Nobelpreis für Gravitationswellen-Beobachtung
von Stefan Deiters astronews.com
4. Oktober 2017
Es war ein Nobelpreis, mit dem praktisch jeder gerechnet
hatte: Die Schwedische Akademie der Wissenschaften zeichnete gestern die direkte
Beobachtung von Gravitationswellen mit dem diesjährigen Nobelpreis für Physik
aus. Der Preis ging an drei Wissenschaftler, die viele Jahre lang daran
gearbeitet hatte, einen solchen Nachweis auch möglich zu machen.
Die
Gravitationswellen, deren direkte Beobachtung
jetzt mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet
wurde, entstanden durch die Verschmelzung zweier
Schwarzer Löcher.
Bild: SXS, the Simulating eXtreme Spacetimes
(SXS) project (http://www.black-holes.org) [Großansicht] |
Im Grunde genommen war es keine Überraschung: Die Schwedische Akademie der
Wissenschaften hat gestern den direkten Nachweis von Gravitationswellen mithilfe
der beiden LIGO-Detektoren in den USA am 14. September 2015 mit dem diesjährigen
Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Eine Überraschung wäre es gewesen, wenn der
Preis nicht an Wissenschaftler aus dem Bereich der Gravitationswellenphysik
gegangen wäre: So hatte beispielsweise das Max-Planck-Institut für
Gravitationswellenphysik gestern extra zu einer Art "Public viewing" der
Verkündung in Stockholm eingeladen.
Der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen war der gemeinsame Erfolg
eines internationalen Teams aus mehreren tausend Wissenschaftlern. Nach den
Statuten des Nobelpreises darf der Physik-Nobelpreis aber nur an maximal drei
Personen und nicht etwa an Kollaborationen verliehen. Die Jury entschied sich in
Sache Gravitationswellen für drei Wissenschaftler, die an der Entdeckung in
Theorie und Praxis beteiligt waren: Eine Hälfte des Preises ging an Rainer Weiss
vom Massachusetts Institute of Technology, die andere Hälfte an Barry C. Barish
und Kip. S. Thorne vom California Institute of Technology. Alle gehören zur
LIGO/VIRGO Collaboration.
Gravitationswellen sind "Kräuselungen" in der Raumzeit, die vor hundert
Jahren von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie
vorhergesagt wurden. Einstein selbst glaubte nicht daran, dass
Gravitationswellen einmal irgendwann tatsächlich nachzuweisen sein könnten - zu
gering sind die Veränderungen, die diese in der sogenannten Raumzeit bewirken.
Rainer Weiss und Kip S. Thorne allerdings sahen das anders: Schon Mitte der
1970er Jahre hatte Weiss mögliche Störquellen im Hintergrund analysiert, die
eine Entdeckung von Gravitationswellen verhindern könnten. Thorne betrachtete
die Angelegenheit von der theoretischen Seite. Beiden Forscher waren nicht nur
überzeugt davon, dass sich diese Wellen messen lassen würden, sondern auch, dass
sie uns wichtige Informationen über das Universum liefern können.
So entstand schließlich der Gravitationswellen-Detektor LIGO in den USA, der
aus zwei gewaltigen Laser-Interferometern bestand. Barry C. Barish war der Mann,
der dabei die Fäden in der Hand hielt und schließlich dafür sorgte, dass die
Anlage so empfindlich wurde, dass damit auch Gravitationswellen gemessen werden
konnten.
Das Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie begann schließlich am 14.
September 2015 mit dem ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen durch die
beiden LIGO-Instrumente. Im ersten Beobachtungslauf O1 identifizierten die
beteiligten Teams zwei Signale, genannt GW150914 und GW151226, beide von Paaren
verschmelzender Schwarzer Löcher.
An der internationalen Kollaboration sind auch Wissenschaftler aus
Deutschland beteiligt, insbesondere Forscher des Max-Planck-Instituts für
Gravitationsphysik in Hannover. Sie lieferten unter anderem wichtige Modelle zum
Aussehen der zu detektierenden Signale und entscheidende Teile
der Technologien, die bei LIGO zum Einsatz kommen.
"Wir gratulieren unseren Kollegen von Herzen und freuen uns sehr über diese
Auszeichnung für drei Pioniere der Gravitationswellenforschung. Sie haben ihr
Ziel nie aus den Augen verloren und Generationen junger Wissenschaftler
inspiriert," so Prof. Bruce Allen, Prof. Alessandra Buonanno und Prof. Karsten
Danzmann vom Direktorenteam des Max-Planck-Instituts sowie Gründungsdirektor
Bernard F. Schutz. "Wir sind stolz, Teil der internationalen Kollaboration zu
sein, die vor rund zwei Jahren die erste Gravitationswelle entdeckt hat, als
diese die Erde durchlief. Das war ein Wendepunkt für die astronomische und
astrophysikalische Forschung. Wir haben damit ein neues Werkzeug zur Beobachtung
des Universums".
|