Warum die Sonne zuletzt so zahm war
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
3. August 2015
Die Aktivität unserer Sonne schwankt in einem etwa
elfjährigen Zyklus. Allerdings können die einzelnen Zyklen sehr verschieden
sein. So durchlief unsere Sonne beispielsweise Mitte des vergangenen Jahres ein
Aktivitätsmaximum, war dabei aber vergleichsweise "zahm". Jetzt glauben
Wissenschaftler die Ursache dafür gefunden zu haben.

Der 24. Sonnenzyklus, der 2009 begann, fällt
deutlich schwächer aus als seine Vorgänger. Hier
dargestellt ist die Anzahl der Sonnenflecken,
welche die sichtbare Oberfläche der Sonne
überziehen. Diese Zahl gilt als ein Maß für die
Aktivität der Sonne.
Bild: Hathaway / NASA / MSFC [Großansicht] |
Die Sonne ist derzeit ungewohnt zahm. Das vergangene Aktivitätsmaximum
unseres Sterns Mitte 2014 blieb deutlich hinter denen der vergangenen Jahrzehnte
zurück. Vergleichsweise wenige Sonnenflecken überzogen seine Oberfläche; Anzahl
und Heftigkeit der Sonneneruptionen fielen geringer aus als erwartet.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in
Göttingen und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften glauben nun einen
Grund für diesen "Leistungsabfall" der Sonne gefunden zu haben.
Entscheidend waren, so die Analyse der Forscher, ungewöhnliche
magnetische Strukturen, die etwa elf Jahre zuvor an der Oberfläche der Sonne in
Äquatornähe auftraten und in den folgenden Jahren das Gesamtmagnetfeld der Sonne
abschwächten. Da sich Strukturen dieser Art zufällig bilden, zeigen die
Rechnungen der Forscher vor allem eines: Die Stärke eines bevorstehenden
Aktivitätsmaximums lässt sich nur einige Jahre im Voraus bestimmen.
Langfristigere Vorhersagen sind nicht möglich.
Die Aktivität der Sonne schwankt in einem mehr oder weniger regelmäßigen
Zyklus. Etwa alle elf Jahre zeigt sich unser Stern von seiner ungestümen Seite:
In heftigen Eruptionen schleudert er geladene Teilchen und Strahlung ins All;
starke, veränderliche Magnetfelder erscheinen an seiner sichtbaren Oberfläche
und erzeugen die dunklen Sonnenflecken. Jeweils etwa sechs bis sieben Jahre
später kehrt wieder Ruhe ein.
Doch trotz dieser Regelmäßigkeit ist jeder Sonnenzyklus anders. Der
derzeitige Zyklus etwa, der 24. seit Beginn systematischer Sonnenbeobachtungen
Mitte des 18. Jahrhunderts, fällt deutlich schwächer aus als seine Vorgänger. Im
Maximum vor etwa einem Jahr überzogen nur etwa halb so viele Sonnenflecken die
Oberfläche der Sonne wie in den frühen 1990er Jahren. Besonders gewaltige
Sonneneruptionen blieben im 24. Zyklus aus.
Auf der Suche nach einer Erklärung für das solare Schwächeln haben Forscher
des MPS und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften einen genauen Blick auf
die Magnetfelder an der Oberfläche unseres Sterns geworfen. Neben einem
großräumigen Magnetfeld, das ähnlich wie das der Erde dem eines Stabmagneten
gleicht, ist das Magnetfeld der Sonne vor allem von starken, lokalen Feldern
geprägt.
An der Oberfläche der Sonne zeigen sich diese Felder als so genannte bipolare
Regionen: zwei eng benachbarte Gebiete hoher magnetischer Feldstärke, die
entgegengesetzten Magnetpolen entsprechen. Oft machen sich diese Felder
bemerkbar durch die mit ihnen verbundenen dunklen Sonnenflecken.
Die Anordnung der magnetischen Pole innerhalb einer bipolaren Region folgt
dabei oft einer Art Faustregel: Tritt die bipolare Region in der Nähe des
Sonnenäquators auf, liegen ihre magnetischen Pole meist in Richtung der
Sonnenrotation nebeneinander. Mit zunehmendem Abstand vom Äquator sind sie immer
weiter gegeneinander verschoben.
Oberflächennahe Plasmaströme transportieren in den Folgejahren bevorzugt die
weiter vom Äquator gelegenen Teile dieser Magnetfelder nach und nach zum Nord-
beziehungsweise Südpol der Sonne. Auf diese Weise bauen die bipolaren Regionen
den Stabmagnet-Anteil des Sonnenmagnetfeldes auf, welcher für die Heftigkeit des
folgenden solaren Maximums ausschlaggebend ist.
"Das Rätsel war, warum das Stabmagnetfeld der Sonne sich vor dem aktuellen
24. Sonnenzyklus so ungewöhnlich schwach zeigte", erklärt Dr. Jie Jiang von der
Chinesischen Akademie der Wissenschaften. "Nach der Faustregel für die
Verschiebung der bipolaren Regionen hätte es vier Mal stärker sein müssen", so
die Astrophysikerin.
Um das Rätsel zu lösen, berechnete die Arbeitsgruppe die Entwicklung des
Stabmagnetfeldes der Sonne zwischen 1996 und 2012 auf der Grundlage von
Messdaten für die bipolaren Regionen in diesem Zeitraum. Entscheidend ist dabei
die genaue Verschiebung der magnetischen Pole innerhalb der bipolaren Regionen.
"Während frühere Untersuchungen auf die Faustregel zurückgreifen mussten und
deshalb das schwache Magnetfeld nicht erklären konnten, haben wir erstmals mit
den präzisen Daten für jede einzelne bipolare Region gearbeitet", berichtet
Prof. Dr. Manfred Schüssler vom MPS, der die neue Studie leitete. Die dabei
verwendeten magnetischen Karten der Sonne wurden von der Weltraumsonde SoHO,
einem Gemeinschaftsprojekt von ESA und NASA, aufgenommen.
Zwar zeigen die Messdaten, dass auch im 23. Sonnenzyklus die bipolaren
Regionen weitgehend der Faustregel folgten. Entscheidend für das Resultat waren
jedoch einige untypische Exemplare, die "verkehrt herum" gepolt waren und so den
Stabmagnet-Anteil des Sonnenmagnetfeldes abschwächten. "Treten solche Ausreißer
- wie im Sonnenzyklus 24 mehrfach geschehen - in Äquatornähe auf, hat dies einen
besonders großen Effekt", beschreibt Dr. Robert Cameron vom MPS das Ergebnis der
Rechnungen.
Als Folge war das Magnetfeld der Sonne im Aktivitätsminimum um 2009
vergleichsweise schwach - und das folgende Aktivitätsmaximum entsprechend zahm.
Die ungewöhnlichen bipolaren Regionen, die im 23. Zyklus zu sehen waren, sind
eine zufällige Erscheinung. Da die bipolaren Regionen durch turbulente
Plasmaströmungen im Innern der Sonne entstehen, lässt sich weder ihr Auftreten,
noch die genaue Anordnung ihrer magnetischen Pole exakt vorhersagen. Dies macht
es unmöglich, die Stärke eines Sonnenzyklus mehr als einige Jahre im Voraus zu
bestimmen. Die Sonne bleibt ein geheimnisvoller und eigenwilliger Stern.
Über ihre Studie berichten die Wissenschaftler jetzt in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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