Detaillierte Simulationen auf Supercomputer
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main astronews.com
26. Oktober 2017
Was passiert genau, wenn Neutronensterne kollidieren? Diese
Frage ist nach dem ersten Nachweis von Gravitationswellen von einem solchen
Ereignis ausgesprochen aktuell. Detaillierte Simulationen können den
Forschern auch viel über das Innere von Neutronensternen verraten. Ein
Frankfurter Physiker hat nun 80 Millionen CPU-Stunden Rechenzeit für diese
Simulationen bekommen.

Simulation von zwei miteinander
verschmelzenden Neutronensternen.
Bild: Luciano Rezzolla [Großansicht] |
Für die Simulation von Neutronenstern-Doppelsystemen erhält der Frankfurter
Physiker Prof. Luciano Rezzolla, Senior Fellow des Frankfurt Institut for
Advanced Studies und Professor für Theoretische Astrophysik an der
Goethe-Universität, im kommenden Jahr 80 Millionen CPU-Stunden am Supercomputer
superMUC des Leibniz-Rechenzentrums in Garching bei München. Die
Rechenzeit im Wert von mehr als einer Millionen Euro wurde ihm in einem
Wettbewerb von der Gauß Allianz zugesprochen. Kurz nach der erstmaligen
umfassenden Beobachtung einer Verschmelzung zweier Neutronensterne im letzten
Monat, ermöglicht die Bewilligung der Rechenzeit, dass Rezzolla nun genauere
Modelle solcher Systeme erstellen kann.
Schon ein Neutronenstern alleine fasziniert die Wissenschaft. Immerhin
handelt es sich um unvorstellbare, dichte Bälle aus Kernmaterie, die bei einer
Supernova-Explosion entstehen. Mit physikalischen Experimenten auf der Erde kann
diese extreme Dichte, Temperatur und Gravitationskraft nicht reproduziert
werden. Als Alternative bleiben Beobachtungen durch Astronomen und
Computersimulationen.
Ein kollidierendes Doppelsternsystem aus zwei Neutronensternen gehört daher
zur Königsklasse der Ereignisse im Universum. Um solch ein System mit dem
Computer zu beschreiben, müssen aufwendige numerische Simulationen durchgeführt
werden. Diese müssen die Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie mit
denen der relativistischen Hydrodynamik und der Magnetohydrodynamik vereinigen
und zusätzlich muss die komplexe Mikrophysik beim Verschmelzen zweier
Neutronensterne beachtet werden.
Am 17. August ist es der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft erstmals
gelungen eine solche Kollision mit allen Mitteln der modernen Astronomie zu
untersuchen. Dabei wurden sehr viele neue Informationen über Neutronensterne
gesammelt und einige bisherige Theorien für den inneren Aufbau der
Neutronensterne konnten widerlegt werden. Wie es nun wirklich in ihrem Inneren
aussieht, ist aber nach wie vor unklar.
Ein wichtiges "Puzzlestück" zur Erklärung der Geheimnisse von
Neutronensternen wurde allerdings gefunden: Jetzt sind Theoretiker wie Rezzolla
an der Reihe, aus den neuen Daten genauere Modelle und Vorhersagen zu erstellen.
"Mit der Rechenzeit der Gauss Allianz können wir die Gravitationswellen- und
elektromagnetischen Signale von Doppelsternsystemen aus Neutronensternen genauer
simulieren und deren Kernstruktur genauer vorhersagen", so Rezzolla.
Die Gauß Allianz unterstützt die wissenschaftliche Gemeinschaft in
Deutschland durch die Bereitstellung von Supercomputing-Ressourcen der obersten
Leistungsklassen und fördert das Wissenschaftsthema "High Performance Computing"
als eigenständige strategische Forschungsaktivität. Sie sorgt zudem für eine
verbesserte internationale Sichtbarkeit der deutschen Forschungsanstrengungen
auf diesem Gebiet.
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