Die Kinderstuben der massereichsten Sterne
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
14. Mai 2014
Astronomen haben mit dem APEX-Teleskop in der chilenischen
Atacama-Wüste eine umfassende Durchmusterung im Submillimeterbereich
durchgeführt, die Daten über die staubreichsten Regionen der Milchstraße
liefert. Die hier entstehenden massereichen Sterne scheinen sich innerhalb
kürzester Zeit zu bilden - in nur rund 75.000 Jahren.
Teilbereich von ATLASGAL in Richtung des
Sternbilds Schütze.
Bild: ATLASGAL-Team [Großansicht] |
Sterne mit wesentlich größerer Masse als unsere Sonne beenden ihr kurzes und
heftiges Leben in gewaltigen Supernova-Explosionen, in denen sie die schweren
Elemente in unserem Universum produzieren. Während dieses Lebens senden sie
kräftige Sternwinde und hochenergetische Strahlung aus, durch die einerseits
ihre lokale Umgebung beeinflusst wird, die andererseits aber auch einen starken
Einfluss auf das Erscheinungsbild und die künftige Entwicklung ihrer
Muttergalaxie haben.
Solche Sterne bilden sich in den dichtesten und kältesten Gebieten in der
Milchstraße tief im Inneren von Staubhüllen, die so dicht sind, dass die
Strahlung von den darin enthaltenen jungen Sternen nahezu komplett absorbiert
wird. Eingebunden in dichte Gas- und Staubhüllen entsteht dort eine neue
Generation von massereichen Sternen, die sich im sichtbaren Bereich des Lichts
oder auch im Infraroten nicht beobachten lässt.
Ein internationales Team von Astronomen hat das APEX-Teleskop zusammen
mit der am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) gebauten
Submillimeter-Kamera LABOCA genutzt, um die Geburtsstätten der massereichsten
Sterne aufzuspüren, die zur Zeit in unserer Milchstraße entstehen. Das
APEX-Teleskop befindet sich auf der Chajnantor-Ebene in der chilenischen Atacama-Wüste,
einem der wenigen Orte auf der Erdoberfläche, an denen Beobachtungen bei
Submillimeter-Wellenlängen überhaupt möglich sind.
Die Durchmusterung ATLASGAL, der "APEX Telescope Large Area Survey of the
Galaxy", deckt einen Bereich von mehr als 420 Quadratgrad in der galaktischen
Ebene und damit 97 Prozent der inneren Milchstraße innerhalb des sogenannten
solaren Zirkels ab (astronews.com berichtete). Darin
sind große Bereiche von allen vier Spiralarmen der Milchstraße enthalten und
etwa zwei Drittel des kompletten molekularen Anteils der Milchstraße. Mit
ATLASGAL steht ein umfassender Datensatz der Bereiche von kaltem und dichtem Gas
und Staub in unserer Milchstraße bereit, und damit von den Gebieten, in denen
die massereichsten Sterne in unserer Milchstraße entstehen.
Die ATLASGAL-Kartierung erfasst Strahlung bei Submillimeter-Wellenlängen, die
von der Strahlung des kalten Staubs dominiert wird. Sie ermöglicht einen
detaillierten Blick auf die Geburtsstätten einer neuen Generation von
massereichen Sternen. Da die staubigen Ecken in unserer Milchstraße nur sehr
schwer individuell zu erfassen sind, bieten Kartierungen wie ATLASGAL eine
phantastische Möglichkeit, auf großer Skala nach den Geburtsstätten der
massereichsten Sterne in unserer Milchstraße zu suchen.
"Unser Forscherteam hat aus den ATLASGAL-Daten die umfassendste Stichprobe
der bisher versteckten Geburtsstätten von massereichen Sternen erstellt",
erläutert Timea Csengeri vom MPIfR, die Erstautorin einer jetzt in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienenen Studie. "Wir haben
eine ganze Reihe von neuen potentiellen Standorten gefunden, in denen solche
Sterne sich im Moment noch in unserer Milchstraße bilden."
Mit diesem umfassenden statistischen Datensatz konnten die Forscher zeigen,
dass die Prozesse zum Aufbau der kalten dichten Wolken, in denen die
massereichsten Sterne entstehen, außerordentlich schnell ablaufen müssen, und
zwar in einem Zeitraum von nur 75.000 Jahren. Das ist wesentlich kürzer als die
entsprechenden Zeitskalen bei der Entstehung von masseärmeren Sternen wie etwa
unserer Sonne.
"Wir haben unsere Stichprobe nach Signaturen dafür ausgesucht, wie sich
massereiche Sterne in ihrem Inneren bilden können", sagt James Urquhart vom
MPIfR, der auch an der Untersuchung beteiligt war. "Das kurze und heftige Leben
der massereichsten Sterne in unserer Milchstraße war schon vorher bekannt. Aber
nun konnten wir zeigen, dass es auch von einer entsprechend kurzen
Entstehungsphase innerhalb ihrer Geburtshüllen eingeläutet wird."
Die Lebensdauer von massereichen Sternen ist rund 1.000 Mal kürzer als die
Lebensdauer von masseärmeren, sonnenähnlichen Sternen. Die neuen Ergebnisse
zeigen, dass sich die massereichen Sterne auch auf sehr kurzer Zeitskala in
einem wesentlich dynamischeren Sternentstehungsprozess bilden.
"Nur Teleskope an außergewöhnlichen Standorten wie der extrem hochgelegenen
und trockenen Chajnantor-Ebene auf 5.100 Metern in Chile sind in der Lage,
Beobachtungen bei derart hohen Frequenzen im Submillimeter-Bereich
durchzuführen", fügt Frederic Schuller von der Europäischen Südsternwarte hinzu,
der ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Das ist der umfassendste Ausschnitt
des Himmels überhaupt, der bisher in Submillimeter-Wellenlängen beobachtet
wurde."
"ATLASGAL liefert auch Aufsuchkarten mit Daten für die extremsten
Staubhüllen, in denen die im Inneren ablaufenden Prozesse der Sternentstehung
bei wesentlich höherer Winkelauflösung mit dem neuen ALMA-Teleskopnetzwerk
untersucht werden können, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu APEX auf
der Chajnantor-Ebene befindet", so Friedrich Wyrowski,
APEX-Projektwissenschaftler am MPIfR über mögliche zukünftige Beobachtungen.
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