Die Geburt ist bei allen Sterne gleich
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
15. Juli 2010
Massereiche Sterne entstehen vermutlich wie ihre weniger gewichtigen
stellaren Vettern. Dies ist das Ergebnis von Untersuchungen verschiedener
Teleskope in Chile und des Weltraumteleskops Spitzer. Den Forschern
gelang es nämlich, einen jungen, aber bereits voll ausgebildeten
massereichen Stern zu beobachten, der von einer Staubscheibe umgeben ist.
Sterne kommen in Materiescheiben zur Welt. Die Einzelheiten einer
solchen kosmischen Geburt liegen aber noch im Dunkeln. Jetzt haben
Astronomen unter Leitung von Stefan Kraus mit Mitarbeitern aus zwei
Forschungsgruppen des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
eine solche kompakte Scheibe um einen massereichen jungen Stern erstmals
im Infrarotlicht aufgenommen. Das detailreiche Bild zeigt, dass solche
stellaren Schwergewichte in gleicher Weise entstehen wie ihre
masseärmeren Vettern. Die Wissenschaftler berichten über ihre Entdeckung
in der heute erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift Nature.
Für ihre Beobachtungen wählten die Astronomen ein etwa 10.000 Lichtjahre
entferntes Himmelsobjekt mit der Bezeichnung IRAS 13481-6124. Das Objekt
besitzt ungefähr die 20-fache Masse und den fünffachen Durchmesser der
Sonne. "Unsere Beobachtungen zeigen eine Scheibe, die einen sehr jungen,
trotzdem voll ausgebildeten massereichen Stern umgibt", sagt Stefan
Kraus, der Leiter des Forschungsprojekts. "Der Stern befindet sich noch
im Embryonenstadium, aber das Baby ist drauf und dran, zu schlüpfen."
Die Entdeckung gelang durch die Kombination von Beobachtungen mit drei
Instrumenten in Chile: dem APEX-Teleskop auf dem Chajnantor in mehr als
5000 Meter Höhe sowie zwei Teleskopen der europäischen Südsternwarte,
dem Very Large Telescope Interferometer und dem New
Technology Telescope. Zudem kombinierten die Wissenschaftler ihre
Beobachtungen mit Archivdaten des Weltraumteleskops Spitzer und
fanden dabei eine bipolare Ausströmung.
"Diese Ausströmungen, die wir in jungen Sternen finden, deuten im
Allgemeinen auf die Existenz einer zirkumstellaren Scheibe hin", sagt
Karl Menten, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Der
Jet spuckt offenbar Materie senkrecht zur Scheibe. "Unser Projekt bringt
die Kompetenz zweier Expertengruppen am Institut zusammen -
Infrarot-Interferometrie zur Erforschung der Struktur der Scheibe und
Submillimeterastronomie zur Untersuchung der bipolaren Ausströmung bei
ganz kurzen Radiowellenlängen."
Gas- und Staubscheiben sind ein wesentlicher Bestandteil bei der
Entstehung von massearmen Sternen, wie etwa unserer Sonne. Bis jetzt war
jedoch nicht klar, ob sie auch bei der Geburt schwerer Sterne mit mehr
als 10-facher Sonnenmasse eine Rolle spielen. Deren starke Leuchtkraft
könnte verhindern, dass zusätzlich Materie auf den Stern fällt und auf
diese Weise die Masse im Embryonalstadium weiter anwachsen lässt. Daher
diskutierten die Forscher über ein anderes Szenario und schlugen etwa
vor, dass derart massereiche Sterne durch die Verschmelzung von
masseärmeren Sternen entstehen könnten.
Um solche Scheiben - sie stellen auch ein Reservoir dar, aus dem sich
Planeten bilden können - nachzuweisen und ihre Eigenschaften zu
untersuchen, haben die Forscher unter anderem das Very Large
Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte (ESO)
eingesetzt. Die Verknüpfung des Lichts von drei 1,8-Meter-Teleskopen
ermöglicht es, Details zu sehen, wie sie ein einziges 85-Meter-Teleskop
zeigen würde. Die daraus resultierende Auflösung von 2,4
Millibogensekunden entspricht, vom Boden betrachtet, dem
Winkeldurchmesser eines einzelnen Schraubenkopfs auf der Internationalen
Raumstation ISS.
"Das erste Bild der inneren Scheibe um einen jungen Stern erlaubt es
uns, die physikalische Verbindung zwischen Scheiben und Ausströmungen in
solchen Objekten zu untersuchen", sagt Gerd Weigelt, ebenfalls Direktor
am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Die neuen Beobachtungen
lassen darauf schließen, dass die Scheiben bei der Entstehung von
massearmen und massereichen Sternen gleichermaßen eine wichtige Rolle
spielen."
Die Astronomen schließen aus ihren Beobachtungen, dass das System IRAS
13481-6124 rund 60.000 Jahre alt ist und dass der Stern bereits seine
endgültige Masse erreicht hat. Die Scheibe um den Stern wird sehr bald
beginnen sich aufzulösen und vielleicht ein Planetensystem bilden. Sie
erstreckt sich bis zum 130-fachen Abstand von Erde und Sonne.
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