Helligkeitsausbrüche bei der Geburt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Tübingen astronews.com
8. November 2016
Wie entstehen massereiche Sterne? Diese Frage beschäftigt
Astronomen schon seit längerem, können doch diese gewaltigen Sonnen den
Energiehaushalt einer Galaxie ganz entscheidend beeinflussen. Simulationen haben
nun neue Erkenntnisse über die Vorgänge bei der Entstehung massereicher Sterne
geliefert. Dabei wurden auch Parallelen zur Geburt anderer Arten
von Sternen deutlich.
Grafische Darstellung des Modells zur Geburt
massereicher Sterne. Farbkodiert ist die
Dichteverteilung um den entstehenden Stern.
Bild: Institut für Astronomie und
Astrophysik / Universität Tübingen [Großansicht] |
Wie Sterne mit einer vielfachen Masse unserer Sonne entstehen, bildet eine der
fundamentalen Fragen der modernen Astrophysik. Denn diese massereichen Sterne
bestimmen den Energiehaushalt ihrer Galaxien wesentlich. Nun haben Professor
Wilhelm Kley, Dr. Rolf Kuiper und Dr. Dominique Meyer vom Institut für
Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen gemeinsam mit Dr. Eduard
Vorobyov vom Institut für Astrophysik der Universität Wien durch theoretische
Berechnungen neue Komponenten entdeckt, welche die Sternentwicklung
mitbestimmen. Zudem stellten sie fest, dass es bei der Entstehung massereicher
Sterne Parallelen zur Geburt der sehr frühen Sterne des Universums sowie von
massearmen Sternen gibt.
Die Geburtsgeschichte von massereichen Sternen sei immer noch ein Mysterium,
weil diese während ihrer Entstehung in eine extrem dichte Gashülle eingebettet
sind, sagt Kuiper, der eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte
Emmy Noether-Nachwuchsgruppe zu diesem Thema leitet: "Die Gashülle macht es
nahezu unmöglich, den Geburtsvorgang selbst mit Großteleskopen einzufangen. Mit
anderen Worten, wir sehen die Krippe, in der sich die massereichen Sterne
bilden, aber nicht die jungen Sterne selbst."
Das Forscherteam hat die Sternengeburt in einem theoretischen Modell numerisch
berechnet. Für diese anspruchsvolle, rechenintensive Studie nutzte es die
Höchstleistungsrechner der bwHPC Landesinitiative Baden-Württembergs. Das Modell
setzte an bei einer Wolke aus interstellarem Gas und Staub, die sich
zusammenzieht und eine sogenannte Akkretionsscheibe um einen jungen massereichen
Stern bildet. Eine solche Scheibe rotiert um ein zentrales Objekt und
transportiert Gas und Staub in Richtung des Zentrums.
Zum ersten Mal stellten die Forscher fest, dass sich bei diesem Prozess Klumpen
von extremer Dichte bilden müssen, die durch eine von der Schwerkraft bewirkte
Instabilität der Scheibe entstehen. Einige dieser Klumpen wandern ihren Daten
zufolge nach innen auf den hungrigen jungen Zentralstern zu und können von
diesem "verschluckt" werden.
"Es ist so, als ob man Holzscheite in ein Feuer wirft. Doch bei der
Sternentstehung verursacht das Verschlingen der Klumpen kein einfaches
Aufflammen, sondern einen Helligkeitsanstieg, welcher der Leuchtkraft von
hunderttausend Sonnen entspricht", erklärt Vorobyov. Ein sehr ähnlicher Prozess
von wiederholten unregelmäßigen Helligkeitsausbrüchen war in der Forschung
bereits aus Studien über die Entstehung der allerersten Sterne im sehr frühen
Universum als auch bei der Bildung von massearmen Sternen wie unserer Sonne
bekannt.
Die neue Studie lege nahe, dass der Sternentstehungsprozess universellen
Prinzipien folgt und praktisch seit Beginn des Universums unverändert ähnlichen
Gesetzmäßigkeiten unterliegt: "Es ist faszinierend, diese Ähnlichkeiten auf
allen Masse-Skalen und zu allen Epochen zu sehen, wie von einer Art universeller
DNA gesteuert", sagt Meyer, der Mitglied der Emmy Noether-Gruppe ist.
Die Klumpen, ergänzt Kley, stellten exzellente Kandidaten für die Erzeugung von
weiteren Sternen mit der ungefähren Masse der Sonne dar, die Begleiter des
massereichen Sterns bilden: "Sie würden die künftige Entwicklung des
Zentralsterns wesentlich mitbestimmen."
Die Ergebnisse werden den beobachtenden Astronomen helfen, neue Strategien zu
entwickeln, um solche Helligkeitsausbrüche oder die Klumpen direkt zu
beobachten, sagen die Wissenschaftler. Dafür kämen Großteleskope in Frage wie
das Atacama Large Millimeter Array (ALMA), das die Europäische
Südsternwarte (ESO) in der chilenischen Atacama-Wüste betreibt, oder das
ebenfalls in Chile geplante künftige European Extremely Large Telescope
(E-ELT).
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team in einem Fachartikel in der
Wissenschaftszeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.
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