Dem solaren Aktivitätszyklus auf der Spur
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung astronews.com
30. Juni 2020
Die Aktivität der Sonne schwankt in einem etwa elfjährigen
Rhythmus. Eine vollständige magnetische Periode dauert 22 Jahre und damit
genauso lange, wie auch Plasmaströme im Inneren unseres Zentralsterns für einen
Umlauf in jeder Sonnenhemisphäre benötigen. Dies ergab eine jetzt vorgestellte
Studie. Auch der Ort der Entstehung von Sonnenflecken lässt sich erklären.
Gewaltige Ströme: Im Innern der Sonne bewegt
sich Plasma oberflächennah in Richtung der Pole
und an der Basis der Konvektionszone in Richtung
Äquator.
Bild: MPS / Z.-C. Liang [Großansicht] |
Auf der sichtbaren Sonnenoberfläche zeigen sich mal mehr, mal weniger dunkle
Flecken. Der Abstand zwischen zwei Maxima beträgt ungefähr elf Jahre, nach 22
Jahren sind die Sonnenflecken wieder magnetisch gleich gepolt. Im Maximum
erscheinen nicht nur große Flecken, sondern aktive Regionen. Beeindruckende
Bögen aus heißem Plasma ragen bis weit in die Sonnenatmosphäre, Teilchen und
Strahlung werden in heftigen Eruptionen ins All geschleudert. Im
Aktivitätsminimum hingegen beruhigt sich die Sonne merklich.
Eine weitere auffällige Regelmäßigkeit zeigt sich im Schmetterlingsdiagramm.
Es beschreibt, in welchen solaren Breiten Sonnenflecken im Lauf des Zyklus
auftreten: Zu Beginn überwiegen die mittleren Breiten; im weiteren Verlauf
rücken die Entstehungsorte der Sonnenflecken immer näher an den Äquator heran.
Sonnenphysiker vermuten, dass großräumige Plasmaströme das Magnetfeld in der
Tiefe in Richtung Äquator transportieren. "Im Lauf des Sonnenzyklus wirken die
Plasmaströme in Nord-Süd-Richtung wie eine Art Förderband, das die Magnetfelder
mitreißt und so die Dauer eines Zyklus bestimmt", sagt Laurent Gizon,
Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung
in Göttingen und Erstautor der jetzt vorgelegten Studie. "Die genaue Geometrie
und Amplitude der Plasmabewegungen im Sonneninnern sichtbar zu machen, ist für
das Verständnis des solaren Magnetfeldes entscheidend."
Um die Plasmaströme unterhalb der Sonnenoberfläche nachzuverfolgen, nutzten
Gizon und sein Team die Methode der Helioseismologie. Helioseismologie hat eine
ähnliche Bedeutung für die Sonnenphysik wie Seismologie für die Geophysik.
Helioseismologen verwenden Schallwellen, um das Sonneninnere zu erforschen –
ähnlich wie Geophysiker Erdbebenwellen auswerten, um das Innere der Erde zu
verstehen. Oberflächennahe Konvektionsströme regen ununterbrochen Schallwellen
in der Sonne an. Diese haben Perioden von nahezu fünf Minuten. Die Wellen
breiten sich durch die Sonne bis zur Oberfläche aus und führen dort zu
Bewegungen, die sich mit bodengebundenen Observatorien und Weltraumteleskopen
messen lassen.
In der aktuellen Studie betrachten Laurent Gizon und sein Team Schallwellen,
die sich durch das Sonneninnere in Nord-Süd-Richtung ausbreiten. Plasmaströme im
Innern der Sonne, die in derselben Richtung verlaufen, stören und verändern die
Wellen: In Strömungsrichtung breiten sie sich schneller aus, in
entgegengesetzter Richtung langsamer. Diese sehr kleinen Störungen konnten die
Forscherinnen und Forscher messen und daraus mithilfe mathematischer Modelle und
Computersimulationen Eigenschaften der Plasmaströme ableiten.
"Im Sonneninnern sind die Plasmaströme in Nord-Süd-Richtung viel langsamer
als solche in Ost-West-Richtung", sagt Gizon. In der gesamten Konvektionszone
erreichen die Nord-Süd-Ströme Geschwindigkeiten von höchstens 50 Kilometern pro
Stunde, dem Höchstwert an der Oberfläche. "Um das Rauschen in den
helioseismischen Messdaten zu reduzieren, ist es deshalb notwendig, die
Messungen über lange Zeiträume zu mitteln", sagt Zhi-Chao Liang vom Göttinger
Max-Planck-Institut.
Die Wissenschaftler werteten deshalb erstmals zwei unabhängige, sehr lange
Messreihen aus. Die eine stammt von SOHO, dem ältesten Sonnenobservatorium im
Weltall, das die Raumfahrtagenturen ESA und NASA betreiben. Die Daten des
SOHO-Instrumentes MDI (Michelson Doppler Imager) erstrecken sich über die Zeit
von 1996 bis 2011. Ein zweiter unabhängiger Datensatz stammt vom
Forschungsnetzwerk GONG (Global Oscillation Network Group), einem Verbund aus
sechs bodengebundenen Sonnenteleskopen in den USA, Australien, Indien, Spanien
und Chile. Gemeinsam haben die sechs Teleskope seit 1995 einen fast
ununterbrochenen Blick auf die Sonne.
"Dass die internationale Sonnenphysik-Gemeinschaft gleich mehrere Datensätze
geliefert hat, welche die vergangenen beiden Sonnenzyklen abbilden, ist
lobenswert“, sagt John Leibacher, ehemaliger Direktor des GONG-Projekts. Dadurch
sei es möglich, über lange Zeiträume zu mitteln und die Ergebnisse zu
vergleichen.
Mithilfe dieser Daten konnten Gizon und sein Team zeigen, dass die
Plasmaströme am Boden der Konvektionszone mit einer Geschwindigkeit von 15
Kilometern pro Stunde – also etwa Laufgeschwindigkeit – zum Äquator fließen. An
der Oberfläche strömt das Plasma in Richtung der Pole und erreicht
Geschwindigkeiten von 50 Kilometern pro Stunde. Insgesamt ergibt sich so, dass
das Plasma in jeder Hemisphäre einen einzigen Umlauf beschreibt. Bemerkenswert
ist, dass die Dauer eines solchen Umlaufs etwa 22 Jahre beträgt – und somit die
physikalische Erklärung für den Sonnenzyklus liefert.
Weiterhin fanden die Forscherinnen und Forscher, dass Sonnenflecken mit
fortschreitendem Sonnenzyklus immer näher am Äquator entstehen – wie im
Schmetterlingsdiagramm beschrieben. "Unsere Studie stützt die Vorstellung, dass
die Ströme in Nord-Süd-Richtung für das Verschieben der Entstehungsorte von
Sonnenflecken zum Äquator hin verantwortlich sind", sagt Max-Planck-Forscher
Robert Cameron. Nach den Worten von Laurent Gizon ist allerdings noch offen,
warum die Nord-Süd-Ströme auf diese Weise verlaufen und welche Rolle diese
Ströme für die magnetische Aktivität anderer Sterne spielen.
Über die Studie berichtete das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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