Erste direkte Beobachtung von Gravitationswellen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
11. Februar 2016
Gerüchte gab es schon seit einigen Wochen, heute wurde
daraus Gewissheit: Mithilfe des Gravitationswellendetektors LIGO in den USA ist
es erstmals gelungen, die schon von Albert Einstein vorhergesagten
Gravitationswellen zu beobachten. Das entdeckte Signal entstand durch die
Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher in rund 1,3 Milliarden Lichtjahren
Entfernung.

Die von den beiden LIGO-Detektoren entdeckten
Signale der Verschmelzung zweier Schwarzer
Löcher. Die zusätzlich eingetragene Linie zeigt
das vorhergesagte Signal.
Bild: NSF / Ligo Collaboration [Großansicht] |
Zum ersten Mal haben Wissenschaftler Kräuselungen der Raumzeit, sogenannte
Gravitationswellen, beobachtet, die - ausgelöst von einem Großereignis im fernen
Universum - die Erde erreichten. Diese Beobachtung bestätigt eine wichtige
Vorhersage der von Albert Einstein im Jahr 1915 formulierten Allgemeinen
Relativitätstheorie. Sie öffnet gleichzeitig ein vollkommen neues Fenster zum
Kosmos.
Das beobachtete Signal entstand während des letzten Sekundenbruchteils der
Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern mit der jeweils ungefähr 30-fachen
Masse der Sonne zu einem einzelnen massereicheren, rotierenden Schwarzen Loch.
Solche Kollisionen von zwei Schwarzen Löchern waren zuvor vorhergesagt, aber
noch nie beobachtet worden. Die Verschmelzung ereignete sich in einer Entfernung
von 1,3 Milliarden Lichtjahren.
Die Gravitationswellen dieses Ereignisses wurden am 14. September 2015 um 5.51
Uhr US-Ostküstenzeit (10:51 Uhr MEZ) von zwei identischen Detektoren des
Laser Interferometer Gravitational-wave Observatory (LIGO) in Livingston
und Hanford in den USA registriert. Wissenschaftler der LIGO Scientific
Collaboration und der Virgo Collaboration haben das Signal
schließlich in den Daten entdeckt.
An der Entdeckung maßgeblich beteiligt waren auch Wissenschaftler des
Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in
Hannover und Potsdam und vom Institut für Gravitationsphysik der Leibniz
Universität Hannover (LUH): mit der Entwicklung und dem Betrieb extrem
empfindlicher Detektoren an den Grenzen der Physik, mit effizienten Methoden der
Datenanalyse, die auf leistungsfähigen Computerclustern laufen und mit
hochgenauen Wellenformmodellen, um das Signal aufzuspüren und astrophysikalische
Information daraus zu gewinnen.
Eine wichtige Rolle spielte dabei die GEO-Kollaboration, die aus
Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz Universität sowie
von britischen Institutionen besteht. Sie entwickelten und betreiben den
Gravitationswellen-Detektor GEO600 nahe Hannover. Er dient als Ideenschmiede und
Prüfstand für fortschrittliche Detektortechnologien.
Die meisten der Schlüsseltechnologien, die zur nie zuvor erreichten
Empfindlichkeit von Advanced LIGO (aLIGO) beigetragen haben und die
Entdeckung ermöglichten, wurden innerhalb der GEO-Kollaboration entwickelt und
getestet.
"Wissenschaftler suchen seit Jahrzehnten nach Gravitationswellen, aber erst
jetzt verfügen wir über die unglaublich präzisen Technologien, um diese extrem
schwachen Echos aus dem fernen Universum wahrzunehmen", freut sich Prof. Karsten
Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover und
Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover.
"Diese Entdeckung wäre unmöglich gewesen ohne die Anstrengungen innerhalb der
Max-Planck-Gesellschaft, der Leibniz Universität, der GEO-Kollaboration und die
dort entwickelten Technologien."
So entwickelten und implementierten die Max-Planck-Wissenschaftler
fortschrittliche und effiziente Datenanalyse-Methoden, um nach schwachen
Gravitationswellen-Signalen in den Daten der aLIGO-Detektoren zu suchen. Sie
führten außerdem den Großteil der Produktions-Datenanalyse aus. Zusätzlich
stellte der vom AEI betriebene Cluster Atlas, der weltweit leistungsfähigste
Großrechner für die Suche nach Gravitationswellen, den Hauptteil der
Rechenleistung für die Entdeckung und die Analyse von aLIGO-Daten zur Verfügung.
Atlas trug mehr als 24 Million CPU-Kern-Stunden zu dieser Analyse bei.
"Ich bin stolz darauf, dass zwei Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik das Signal als Erste gesehen haben und dass unser Institut
eine führende Rolle bei dieser spannenden Entdeckung spielt", sagt Prof. Bruce
Allen, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover.
"Einstein selbst glaubte, Gravitationswellen wären zu schwach, um sie
nachzuweisen, und er glaubte nicht an die Existenz Schwarzer Löcher. Aber ich
denke, dass er nichts dagegen hätte, sich geirrt zu haben!"
Entscheidend für die Möglichkeit, ein solches Signal überhaupt aufzuspüren, waren
auch die von Max-Planck-Forschern entwickelten hochgenauen Modelle der
Gravitationswellen, die Schwarze Löcher beim Umrunden und Kollidieren aussenden.
Diese Wellenformmodelle wurden in der fortlaufenden Suche nach verschmelzenden
Binärsystemen in den LIGO-Daten implementiert und angewandt.
Das jetzt aufgespürte Signal der Verschmelzung Schwarzer Löcher, das als
GW150914 bezeichnet wird, wurde dann mit einer statistischen Signifikanz von mehr als
fünf Standardabweichungen beobachtet - damit gilt es praktisch als ausgeschlossen,
dass es sich um einen Zufall oder ein Störsignal handelt.
"Seit Jahren arbeiten wir daran, die Gravitationswellen zu modellieren, die von
einem der extremsten Ereignisse im Universum ausgestrahlt werden: Paare
Schwarzer Löcher, die einander umrunden und dann miteinander verschmelzen. Und
genau dieses Signal haben wir nun gefunden!" sagt Prof. Alessandra Buonanno,
Direktorin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. "Es ist
überwältigend zu sehen wie genau Einsteins Relativitätstheorie die Realität
beschreibt. GW150914 stellt eine bemerkenswerte Gelegenheit dar, Gravitation
unter Extrembedingungen zu untersuchen."
Die LIGO Scientific Collaboration (LSC) besteht aus mehr als 1000
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Universitäten in den USA und in 14
weiteren Ländern. Mehr als 90 Universitäten und Forschungseinrichtungen in der
LSC entwickeln Detektor-Technologien und analysieren die Daten; rund 250
Studierende tragen als wichtige Mitglieder zur Kollaboration bei. Das
Detektornetzwerk der LSC umfasst die LIGO-Interferometer und den
GEO600-Detektor. Die Virgo Collaboration besteht aus mehr als 250
Physikern und Ingenieuren aus 19 verschiedenen europäischen Forschungsgruppen.
Über die Entdeckung berichten die Wissenschaftler auch in einem Fachartikel, der
von den Physical Review Letters zur Veröffentlichung akzeptiert wurde. Damit ist
gewährleistet, dass die Ergebnisse bereits ein externes Gutachterverfahren
durchlaufen haben.
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