besondere
Interesse galt dabei den Plasmaströmen, die vom Äquator der Sonne zu höheren
Breitengraden laufen. Das Plasma steigt, ganz ähnlich wie in den Ozeanen der
Erde, am Äquator auf, strömt in Richtung der Pole und sinkt dort wieder ab, um
dann Richtung Äquator zurückzufließen. Mit einer durchschnittlichen
Geschwindigkeit von rund 60 Kilometern pro Stunde benötigt es für einen Umlauf
etwa elf Jahre.
Die Forscher entdeckten, dass die Plasmaflüsse in der Sonne mal schneller und
mal langsamer sind, ganz ähnlich wie bei einem nicht richtig funktionierendem
Förderband. Kommt es in der ersten Hälfte eines Zyklus zu schnelleren Strömungen
und in der zweiten Hälfte zu einem langsameren Fluss, kann dies zu einem
ausgedehnten solaren Minimum führen. Als Grund für diese
Geschwindigkeitsveränderungen vermuten die Wissenschaftler komplexe
Wechselwirkungen zwischen dem Plasmafluss und den solaren Magnetfeldern.
"Es ist wie bei einer Fließbandproduktion", vergleicht Muñoz-Jaramillo. "Wenn
das Band langsamer wird, wird der Abstand zwischen dem Ende des einen Zyklus und
dem Anfang des nächsten größer." Natürlich hoffen die Forscher irgendwann
Zeitpunkt und Stärke der kommenden Maxima und Minima vorhersagen zu können.
Bislang haben sie sich aber auf die solaren Minima konzentriert, können jedoch
selbst das kommende Minimum, das für 2019 erwartet wird, noch nicht vorhersagen.
"Wir können nicht voraussagen, wie sich die Bewegung dieser Plasmaströme
verändern wird", erklärt Dibyendu Nandy vom Indian Institute of Science
Education and Research in Kolkata, der Erstautor eines Fachartikels über
die Untersuchungen, der jetzt in der Zeitschrift Nature erschienen ist.
"Wenn wir aber sehen, wie sich die Strömungen verändern, wissen wird, was das
für Folgen haben wird."
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