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GRAVITATIONSWELLEN
Größe von Neutronensternen vermessen
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik 
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23. März 2020

Neutronensterne haben einen Durchmesser von 22 Kilometern. Dies ergab jetzt die Auswertung des Gravitationswellensignals einer Verschmelzung zweier Neutronensterne und anschließende Beobachtungen. Die neuen Ergebnisse scheinen zudem dafür zu sprechen, dass Neutronensterne in der Regel am Stück von Schwarzen Löchern verschluckt werden.

Neutronenstern

Neutronensterne sind die dichtesten Objekte, die die Astronomie direkt beobachten kann. Sie haben eine Masse von rund einer halben Million Erden bei einem Durchmesser von nur rund 22 Kilometern nach den neuen Ergebnissen. Diese Illustration zeigt die Größe eines Neutronensterns im Vergleich zur Region Hannover, Heimatstadt des Albert-Einstein-Instituts Hannover. Bild: NASA Goddard Space Flight Center  [Großansicht]

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Mitgliedern des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) hat die Größe von Neutronensternen auf neue Weise ermittelt. Dazu kombinierten sie eine allgemeine Beschreibung des unbekannten Verhaltens von Neutronensternmaterie mit Multimessenger-Beobachtungen der Neutronensternverschmelzung GW170817. Ihre Ergebnisse sind um den Faktor zwei präziser als bisherige Messungen und zeigen, dass ein typischer Neutronenstern einen Radius von rund elf Kilometern hat.

Sie fanden auch heraus, dass Neutronensterne, die mit Schwarzen Löchern verschmelzen, in den meisten Fällen wahrscheinlich am Stück verschluckt werden, es sei denn, das Schwarze Loch ist klein und/oder rotiert schnell. Das bedeutet, dass solche Ereignisse sich zwar mittels Gravitationswellen beobachten lassen, sie aber unsichtbar im elektromagnetischen Spektrum wären. "Verschmelzungen von Neutronensternen sind eine wahre Informationsgoldmine", sagt Collin Capano, Forscher am AEI Hannover. "Neutronensterne enthalten die dichteste Materie im beobachtbaren Universum. Sie sind so dicht und kompakt, dass man sich den gesamten Stern als einen Atomkern von der Größe einer Stadt vorstellen kann. Indem wir die Eigenschaften dieser Objekte messen, können wir die fundamentale Physik verstehen, die das Verhalten von Materie auf subatomarer Ebene bestimmt."

"Nach unseren Ergebnissen hat ein typischer Neutronenstern mit der 1,4-fachen Masse unserer Sonne einen Radius von ca. elf Kilometern", sagt Badri Krishnan, Leiter der Forschungsgruppe am AEI Hannover. "Unsere Ergebnisse begrenzen den Radius auf einen Bereich zwischen höchstwahrscheinlich 10,4 und 11,9 Kilometern. Das ist um den Faktor zwei präziser als bisherige Messungen."

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Neutronensterne sind kompakte, extrem dichte Überreste von Supernova-Explosionen. Sie sind etwa so groß wie eine Stadt und wiegen bis zu zweimal so viel wie unsere Sonne. Wie sich die neutronenreiche, extrem dichte Materie verhält, ist unbekannt. Die Physik hat verschiedene Modelle vorgeschlagen, aber es ist unbekannt, welche (und ob überhaupt eines) dieser Modelle die Materie der Neutronensterne korrekt beschreiben.

Verschmelzungen von Neutronensternen – so wie das Ereignis GW170817, das Astronominnen und Astronomen im August 2017 mit Gravitationswellen und im gesamten elektromagnetischen Spektrum beobachteten – sind die spannendsten astrophysikalischen Ereignisse, wenn es darum geht, mehr über Materie unter Extrembedingungen und die zugrunde liegende Kernphysik zu erfahren. Daraus können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiederum Eigenschaften wie Radius und Masse von Neutronensternen bestimmen.

