Sorgen Planeten für 11-jährigen Aktivitätszyklus?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
28. Mai 2019
Die Aktivität unserer Sonne schwankt in einem elfjährigen
Zyklus. Warum es gerade elf Jahre sind, zählte bislang zu einem der großen
Rätsel der Sonnenphysik. Nun präsentieren Forscher aus Dresden eine Lösung: Der
Aktivitätszyklus hat mit einer alle elf Jahre wiederkehrenden Stellung von
Venus, Erde und Jupiter und Schwingungen der sogenannten Tayler-Instabilität zu
tun.
Die Aktivität unserer Sonne schwankt in
einem elfjährigen Zyklus.
Bild: ESA/NASA/SOHO [Großansicht] |
Es ist eine der großen Fragen der Sonnenphysik, warum die Aktivität der Sonne
einem regelmäßigen 11-Jahres-Rhythmus folgt. Forscher des Helmholtz-Zentrums
Dresden-Rossendorf (HZDR) präsentieren nun neue Hinweise darauf, dass die
Gezeitenwirkung von Venus, Erde und Jupiter das Magnetfeld der Sonne beeinflusst
und so den Sonnenzyklus steuert.
Für einen Stern wie die Sonne ist es an sich nicht ungewöhnlich, dass die
magnetische Aktivität zyklisch schwankt. Allerdings können bisherige Modelle den
sehr regelmäßigen Zyklus der Sonne nicht zufriedenstellend erklären. Dem
Forscherteam vom HZDR gelang es jetzt zu zeigen, dass die Gezeitenwirkung der
Planeten auf die Sonne als eine äußere Uhr den entscheidenden Ausschlag für
deren gleichförmigen Rhythmus gibt. Die Forscher verglichen dafür historische
Beobachtungen der Sonnenaktivität über die letzten tausend Jahre systematisch
mit Planetenkonstellationen und wiesen statistisch die Kopplung der beiden
Phänomene nach.
"Die Übereinstimmung ist erstaunlich genau: Wir sehen eine völlige
Parallelität mit den Planeten über 90 Zyklen hinweg", freut sich Dr. Frank
Stefani. "Alles deutet auf einen getakteten Prozess hin." Ähnlich wie die
Anziehungskraft des Mondes die Gezeiten auf der Erde hervorruft, so können
Planeten das heiße Plasma auf der Sonnenoberfläche verschieben. Die
Gezeitenwirkung ist am stärksten, wenn die Planeten Venus, Erde und Jupiter in
einer Linie stehen; eine Konstellation, die alle 11,07 Jahre auftritt. Doch der
Effekt ist zu schwach, um die Strömung im Sonneninneren signifikant zu stören,
weswegen die zeitliche Koinzidenz lange nicht weiter beachtet wurde.
Dann fanden die HZDR-Forscher jedoch Indizien für einen möglichen indirekten
Mechanismus, über den die Gezeitenkräfte das Sonnen-Magnetfeld beeinflussen
könnten: Schwingungen der Tayler-Instabilität, ein physikalischer Effekt, der ab
einem gewissen Strom das Verhalten einer leitfähigen Flüssigkeit oder eines
Plasmas verändern kann. Auf dieser Idee aufbauend konstruierten die
Wissenschaftler 2016 ein erstes Modell, das sie in ihrer jetzigen Arbeit
nochmals zu einem realistischeren Szenario weiterentwickeln. Die Sonne wäre
demnach ein ganz normaler, älterer Stern, dessen innere Uhr aber zusätzlich
durch die Gezeiten synchronisiert wird.
Im heißen Plasma der Sonne erzeugt die Tayler-Instabilität Störungen der
Strömung und des Magnetfelds. Sie reagiert dabei selbst auf sehr geringe Kräfte
empfindlich. Ein kleiner Energieschubs genügt, damit die Störungen zwischen
einer rechtshändigen und linkshändigen Verschraubungsrichtung (Helizität) hin-
und herpendeln. Den notwendigen Impuls könnte die Gezeitenwirkung der Planeten
alle elf Jahre geben – und so letztendlich auch den Rhythmus vorgeben, in dem
das Magnetfeld der Sonne umpolt.
"Als ich das erste Mal von Ideen las, die den Sonnendynamo mit Planeten in
Verbindung bringen, war ich äußerst skeptisch", berichtet Stefani. "Als wir
jedoch in unseren Computersimulationen Helizitäts-Schwingungen der
stromgetriebenen Tayler-Instabilität entdeckten, fragte ich mich: Was passiert,
wenn man mit einer leichten, gezeitenartigen Störung auf das Plasma einwirkt?
Das Ergebnis war phänomenal. Die Schwingung wurde richtig angefacht und mit dem
Takt der äußeren Störung synchronisiert."
Mit ihrem erweiterten Modell können die Forscher auch Effekte erklären, die
bisher nur schwierig zu modellieren waren, beispielsweise "falsche" Helizitäten,
wie sie bei Studien von Sonnenflecken beobachtet werden, oder das bekannte
Doppel-Maximum in der Aktivitätskurve der Sonne.
Die Gezeitenkräfte der Planeten könnten neben ihrer Rolle als Taktgeber für
den 11-Jahres-Zyklus auch weitere Effekte auf die Sonne haben. Zum Beispiel wäre
denkbar, dass sie die Schichtung des Plasmas im Grenzbereich zwischen innerer
Strahlungszone und äußerer Konvektionszone der Sonne, der Tachokline, so
verändern, dass der magnetische Fluss leichter abgeführt werden kann. Unter
diesen Bedingungen könnte auch die Stärke der Aktivitätszyklen verändert werden,
so wie einst beim "Maunder Minimum" die Sonnenaktivität über eine längere Phase
deutlich zurückging.
Ein besseres Verständnis des Sonnenmagnetfeldes würde langfristig helfen,
klimarelevante Prozesse wie das Weltraumwetter besser zu quantifizieren und
vielleicht sogar eines Tages Klimaprognosen zu verbessern. Die neuen
Modellrechnungen bedeuten aber auch, dass neben der Gezeitenwirkung potenziell
weitere, bislang unbeachtete Mechanismen in Modelle des Sonnenmagnetfeldes
integriert werden müssen, deren Kräfte klein sind, und die – wie die Forscher
jetzt wissen – dennoch eine große Wirkung entfalten können.
Um diese grundsätzliche Fragestellung auch im Labor untersuchen zu können,
bereiten die Forscher zurzeit ein neues Flüssigmetall-Experiment am HZDR vor. Über ihre Ergebnisse berichtet das Team im
Fachmagazin Solar Physics.
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