Gravitationswellen zum Dritten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
1. Juni 2017
Der Gravitationswellen-Detektor LIGO war zum dritten Mal
erfolgreich: Am 4. Januar 2017 registrierte er ein Gravitationswellen-Signal,
das durch die Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern in rund drei Milliarden
Lichtjahren Entfernung entstanden ist. Aufgefallen war das Signal einem
Wissenschaftler in Hannover.

Bild aus einer numerischen Simulation des
Gravitationswellen-Ereignisses GW170104, das
durch die Verschmelzung zweier Schwarzer
Löcher erzeugt wurde. Die Stärke der
Gravitationswelle wird sowohl durch die Höhe als
auch die Farbe angezeigt, wobei blau schwache
Felder und das gelb starke Felder anzeigt. Die
Schwarzen Löcher wurden um den Faktor 2
vergrößert, um die Sichtbarkeit zu verbessern.
Bild: S. Ossokine, A. Buonanno
(Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik),
Simulating eXtreme Spacetimes Project;
Wissenschaftliche Visualisierung: T. Dietrich
(Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik), R.
Haas (NCSA) [Großansicht] |
Das Laser Interferometer Gravitational-wave Observatory (LIGO) hat
zum dritten Mal Gravitationswellen – Kräuselungen von Raum und Zeit –
nachgewiesen und zeigt damit, dass nun ein neues astronomisches
Beobachtungsfenster weit geöffnet ist. Wie bei den ersten beiden Nachweisen
entstanden die beobachteten Wellen bei der Verschmelzung von zwei Schwarzen
Löchern zu einem größeren Schwarzen Loch. Das Signal wurde zuerst am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in
Hannover gesehen. Der Nachweis ermöglicht es, die Anzahl verschmelzender
Schwarzer Löcher im Universum besser schätzen zu können. Darüber hinaus stimmt
er vollkommen mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie überein.
Diese neueste Entdeckung verstärkt das wissenschaftliche Fundament für eine
neue Klasse von Paaren Schwarzer Löcher, deren Massen größer sind als
diejenigen, die vor LIGO bekannt waren. Das neuentdeckte Schwarze Loch, das bei
der Verschmelzung des Paars entstand hat eine Masse, die der 49-fachen unserer
Sonne entspricht. Damit füllt es die Lücke zwischen den beiden zuvor von LIGO
beobachteten verschmolzenen Schwarzen Löchern mit 62 beziehungsweise 21
Sonnenmassen.
Am 4. Januar 2017 um 11:11:58,6 MEZ beobachteten beide LIGO-Instrumente eine
Gravitationswelle, die den Namen GW170104 erhielt. Die Welle erreichte den
Hanford-Detektor drei Millisekunden früher als den Livingston-Detektor – ein
Effekt, der durch die Himmelsposition der Quelle zustande kommt. Detaillierte
Untersuchungen zeigten, dass die Gravitationswelle bei der Kollision und
Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern mit 31 beziehungsweise 19 Sonnenmassen
entstand.
"Mit einem weiteren solchen Ereignis erkennen wir, dass massereiche
Doppelsysteme Schwarzer Löcher häufiger sind, als wir noch vor etwas mehr als
einem Jahr annahmen. Wir werden noch viel Neues erfahren – dies ist eine
aufregende Zeit für das neue Zeitalter der Gravitationswellen-Astrophysik!", so
Bruce Allen, Alessandra Buonanno und Karsten Danzmann vom Max-Planck-Institut
für Gravitationsphysik.
Das Gravitationswellensignal von GW170104 ließ sich für rund 920
Millisekunden im Beobachtungsband von LIGO zwischen 20 Hertz und 265 Hertz
verfolgen und durchlief dabei 29 Gravitationswellenzyklen. Die Schwarzen Löcher
verschmolzen bei einer Gravitationswellenfrequenz von rund 172 Hertz. Das Signal
war schwächer als das erste von LIGO im September 2015 beobachtete, weil die
Massen der Schwarzen Löcher geringer waren und weil sich die Verschmelzung in
einer Entfernung von rund drei Milliarden Lichtjahren ereignete – doppelt so weit
entfernt wie die erste.
Der erste Nachweis von GW170104 wurde durch eine sorgfältige Analyse von Dr.
Alexander Nitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am AEI Hannover, ermöglicht.
Während das LIGO-Datenanalyse-System normalerweise automatische
Benachrichtigungen für Signalkandidaten erzeugt, passierte dies nicht am 4.
Januar 2017 – der Grund war eine fehlerhafte Einstellung am Hanford-Instrument.
Nitz inspizierte an diesem Tag Kandidaten, die ein Analysesystem nahezu in
Echtzeit identifizierte, das er am AEI entwickelt hatte. Er stieß dabei auf ein
vielversprechendes Signal in den Daten des Livingston-Detektors. Weitere
Untersuchungen zeigten ein entsprechendes Signal in den Daten des Hanford-Instruments.