Das Forschungsteam verwendete ein Modell, das auf einer grundlegenden Beschreibung davon wie subatomare Teilchen bei den hohen Dichten im Inneren von Neutronensternen miteinander wechselwirken basiert. Bemerkenswert ist, dass sich so theoretische Berechnungen auf Längenskalen von weniger als dem Billionstel eines Millimeters mit Beobachtungen eines astrophysikalischen Objekts in mehr als hundert Millionen Lichtjahre Entfernung vergleichen können. "Es ist unvorstellbar", sagt Capano. "GW170817 entstand bei der Kollision zweier stadtgroßer Objekte vor 120 Millionen Jahren, als Dinosaurier auf der Erde herumspazierten. Dies geschah in einer Galaxie, die eine Milliarde Billionen Kilometer entfernt ist. Und daraus haben wir kernphysikalische Erkenntnisse gewonnen."

Anhand der grundlegenden Beschreibung lässt sich eine ganze Familie von möglichen Modellen für Neutronensterne voraussagen, die direkt aus der Kernphysik abgeleitet sind. Aus dieser Familie wurden diejenigen ausgewählt, die am ehesten verschiedene astrophysikalische Beobachtungen erklären können; das Team wählte Modelle aus, die mit den Gravitationswellen-Beobachtungen von GW170817 aus öffentlichen LIGO- und Virgo-Daten übereinstimmen, die bei der Verschmelzung einen kurzlebigen hyper-massereichen Neutronenstern erzeugen, und die mit bekannten Obergrenzen der Neutronenstern-Masse übereinstimmen, die aus elektromagnetischen Beobachtungen der Quelle von GW170817 ermittelt wurden. Damit konnten die Forschenden nicht nur verlässliche Informationen über die Physik dichter Materie ableiten, sondern vor allem auch die bisher präziseste Messung der Größe von Neutronensternen erhalten.

"Diese Ergebnisse sind nicht nur deswegen spannend, weil wir die Messungen von Neutronensternradien erheblich verbessern konnten, sondern auch, weil sie uns Einblicke in das endgültige Schicksal der Neutronensterne bei der Verschmelzung von Doppelsystemen ermöglichen", sagt Stephanie Brown, Doktorandin am AEI Hannover. Nach den neuen Ergebnissen werden die LIGO- und Virgo-Detektoren bei ihren Design-Empfindlichkeiten bei einem Ereignis wie GW170817 in der Lage sein, allein anhand von Gravitationswellen leicht zu unterscheiden, ob zwei Neutronensterne oder zwei Schwarze Löcher verschmolzen sind. Für GW170817 waren die Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum entscheidend, um dies festzustellen.

Das Team fand außerdem heraus, dass Verschmelzungen gemischter Doppelsysteme (ein Neutronenstern und ein Schwarzes Loch) von Verschmelzungen zweier Schwarzer Löcher allein anhand von Gravitationswellen nur schwer zu unterscheiden sein werden. Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum oder von Gravitationswellen, die nach der Verschmelzung abgestrahlt werden, werden dabei entscheidend sein.

Nach den neuen Ergebnissen sind zudem Multi-Messenger-Beobachtungen von Verschmelzungen gemischter Doppelsystem unwahrscheinlich. "Wir haben gezeigt, dass der Neutronenstern in fast allen Fällen nicht vom Schwarzen Loch zerrissen und eher im Ganzen verschluckt wird", erklärt Capano. "Nur wenn das Schwarze Loch sehr klein ist oder sich schnell dreht, kann es den Neutronenstern vor dem Verschlucken zerreißen; nur dann können wir erwarten, mehr als Gravitationswellen zu sehen."

Im nächsten Jahrzehnt werden die bestehenden Gravitationswellen-Detektoren noch empfindlicher werden und zusätzliche Detektoren werden mit Beobachtungen beginnen. Das Forschungsteam erwartet weitere sehr deutliche Nachweise von Gravitationswellen und mögliche Multimessenger-Beobachtungen von verschmelzenden Neutronensternen. Jede dieser Verschmelzungen würde wunderbare Gelegenheiten bieten, mehr über Neutronensterne und Kernphysik zu lernen.

Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht

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siehe auch
Gravitationswellen: Die Größe von Neutronensternen - 2. Juli 2018
Gravitationswellen: Die maximale Masse eines Neutronensterns - 16. Januar 2018
Simulationen: Wie groß sind Neutronensterne? - 5. Dezember 2017
Neutronensterne: Detaillierte Simulationen auf Supercomputer - 26. Oktober 2017
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
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