Wachstum durch schnelle Gasströme
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Tübingen astronews.com
10. Oktober 2017
Beobachtungen zeigen, dass es schon kurz nach dem Urknall
supermassereiche Schwarze Löcher gegeben hat. Mit den bisherigen Theorien ist
ihre Entstehung in so kurzer Zeit kaum zu verstehen. Neue Simulationen lieferten
nun eine mögliche Erklärung: Durch schnelle Gasströme könnten schon bald nach
dem Urknall massereiche Sterne entstanden sein, die dann zu Schwarzen Löchern
kollabierten.
Ein massereicher Stern entsteht: Projektion
der Dichteverteilung der Dunklen Materie
(Hintergrund und oberes Bild) sowie der
interstellaren Materie (die drei unteren Bilder).
Bild: Shingo Hirano, Takashi Hosokawa, Naoki
Yoshida, Rolf Kuiper [Großansicht] |
Jüngeren Entdeckungen zufolge sind in einer Entfernung von 13 Milliarden
Lichtjahren supermassereiche Schwarze Löcher zu finden – sie entstanden also
bereits im frühen Universum. Schwarze Löcher bestehen aus einer derart kompakten
Masse, dass die von ihr erzeugte Schwerkraft in der Umgebung alle Materie und
Energie in die Löcher hineinzieht. Als supermassereich werden Objekte mit einer
mindestens 100.000-fachen Masse unserer Sonne bezeichnet.
Bisher stellte die schnelle Entstehung der supermassereichen Schwarzen
Löcher, möglicherweise nur einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall, die
Forschung vor Rätsel. Nun ist es einem internationalen Forscherteam unter
Beteiligung von Dr. Rolf Kuiper vom Institut für Astronomie und Astrophysik der
Universität Tübingen gelungen, das Rätsel mithilfe einer
Supercomputer-Simulation zu lösen: Gasströme mit Überschallgeschwindigkeit, die
sich schon beim Urknall formierten, können die Bildung von schnell wachsenden
massereichen Schwarzen Löchern verursachen.
"Diese Erkenntnis ist ein bedeutender Fortschritt“, sagt der Autor Dr. Shingo
Hirano, der zurzeit an der University of Texas in Austin forscht. Eine
Entfernung von 13 Milliarden Lichtjahren entspricht dem Zustand des sich immer
weiter ausdehnenden Universums zu einer Zeit, als es erst fünf Prozent des
heutigen Alters erreicht hatte. Bestehende Theorien zur Bildung und Entwicklung
der Schwarzen Löcher in dieser gewaltigen Entfernung von der Erde griffen nicht,
weil auch wenig über die beteiligten physikalischen Mechanismen bekannt ist.
In theoretischen Studien hatten Forscher bisher vermutet, dass sich die
Schwarzen Löcher aus Überresten der ersten Sternengeneration nach dem Urknall
gebildet haben könnten oder direkt durch einen Gravitationskollaps einer frühen
massereichen Gaswolke. Doch zeigte sich, dass die Prozesse viel zu lange dauern
würden, um in kurzer Zeit supermassereiche Schwarze Löcher zu formen, oder
zumindest hätte dies sehr spezielle Bedingungen erfordert.
Das Forscherteam entdeckte einen vielversprechenden physikalischen Prozess,
durch den sich ein massereiches Schwarzes Loch schnell genug bilden könnte. Den
Schlüssel bilden Überschallgasströmungen, die mit Dunkler Materie wechselwirken.
Dunkle Materie ist nicht sichtbar, Forscher können ihre Existenz nur indirekt
erschließen. Die Supercomputer-Simulation des Forscherteams ergab, dass sich ein
massiver Klumpen Dunkler Materie 100 Millionen Jahre nach Entstehung des
Universums gebildet hatte. Die Dunkle Materie fing Gasströme mit
Überschallgeschwindigkeit ein, die beim Urknall entstanden waren. Es bildete
sich eine dichte, turbulente Gaswolke. Im Inneren begann sich ein Protostern,
ein Vorstadium eines Sterns, zu entwickeln.
"Im umgebenden Gas war mehr als genug Material, das er aufnehmen konnte. Der
Stern wuchs in kürzester Zeit zu extremer Größe heran, ohne viel Strahlung
abzugeben“, sagt Rolf Kuiper, der an der Universität Tübingen eine Emmy Noether-Forschungsgruppe
zur Bildung der massereichsten Sterne im heutigen Universum leitet. Als der
Stern die 34.000-fache Masse unserer Sonne erreicht hatte, kollabierte er
aufgrund seiner eigenen Schwerkraft und hinterließ ein massereiches Schwarzes
Loch.
Solche massereichen Schwarzen Löcher aus dem frühen Universum wuchsen weiter
oder verschmolzen zu supermassereichen Schwarzen Löchern. "Unseren Berechnungen
zufolge müsste in jeder Richtung ein massereiches Schwarzes Loch in drei
Milliarden Lichtjahren zu finden sein – dieser Wert deckt sich bemerkenswert gut
mit der beobachteten Dichte supermassereicher Schwarzer Löcher", sagt Hirano.
Die Forscher gehen davon aus, dass die Studienergebnisse eine wichtige
Grundlage für weitere Untersuchungen an massereichen Schwarzen Löchern bilden.
Denn davon, so hoffen sie, werden noch viele weitere entdeckt im weit entfernten
Universum, sobald 2019 das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA ins All
geschossen wird und Daten liefert.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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