Riesensterne brauchen Geburtshelfer
von Stefan Deiters astronews.com
28. Februar 2008
Damit extrem massereiche Sterne in einer interstellaren
Wolke aus Staub und Gas entstehen können, brauchen sie offenbar die Hilfe von
kleineren sonnenähnlichen Sternen. Dies ist das Resultat einer jetzt
vorgestellten Studie zweier Astrophysiker. Stimmt die These, würde das auch
bedeuten, dass man in entfernten Galaxien Gefahr läuft, die wahre
Sternentstehungsaktivität zu unterschätzen.
Ausschnitt aus einer Computersimulation, in der
die Entstehung eines massereichen Sterns
modelliert wird.
Bild:
Mark Krumholz / Princeton University |
Massereiche Sterne mit der zehn - 150-Fachen Masse unserer Sonne sind äußerst
selten, doch trotzdem für einen Großteil der schweren Elemente im All
verantwortlich. Sie explodieren nämlich recht bald in einer Supernova und
verteilen die in ihrem Inneren erzeugten Elemente wieder in ihrer Umgebung.
Wegen ihrer großen Leuchtkraft werden massereiche Sterne auch als Indikatoren
für Sternentstehungsaktivität in entfernten Galaxien verwendet.
Die Astrophysiker Christopher F. McKee von der University of California
in Berkeley und Mark R. Krumholz von der University of Princeton
beschäftigen sich seit fast zehn Jahren mit Computermodellen, die die Entstehung
dieser massereichen Sterne simulieren. In ihrer in der heutigen Ausgabe der
Fachzeitschrift Nature veröffentlichten jüngsten Arbeit befassen sich
die Forscher mit den Bedingungen, die in einer kalten Wolke aus molekularem
Wasserstoff herrschen müssen, damit statt massearmer Sterne massereiche Sterne
entstehen.
Ihre These: In einer Wolke müssen zunächst einige massearme Sterne geboren
werden,
um eine weitere Fragmentierung der Wolke zu verhindern und so die Entstehung
eines Riesensterns zu ermöglichen. Fragmentiert die Wolke weiter, würden nur
zusätzliche massearme Sterne entstehen. "Nur durch die Entstehung der massearmen
Sterne wird die Wolke genug aufgeheizt, um die Fragmentierung der Wolke zu
stoppen", erklärt McKee. "Es sieht so aus, als würde die Molekülwolke damit
anfangen massearme Sterne zu bilden, aber dabei - durch die Heizung des Gases -
wird die Fragmentation gestoppt und das übrige Material wird für einen
Riesenstern verwendet."
"In einer kalten Wolke", ergänzt Krumholz, "gibt es eine Tendenz dazu, dass
sie in viele kleine Teile zerfällt aus denen sich dann massearme Sterne bilden.
Wenn die Wolke aber wärmer wird, können immer größere Objekte entstehen." Dabei
sind auch die Wolken, in denen Riesensterne entstehen alles andere als warm: In
einer normalen interstellaren Wasserstoffwolke herrschen Temperaturen von zehn
bis 20 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt. Massearme Sterne könnten dann
durch ihre Strahlung diese Temperatur verdoppeln oder verdreifachen. Um die
Wolke vollständig am Kollaps zu hindern - und damit keine Sterne entstehen zu
lassen - müssten in ihre Temperaturen von mehreren Hundert Grad über dem absoluten
Nullpunkt herrschen.
Jeder kleine Stern, so Krumholz, hätte einen gewissen Einflussbereich, in dem
er das Gas aufwärmt und somit die Fragmentation stoppt. In Wolken mit geringer
Dichte ist dieser Einflussbereich sehr klein und enthält sehr wenig Masse,
weswegen der Effekt dort unbedeutend ist. Ist die Dichte aber größer, würden
mehr massearme Sterne auf kleinerem Raum entstehen. Dabei könnte es dann
passieren, dass der kombinierte Einflussbereich der massearmen Sterne die
gesamte Wolke umfasst. So würde eine weitere Fragmentation verhindert und ein
Kollaps zu einem Riesenstern erzwungen werden. Dies könnte, so McKee, auch
innerhalb einer noch größeren Molekülwolke passieren, so dass in einem großen
Sternentstehungsgebiet durchaus mehrere Riesensterne entstehen können.
Da das Modell für die Entstehung massereicher Sterne eine gewisse
Mindestdichte des Wasserstoffs in der Wolke verlangt, könnte es in galaktischen
Randbereichen, wo diese Dichte oft nicht erreicht werden kann, zu
Sternentstehung von ausschließlich massearmen Sternen kommen. Da wir aber in
entfernten Galaxien nur die Entstehung massereiche Sterne sehen können, könnte
es sein, dass man die wahre Sternentstehung in diesen Galaxien unterschätzt. "Es
ist möglich, dass es sehr viel Sternentstehung in den Außenbereichen entfernter Galaxien
gibt, die aber nicht hell genug ist, um sie auch zu sehen", so McKee. "Es
könnte nahezu unsichtbare Sternentstehung geben."
Bei Beobachtungen im Ultravioletten hatte man unlängst Hinweise auf
Sternentstehung in den Randbereichen entfernter Galaxien gefunden. Dies könnte
ein erster Hinweis auf die Richtigkeit der These von McKee und Krumholz sein.
Mit aufwendigen Computersimulationen soll die These zudem weiter untermauert
werden.
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