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Wie sich ähnliche Gravitationswellen-Signale unterscheiden lassen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
23. Dezember 2022
Wie lässt sich eine Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher
von der eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch unterscheiden, wenn man
eine Gravitationswelle ohne ein zugehöriges elektromagnetisches Signal entdeckt?
Mit dieser Frage hat sich eine internationales Team nun befasst. Chancen dürfte
es wohl erst mit den Detektoren der nächsten Generation geben.
Simulation eines Neutronensterns, der mit
einem Schwarzen Loch verschmilzt. Während der
Verschmelzung wird der Neutronenstern von
Gezeitenkräften zerrissen.
Bild: T. Dietrich (Universität Potsdam
und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik),
N. Fischer, S. Ossokine, H. Pfeiffer
(Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik),
S.V.Chaurasia (Universität Stockholm), T. Vu [Großansicht] |
Gravitationswellensignale ähneln Fingerabdrücken. Astrophysikerinnen und
Astrophysiker können mit ihnen den Verursacher eines Signals ermitteln. Außerdem
können die Forschenden as der Welle auf viele Eigenschaften der Quelle
schließen, die das Signal ausgesendet hat. Alle bisher von LIGO und Virgo
beobachteten Signale stammen von Kollisionen kompakter Objekte, wie Schwarzen
Löchern und Neutronensternen. Ihre Massen und Eigendrehungen (Spins) sowie das
Wesen der verschmelzenden Objekte lassen sich aus der Gravitationswelle
ableiten.
Einige Arten von Signalen können sich sehr ähnlich sein. "Wenn man nur die
Massen der beteiligten Objekte betrachtet, kann eine Verschmelzung zweier
Schwarzer Löcher, bei der ein Schwarzes Loch sehr klein ist, schwer, wenn nicht
gar unmöglich, von einer Verschmelzung eines Neutronensterns mit einem Schwarzen
Loch zu unterscheiden sein. Wir kennen weder genau die Maximalmasse eines
Neutronensterns noch die Minimalmasse eines Schwarzen Lochs", sagt Stephanie
Brown, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und an der
Leibniz Universität Hannover und Erstautorin der jetzt vorgestellten Studie.
Wenn die Masse allein nicht ausreicht, um die beiden Verschmelzungsarten
eindeutig zu unterscheiden, was dann?
Neutronensterne bestehen – im Gegensatz zu Schwarzen Löchern – aus Materie.
Damit ergeben sich zwei Möglichkeiten, einen Neutronenstern in der Verschmelzung
nachzuweisen: die Beobachtung eines zugehörigen elektromagnetischen Signals oder
die Auswirkung von Materieeffekten auf die Gravitationswelle selbst. Gibt es ein
zugehöriges elektromagnetisches Signal wie einen Gammastrahlenblitz, so muss es
Materie in dem System geben, und eines der beiden verschmelzenden kompakten
Objekte muss ein Neutronenstern sein. Meistens ist es jedoch unwahrscheinlich,
dass bei solchen Ereignissen elektromagnetische Strahlung nachweisbar ist:
eventuell weil die Entfernung groß und das Licht deswegen zu schwach ist oder
weil es gar nicht in Richtung Erde abgestrahlt wird.
"Neutronensterne hinterlassen – unabhängig von einem flüchtigen Feuerwerk –
noch weitere Spuren in den Gravitationswellen. Die enorme Anziehungskraft ihres
Partnerobjekts, des Schwarzen Lochs, verformt sie lange vor der Verschmelzung",
sagt Collin Capano, wissenschaftlicher Mitarbeiter am AEI Hannover. "Diese
sogenannten Gezeiteneffekte – ähnlich den Gezeiten, die der Mond auf der Erde
verursacht – hinterlassen im Gravitationswellensignal charakteristische, aber
schwache Fingerabdrücke. Schwarze Löcher hingegen haben gar keine
Gezeiteneffekte", ergänzt Capano. Bislang ließen sich die Gezeiteneffekte von
verformten Neutronensternen in keinem der von LIGO und Virgo beobachteten
Signale eindeutig nachweisen.
Das internationale Team unter der Leitung von Brown ermittelte, wie schwierig
diese Aufgabe ist. Sie simulierten Gravitationswellensignale der Verschmelzungen
von Neutronensternen mit Schwarzen Löchern in verschiedenen Entfernungen zur
Erde für aktuelle und zukünftige Detektoren. Aufbauend auf ihren früheren
Arbeiten berechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie stark ein
Schwarzes Loch einen Neutronenstern durch Gezeitenkräfte verformt. Dazu
verwendeten sie kernphysikalische Modelle, die das Verhalten der Materie im
Inneren des Sterns beschreiben.
Sie betrachteten die derzeitigen LIGO- und Virgo-Detektoren bei ihren
Design-Empfindlichkeiten, ihre in den nächsten Jahren geplanten Ausbaustufen
(LIGO A+ und LIGO Voyager) und auch Cosmic Explorer, einen
Detektor der dritten Generation. Sie identifizierten diejenigen Fälle, in denen
die Datenanalyse ihrer simulierten Suche entscheidende Hinweise auf das
Vorhandensein von Gezeiteneffekten lieferte. Ihre Ergebnisse: Nur wenn das
Schwarze Loch relativ leicht war (viermal so schwer wie der Neutronenstern, das
entspricht der fünffachen Masse unserer Sonne), besteht die Chance,
Gezeiteneffekte im Gravitationswellensignal deutlich zu beobachten. Das liegt
daran, dass die Gezeiteneffekte stärker sind, wenn die Masse des Schwarzen Lochs
der des Neutronensterns ähnelt.
Selbst bei Design-Empfindlichkeit sind das aktuelle Detektornetzwerk, LIGO
A+, und sogar LIGO Voyager nicht in der Lage, basierend auf dem
Nachweis oder Nichtnachweis von Gezeiteneffekten zwischen den beiden Arten von
Verschmelzungssignalen zu unterscheiden. Nach der Untersuchung wäre nur
Cosmic Explorer in der Lage, die beiden Signalarten zu unterscheiden. Aber
selbst mit diesem viel empfindlicheren Instrument wird wahrscheinlich ein
Ereignis erforderlich sein, das sehr nah an der Erde stattfindet (130 Millionen
Lichtjahre, so weit entfernt wie GW170817, die erste von LIGO und Virgo
beobachtete Verschmelzung von zwei Neutronensternen). "Nach unseren Ergebnissen
können Detektoren der dritten Generation wie Cosmic Explorer
Gezeiteneffekte aufspüren und dies nutzen, um zwischen Verschmelzungen zweier
Schwarzer Löcher und denen eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch zu
unterscheiden", sagt Brown. "Das unterstreicht die Notwendigkeit von Detektoren
der dritten Generation für präzise Astronomie und Astrophysik mit
Gravitationswellen."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der im
The Astrophysical Journal erschienen ist.
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