Proton und Antiproton scheinen identisch
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
20. Oktober 2017
Die Suche geht weiter: Noch immer wurde kein Unterschied
zwischen Protonen und Antiprotonen gefunden, der die Existenz von Materie in
unserem Universum erklären könnte. Dabei ist es Physikern jetzt gelungen, die
magnetische Kraft von Antiprotonen mit einer fast unglaublichen Genauigkeit zu
messen. Nun will man noch präzisere Messungen durchführen.
BASE-Experiment am Antiprotonen-Entschleuniger
am CERN in Genf: Zu sehen ist die
Kontrollperipherie, der supraleitende Magnet, in
dem sich die Penningfalle befindet, und das
Antiproton-Transfer-Strahlrohr.
Bild: Stefan Sellner, Fundamental Symmetries
Laboratory, RIKEN, Japan [Großansicht] |
Die neuesten BASE-Messungen zeigen stattdessen eine große Übereinstimmung
zwischen Protonen und Antiprotonen und bestätigen das Standardmodell der
Teilchenphysik. Weltweit sind Wissenschaftler mit unterschiedlichen Methoden auf
der Suche nach einem Unterschied und sei er auch noch so klein. Das
Materie-Antimaterie-Ungleichgewicht im Universum gilt als eines der größten
Rätsel in der Physik.
Die BASE-Kollaboration am europäischen Forschungszentrum CERN besteht aus
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des japanischen Forschungszentums
RIKEN, des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg, der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Universität Tokio, der GSI Darmstadt, der
Universität Hannover und der PTB Braunschweig. Die BASE-Forscher vergleichen die
fundamentalen Eigenschaften von Protonen und Antiprotonen mit höchster
Präzision, in der vorliegenden Studie das magnetische Moment, das man sich etwa
wie einen Miniatur-Stabmagneten vorstellen kann. Gemessen wird der sogenannte
g-Faktor, der die magnetische Feldstärke angibt.
"Die Frage ist praktisch, ob das Antiproton genauso magnetisch ist wie das
Proton", erklärt Stefan Ulmer, Sprecher der BASE-Gruppe. "Das ist das Rätsel,
dem wir auf der Spur sind." Die BASE-Gruppe hatte dazu bereits im Januar dieses
Jahres für das Antiproton eine hochgenaue Messung des g-Faktors veröffentlicht,
die nun noch übertroffen wird (astronews.com berichtete). Mit der jetzigen Hochpräzisionsmessung wurde der
g-Faktor auf neun signifikante Stellen genau bestimmt. Das ist in etwa so, als
ob man den Erdumfang mit einer Genauigkeit von vier Zentimetern bestimmen
wollte. Der Wert von 2,7928473441(42) ist 350-mal genauer als das im Januar
publizierte Ergebnis. "Diese Steigerung in einer so kurzen Zeit war nur dank
einer komplett neuen Methode möglich", so Ulmer. Dazu haben die Wissenschaftler
erstmals zwei Antiprotonen verwendet und sie mit zwei Penningfallen analysiert.
Antiprotonen werden am CERN künstlich erzeugt und von den Forschern für
Versuche in einer Reservoirfalle gespeichert. Die Antiprotonen für das jetzige
Experiment stammten aus dem Jahr 2015 und wurden zwischen August und Dezember
2016 vermessen – auch dies eine kleine Sensation, da eine so lange
Antimaterie-Speicherzeit bislang noch nicht dokumentiert ist. Normalerweise
würden Antiprotonen in kürzester Zeit in Kontakt mit Materie annihilieren,
beispielsweise in der Raumluft. Die Speicherung erfolgte für 405 Tage in einem
Vakuum, das zehnmal weniger Teilchen enthielt als der interstellare Raum.
Insgesamt wurden 16 Antiprotonen verbraucht, die teilweise auf eine Temperatur
nahe dem absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad Celsius gekühlt wurden.
Das neue Prinzip beruht auf dem Zusammenspiel von zwei Penningfallen. Solche
Fallen halten die Antiprotonen durch elektrische und magnetische Felder fest.
Die bisherigen Messungen waren durch eine starke magnetische Inhomogenität in
der Analysefalle limitiert. Um diese Schranke zu durchbrechen, fügten die
Wissenschaftler eine zweite Falle mit einem Magnetfeld hoher Homogenität hinzu.
"Damit haben wir eine Methode angewendet, die an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz entwickelt wurde und die Messungen mit höherer
Präzision ermöglicht", erklärt Ulmer. "Diese Messung mit Antiprotonen zum Laufen
zu bringen ist extrem schwierig und wir haben seit zehn Jahren daran gearbeitet.
Der schlussendliche Durchbruch ist uns durch die bahnbrechende Idee, die Messung
mit zwei Teilchen durchzuführen, gelungen."
Gemessen werden die Larmorfrequenz und die Zyklotronfrequenz, aus denen sich
der g-Faktor ergibt. Der so ermittelte g-Faktor für das Antiproton wird mit dem
g-Faktor des Protons verglichen, den die BASE-Forscher 2014 mit der bislang
höchsten Genauigkeit ermittelt haben – ohne dass ein Unterschied zwischen den
beiden zu finden ist. Diese Übereinstimmung stellt eine Bestätigung der
CPT-Symmetrie dar, wonach im Universum eine fundamentale Symmetrie zwischen
Teilchen und Antiteilchen besteht.
"In all unseren Beobachtungen verhalten sich Materie und Antimaterie komplett
symmetrisch, weshalb es das Universum so gar nicht geben dürfte", so Christian
Smorra, Erstautor der Studie. Teilchen und Antiteilchen hätten sich also
komplett vernichten müssen. "Ganz offensichtlich besteht aber eine Asymmetrie,
wir verstehen nur den Unterschied nicht. Woher kommt diese Symmetriebrechung?"
Die Motivation der BASE-Wissenschaftler ist es nun, durch noch genauere
Messungen der Eigenschaften sowohl des Protons als auch des Antiprotons eine
Antwort auf diese Frage zu finden. Die BASE-Kollaboration will dazu in den
nächsten Jahren weitere innovative Methoden entwickeln und das jetzige Ergebnis
noch toppen.
Über ihre aktuellen Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature erschienen ist.
|