Über den Anfang des Universums sind sich alle Astronomen inzwischen
einig: Der Kosmos entstand vor rund 15 Milliarden Jahren im so genannten
Urknall. Doch wie sich nun aus dieser Ursuppe das entwickelt hat, was wir
heute rund um uns herum beobachten, ist den Forschern teilweise noch ein
Rätsel. So gab es beispielsweise nach dem Urknall nur die Elemente
Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium - und das ist im wesentlichen
bis heute so geblieben. Schwerere Elemente als Helium, von Astronomen
generell als "Metalle" bezeichnet, entstanden erst durch Fusionsprozesse
in Sternen, die schwersten Elemente gar nur durch gewaltige
Sternenexplosionen, die Supernovae.
Die chemische Entwicklung einer Galaxie, also der Prozess, in dem
verschiedene Elemente entstehen und sich verteilen, kommt am schnellsten
in Gebieten voran, in denen es gewaltige Sternentstehungsvorgänge gibt. In
Regionen in denen Sterne nur sehr selten entstehen, muss man wesentlich
länger warten, bis sich eine bestimmte Menge an Metallen angesammelt hat.
So dauerte es in der recht ruhigen Region unserer Milchstraße, in der
unsere Sonne vor 4,6 Milliarden Jahren geboren wurde, rund zehn Milliarden
Jahre, bis alle die Elemente in der Häufigkeit vorhanden waren, wie wir sie
heute beobachten. In anderen Regionen oder gar in aktiven Galaxien kann
eine vergleichbare Häufigkeit von schweren Elementen - oder sogar eine
deutlich höhere - schon in ein bis zwei Milliarden Jahren erreicht werden.
Doch wie gehen die Sternentstehungsprozesse in solchen sehr
metallreichen Regionen vor sich? Entstehen Sonnen hier genauso wie in
weniger metallreichen Regionen und werden sie daher auch das gleiche
Spektrum von Massen aufweisen? So glauben einige Astronomen
beispielsweise, dass in metallreichen Regionen Sterne mit mehr als der 20
bis 30fachen Masse unserer Sonne nicht entstehen können. Zum Vergleich: In
normaler Umgebung können Sterne anfängliche Massen von 100 bis 200facher
Sonnenmasse erreichen. Ein Verständnis der Vorgänge in solchen
metallreichen Sternentstehungsgebieten ist somit wichtig, um die chemische
Entwicklung in galaktischen Zentren und die Eigenschaften von massereichen
Galaxien zu verstehen.
Mit Hilfe des Very Large Telescopes der ESO auf dem Gipfel des
Paranal in Chile haben europäische Astronomen nun eine ganze Reihe von
metallreichen Sternentstehungsgebieten im Virgo-Galaxienhaufen in rund 50
Millionen Lichtjahren Entfernung untersucht. Zu ihrer Überraschung fanden
die Forscher deutliche Hinweise darauf, dass in diesen Regionen sehr
massereiche Sterne existieren. Dank der Viel-Spektren-Funktion des
FORS1-Instrumentes am VLT-Teleskop Antu konnten die Forscher in nur
einer Nacht die Spektren von 90 metallreichen Sternentstehungsregionen
aufnehmen. 30 davon zeigten deutliche Signaturen für die Existenz von so
genannten Wolf-Rayet-Sternen - einem besonderen Sternentyp, den man auch
aus der Milchstraße kennt.
Wolf-Rayet-Sterne sind Nachkommen der massereichsten bekannten Sterne
und die VLT-Spektren hatten eine solch gute Qualität, dass in einem
Sternentstehungsgebiet sogar zwei Wolf-Rayet-Sterne nachgewiesen werden
konnten. Eine detaillierte Analyse ergab inzwischen, dass diese Sterne
etwa die 60 bis 90fache Masse unserer Sonne haben und definitiv in der
metallreichen Umgebung des Sternentstehungsgebietes geboren wurden. Zudem
konnten die Forscher ermitteln, dass das Verhältnis der massereichen zu
den weniger massereichen Sternen in diesen Regionen identisch ist, mit den
Verhältnissen in normalen uns besser bekannten Regionen.
Für die Forscher zeigen diese VLT-Beobachtungen erstmals eindeutig,
dass auch in metallreichen Umgebungen sehr massereiche Sterne entstehen
können und es diese deswegen in metallreichen Regionen, wie etwa
galaktischen Zentren oder massereichen Galaxien, auch geben muss. Da
massereiche Sterne mit ihren starken Winden und Magnetfeldern
entscheidenden Einfluss auf ihre Umgebung haben und nicht zuletzt - über
den Umweg der Supernova-Explosion - für die Produktion der schwersten
Elemente im Universum verantwortlich sind, dürften diese neuen Ergebnisse
für viele Bereiche der Astronomie eine wichtige Rolle spielen.