Wie groß sind Neutronensterne?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien astronews.com
5. Dezember 2017
Neutronensterne zählen zu den dichtesten Objekten im
Universum. Ihre genauen Eigenschaften kennen Wissenschaftler allerdings bislang
nicht. Durch die Kombination der aktuellen Gravitationswellenbeobachtungen mit
speziellen Simulationen ist es Wissenschaftlern nun gelungen, die Größe dieser
Sterne genauer einzugrenzen.
Simulation einer
Neutronenstern-Verschmelzung. Oben: Der nach der
Verschmelzung entstandene Stern kollabiert direkt
zum Schwarzen Loch. Unten: Ein zumindest
vorübergehend stabiler Stern entsteht.
Bild: Andreas Bauswein, HITS [Gesamtansicht] |
Wenn ein massenreicher Stern stirbt, zieht sich dessen Kern zusammen. In
einer gewaltigen Supernova-Explosion werden dabei die äußeren Sternhüllen
abgestoßen, zurück bleibt ein ultra-kompakter Neutronenstern oder aber ein
Schwarzes Loch. Die LIGO- und Virgo-Observatorien konnten kürzlich zum ersten
Mal eine Verschmelzung zweier Neutronensterne beobachten und die Masse der
verschmelzenden Sterne messen. Zusammen hatten die Neutronensterne eine Masse
von 2,74 Sonnen.
Anhand dieser Beobachtungsdaten konnte ein internationales Team von
Wissenschaftlern aus Deutschland, Griechenland und Japan unter der Federführung
von Astrophysiker Dr. Andreas Bauswein vom Heidelberger Institut für
Theoretische Studien nun mithilfe von Computer-Simulationen die Größe von
Neutronensternen eingrenzen. Die Berechnungen legen nahe, dass der
Neutronensternradius mindestens 10,7 Kilometer sein müsse.
Bei Neutronenstern-Kollisionen umkreisen sich erst zwei Neutronensterne, um
schließlich zu verschmelzen und schlagartig einen neuen Stern mit ungefähr der
doppelten Masse zu bilden. Bei diesem kosmischen Ereignis werden
Gravitationswellen - Schwingungen der Raumzeit - ausgesandt, deren Stärke mit
den Massen der Sterne zusammenhängt. Dies ähnelt einem ins Wasser geworfenen
Stein, der Oberflächenwellen erzeugt. Je schwerer der Stein, umso höhere Wellen
entstehen.
Die Wissenschaftler simulierten für die kürzlich gemessenen Massen
verschiedene Verschmelzungsszenarien, um die Größe der Neutronensterne zu
berechnen. Dazu verwendeten sie verschiedene Modelle von Neutronensternmaterie,
sogenannte Zustandsgleichungen, die den genauen Aufbau von Neutronensternen zu
erklären versuchen. Im Anschluss überprüfte das Wissenschaftlerteam, ob die
berechneten Szenarien mit den Beobachtungen übereinstimmen.
Die Schlussfolgerung: Alle Modelle, die zu einem Kollaps der verschmolzenen
Neutronensterne führen, können ausgeschlossen werden. Denn ein Kollaps führt zur
Bildung eines Schwarzen Lochs, was wiederum bedeutet, dass bei der Verschmelzung
relativ wenig Licht ausgesendet wird. Verschiedene Teleskope haben jedoch am Ort
der Sternenkollision ein helles Lichtsignal beobachtet, was eindeutig gegen
einen Kollaps spricht. Die Ergebnisse schließen damit eine Reihe zuvor
aufgestellter Modelle von Neutronensternmaterie aus, und zwar alle Modelle, die
einen Neutronensternradius kleiner als 10,7 Kilometer vorhersagen.
Der innere Aufbau von Neutronensternen ist nach wie vor nicht genau bekannt.
Die Radien sowie die Zusammensetzung im Inneren von Neutronensternen sind nicht
nur für Astrophysiker, sondern auch für Kern- und Teilchenphysiker von
besonderem Interesse. Denn der innere Aufbau der Sterne spiegelt die
Eigenschaften hochdichter Kernmaterie wider, wie sie sich in jedem Atomkern der
uns bekannten Materie befindet.
Neutronensterne haben zwar eine etwas größere Masse als unsere Sonne, ihr
Radius beträgt aber lediglich wenige Kilometer. Damit vereinigen die Sterne eine
große Masse auf kleinstem Raum, was zu extremen Bedingungen im Innersten der
Sterne führt. Diesen Bedingungen im Inneren spüren Forscher schon seit längerem
nach und wollen insbesondere den Radius der Sterne besser eingrenzen, da dieser
von den unbekannten Eigenschaften hochdichter Materie abhängt. Diese aktuelle
Messung sowie die neuen Berechnungen helfen Theoretikern, die Eigenschaften von
hochdichter Materie in unserem Universum besser zu verstehen.
Die jetzt veröffentlichte Studie, so die beteiligten Forscher, würde einen
erheblichen wissenschaftlichen Fortschritt darstellen, da sich damit ein Teil
der theoretischen Modelle ausschließen ließ. Es gibt jedoch noch eine Mehrzahl
von anderen Modellen mit Neutronensternradien von mehr als 10,7 Kilometern. Die
Wissenschaftler konnten mit ihrer Arbeit jedoch auch zeigen, dass jede weitere
Beobachtung einer Neutronensternverschmelzung die Messung weiter verbessert.
Die LIGO- und Virgo-Observatorien haben gerade erst mit ihren Messungen
begonnen, zudem wird die Empfindlichkeit der Messinstrumente in den nächsten
Jahren weiter steigen und noch bessere Beobachtungsdaten liefern. "Wir gehen
davon aus, dass schon bald weitere Neutronenstern-Kollisionen beobachtet werden
und die Beobachtungsdaten dieser Ereignisse mehr über den inneren Aufbau der uns
bekannten Materie verraten", resümiert Bauswein.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in den Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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