"Ich bin stolz, dass wie beim ersten direkten Nachweis auch dieses neue Signal
am AEI in Hannover gefunden wurde", sagt Allen, der geschäftsführender Direktor
des AEI und Honorarprofessor an der Leibniz Universität Hannover ist. "Weil für
GW170104 keine automatische Benachrichtigung erzeugt wurde, ist das für das neue
Ereignis noch bedeutsamer als es im September 2015 war."
Mitglieder der Abteilung "Beobachtungsbasierte Relativität und Kosmologie" am
AEI Hannover entwickelten und implementierten viele der Algorithmen für die
Software, die für die Analyse der LIGO-Daten genutzt werden. Diese
Untersuchungen wurden beispielsweise genutzt, um die statistische Signifikanz
von GW170104 und dessen Parameter zu bestimmen. Außerdem trug der Großrechner
Atlas, den die Abteilung betreibt, rund 50 Prozent der Rechenleistung für die
Datenanalyse bei.
Forschende der Abteilung "Astrophysikalische und Kosmologische
Relativitätstheorie" am AEI in Potsdam spielten eine führende Rolle im Design
der sogenannten Matched-Filter-Analyse und dabei, GW170104 zu verstehen.
Basierend auf der erfolgreichen Synergie von analytischen und
numerisch-relativistischen Methoden zur Lösung der Einsteingleichungen
entwickelten sie im Jahr 2016 eine noch präzisere Familie von Wellenformfiltern
für Verschmelzungen binärer Schwarzer Löcher. Diese kam in LIGOs zweitem
Beobachtungslauf O2 zum Einsatz und fand GW170104 in den Detektordaten.
Außerdem wurde der Hochleistungscomputercluster Vulcan am AEI in Potsdam
eingesetzt, um die statistische Signifikanz von GW170104 zu ermitteln und damit
dessen astrophysikalischen Ursprung sicher zu bestätigen. Forschende in Potsdam
erstellten Methoden zur Folgeanalyse und wendeten ihre Wellenformmodelle an, um
die astrophysikalischen Eigenschaften von GW170104 zu bestimmen. Zum ersten Mal
fanden sie Hinweise darauf, dass bei mindestens einem der Schwarzen Löcher die
Rotationsachse nicht senkrecht zur Bahnebene steht, was für bestimmte Modelle
der Entstehung des Binärsystems spricht.
Die Forschenden waren außerdem daran beteiligt, Tests der Allgemeinen
Relativitätstheorie durchzuführen, die bestätigen, dass die
Ausbreitungseigenschaften von GW170104 konsistent mit Einsteins Vorhersagen
sind. "Die Beobachtung und Interpretation von einem weiteren LIGO-Signal,
GW170104, unterstreichen den Erfolg unseres theoretischen Programms,
Doppelsysteme Schwarzer Löcher allgemein relativistisch zu modellieren, indem
wir das Beste von zwei Welten vereinen: schnelle, aber näherungsweise
analytische Techniken mit exakten aber zeitaufwändigen numerischen
Simulationen", sagt Buonanno, Direktorin am AEI in Potsdam und College
Park-Professorin an der University of Maryland.
Das Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie begann am 14. September 2015
mit dem ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen durch die beiden
LIGO-Instrumente. Im ersten Beobachtungslauf O1 identifizierten Forschende zwei
Signale, genannt GW150914 und GW151226, beide von Paaren verschmelzender
Schwarzer Löcher. Seit dem 30. November 2016 messen beide LIGO-Detektoren
zusammen mit dem GEO600-Detektor nahe Hannover bei höherer Empfindlichkeit im
zweiten Beobachtungslauf O2.
Die verbesserte Empfindlichkeit wurde durch eine erhöhte Laserleistung am
Hanford-Detektor und eine Verminderung von Streulicht im Livingston-Detektor
erreicht. GW170104 ist das erste veröffentlichte Gravitationswellensignal von
sechs Kandidatensignalen, die von Echtzeitanalysen in O2 aufgespürt wurden. Alle
diese Kandidaten könnten echte Gravitationswellen sein und ihre Entdeckung wurde
Astronomen anderer Fachgebiete mitgeteilt, die nach elektromagnetischen
Signaturen der sechs Kandidaten suchen.
Der Beobachtungslauf O2 wird bis August 2017 andauern. Ihm werden weitere
Verbesserungen der LIGO-Instrumente folgen. Der dritte Beobachtungslauf O3 mit
nie zuvor erreichter Empfindlichkeit soll in der zweiten Hälfte des Jahrs 2018
beginnen.
Über die Entdeckung berichten das LIGO-Team in einem Fachartikel, der in den
Physical Review Letters erscheint.
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