Rechenkapazität für Suche nach Neutronensternen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
22. April 2022
Die Analyse der Daten von Gravitationswellendetektoren wie
LIGO erfordert eine enorme Rechenleistung. Und genau diese konnte sich eine
Forschungsgruppe in Hannover nun sichern: Vom europäischen Projekt PRACE erhielt
sie zehn Millionen Rechenkernstunden, die sie nun für die Suche nach
kontinuierlichen Gravitationswellen von bislang unbekannten Neutronensternen
nutzen will.
Neutronensterne haben typischerweise 40
Prozent mehr Masse als unsere Sonne, haben dabei
aber einen Durchmesser von nur 20 Kilometern.
Schwarze Löcher sind die einzigen bekannten
Objekte, die noch kompakter sind. Dieses Bild
zeigt einen Neutronenstern neben Hannover, der
Heimat des MPI für Gravitationsphysik.
Bild: NASA Goddard Space Flight Centre [Großansicht] |
Mitglieder der permanenten unabhängigen Forschungsgruppe "Kontinuierliche
Gravitationswellen" am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und der
Leibniz Universität Hannover werden von der Partnership for Advanced
Computing in Europe (PRACE) Rechenzeit erhalten. Ihr Antrag für eine
innovative Suche nach kontinuierlichen Gravitationswellen von unbekannten
Neutronensternen wurde mit mehr als zehn Millionen Rechenkernstunden auf
Grafikkarten aus dem Hochleistungsrechnerdienst von PRACE unterstützt. Die
neuartige Suche soll das Wissen über die Neutronensterne in der Milchstraße
erweitern und ist ein Schritt zur ersten Beobachtung der schwer nachweisbaren
kontinuierlichen Gravitationswellen. Erste Ergebnisse der Suche werden für das
Jahr 2023 erwartet.
"Die Beobachtung kontinuierlicher Gravitationswellen würde es uns
ermöglichen, Neutronensterne zu entdecken, die wir auf andere Weise nicht
aufspüren können", sagt M. Alessandra Papa, die die Forschungsgruppe leitet.
"Mit der Rechenzeit, die wir mit unserem Antrag eingeworben haben, machen wir
einen weiteren Schritt zur ersten Beobachtung kontinuierlicher
Gravitationswellen." Die Forschenden werden die PRACE-Rechenressourcen nutzen,
um öffentliche Daten der LIGO-Detektoren zu analysieren. "Unser Ziel ist die
Suche nach kontinuierlichen Gravitationswellen von unbekannten rotierenden
Neutronensternen. Wir werden über den gesamten Himmel und über eine große
Bandbreite von Quelleneigenschaften suchen", erklärt Pep Blai Covas Vidal, der
Wissenschaftler, der federführend für den PRACE-Antrag verantwortlich ist.
"Diese Suchen sind sehr rechenintensiv – mehr als zehn Millionen
Rechenkernstunden auf Grafikprozessoren hat PRACE für unsere Analysen
bewilligt."
Die Forschungsgruppe von Papa ist eine der weltweit führenden Gruppen
auf dem Gebiet der bislang noch unbeobachteten kontinuierlichen
Gravitationswellen. Das internationale Forschungsteam entwickelt, verbessert und
führt die tiefsten und empfindlichsten Suche nach diesen lang anhaltenden
Signalen durch, die von schnell rotierenden Neutronensternen erwartet werden.
Neutronensterne sind extreme Objekte: Diese kompakten Sternreste entstehen in
Supernova-Explosionen und haben in der Regel etwa die 1,5-fache Masse unserer
Sonne, aber nur einen Durchmesser von etwa 20 Kilometern – dies entspricht der
Größe einer Stadt.
Da die Himmelsposition, die Rotation und andere Eigenschaften der einzelnen
Neutronensterne unbekannt sind, gilt es eine Vielzahl möglicher Kombinationen
dieser Eigenschaften zu überprüfen. Die Empfindlichkeit der Suchen ist durch die
verfügbare Rechenleistung begrenzt.
Unsere Milchstraße könnte rund hundert Millionen Neutronensterne enthalten.
Bisher wurden jedoch nur etwa 3300 entdeckt. Gravitationswellen könnten die
einzige Möglichkeit sein, den allergrößten Teil dieser unsichtbaren Population
extremer Objekte zu entdecken. "Wenn wir sehr viel Glück haben, könnte diese
neue Suche, die durch die Hochleistungsrechenressourcen von PRACE ermöglicht
wird, zum ersten direkten Nachweis von kontinuierlichen Gravitationswellen
führen", erklärt Papa. "Dies wäre nicht nur eine bedeutende Entdeckung, sondern
auch unser erster Schritt in ein neues Forschungsgebiet, in dem wir die innere
Struktur und die Zusammensetzung von Neutronensternen mithilfe eines neuen
astronomischen Boten untersuchen könnten", fügt sie hinzu.
Die Partnership for Advanced Computing in Europe (PRACE) ist eine
gemeinnützige internationale Vereinigung mit Sitz in Brüssel. Die
PRACE-Forschungsinfrastruktur bietet Forscherinnen und Forschern aus dem
akademischen Bereich und der Industrie in Europa einen dauerhaften
Hochleistungsrechnerdienst auf Weltniveau. Die über PRACE zugänglichen
Computersysteme und ihr Betrieb werden von fünf PRACE-Mitgliedern bereitgestellt
(BSC als Vertreter Spaniens, CINECA als Vertreter Italiens, ETH Zürich/CSCS als
Vertreter der Schweiz, GCS als Vertreter Deutschlands und GENCI als Vertreter
Frankreichs). Gefördert wird PRACE von der Europäischen Union.
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