Erste Daten online veröffentlicht
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Kiel astronews.com
1. Oktober 2020
Nur sieben Monate nach dem Start und drei Monate nach
Abschluss der Kalibrierungsphase haben die Teams der europäischen Mission
Solar Orbiter die ersten Daten der Instrumente an Bord der Sonnensonde
online gestellt. Nun können Wissenschaftsgruppen aus aller Welt die Daten
analysieren. Durch Covid-19 gab es einige zusätzliche Herausforderungen.
Die Sonde Solar Orbiter der europäischen
Raumfahrtagentur ESA (künstlerische Darstellung).
Bild: ESA/ATG medialab [Großansicht] |
Viel zu tun hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel seit dem Start der ESA-Weltraummission
Solar Orbiter im Februar. Trotz der Corona-bedingten Widrigkeiten
konnten sie ihre Instrumente an Bord der Raumsonde in Betrieb nehmen und erste
Daten analysieren. Das Besondere: Die Messungen stehen der gesamten
wissenschaftlichen Community online zur Verfügung.
"Wir sind jetzt soweit, dass wir unsere ersten Daten am Datenzentrum der
Europäischen Weltraumorganisation ESA online gestellt haben.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt können diese neuen
und einzigartigen Daten nun analysieren und neue Erkenntnisse gewinnen. So kann
die solare Korona Elektronen und Ionen mit großer Energie beschleunigen, zum
Teil fast auf Lichtgeschwindigkeit", erklärt Professor Robert Wimmer-Schweingruber,
der den Kieler Beitrag geleitet hat.
Dass die Daten bereits sieben Monate nach dem Start der Raumsonde und drei
Monate nach der Kalibrierungsphase veröffentlicht werden, sei außergewöhnlich.
Denn nicht nur der Zeitraum der Testphase, während der die Instrumente unter
Weltraumbedingungen im Realbetrieb erprobt werden, war sehr kurz. Die
Instrumententeams haben jetzt nur noch 90 Tage Zeit, um die Rohdaten zu
kalibrieren und in eine Form zu bringen, die Externe verarbeiten können.
"Diese Frist wäre selbst in normalen Zeiten eine Herausforderung gewesen, mit
der Corona-Pandemie waren die Teams ganz besonders gefordert", erklärt der
Kieler Wissenschaftler. So fliegt Solar Orbiter beispielsweise auf
einer hoch-elliptischen Bahn um die Sonne und wird mehrere Swing-by-Manöver
nutzen, um bis auf 0,28 Astronomische Einheiten an die Sonne heranzukommen. Im
entferntesten Punkt von der Sonne wird sie fast eine Astronomische Einheit von
ihr entfernt sein. Eine Astronomische Einheit ist die mittlere Entfernung der
Erde von der Sonne.
Die so variablen Bedingungen stellen ganz besondere Anforderungen an die
Instrumente und deren Einstellungen, die sorgfältig optimiert werden mussten.
"Dies während Covid-19-Zeiten zu erreichen war eine riesige Herausforderung",
sagt Dr. Yannis Zouganelis, stellvertretender Projektwissenschaftler der ESA.
"Aber wir sind jetzt soweit, dass wir die Daten wie geplant an die
wissenschaftliche Community übergeben können, damit diese daran
wissenschaftliche Untersuchungen vornehmen kann."
Das enge Zusammenspiel zwischen Wissenschaftlern, Ingenieurinnen, Operateuren
der Raumsonde und der Verfügbarkeit der großen Radioantennen musste trotz der
neuen Arbeitsbedingungen einwandfrei und auf Anhieb funktionieren, "denn die
Raumsonde war ja unterwegs und konnte nicht mehr aufgehalten werden", fasst
Wimmer-Schweingruber die besonderen Schwierigkeiten zusammen. "Unser Ziel war es
immer, unsere Daten möglichst schnell zu veröffentlichen, damit die
Forschungsgruppen auf der ganzen Welt an möglichst aktuellen Daten arbeiten
kann."
Bei den meisten Weltraummissionen werden die Daten gewöhnlich erst ein halbes
oder gar ein ganzes Jahr nach Erhalt auf der Erde veröffentlicht, um den Teams,
die die Instrumente gebaut haben, eine exklusive Frist für die Analyse
einzuräumen. Bei Solar Orbiter waren sich die Forschenden einig, dass
dies sehr viel schneller gehen muss. "Wir wollen, dass Solar Orbiter
eine der offensten Weltraummissionen wird. Das heißt offen für die ganze Welt,
nicht nur für die Instrumententeams", sagt Zouganelis.
In ersten virtuellen Workshops, in denen die neuen Daten vorgestellt wurden,
nahmen etwa zehnmal mehr Interessentinnen und Interessenten teil, als in den
Instrumententeams arbeiten. "Je mehr Leute unsere Daten verwenden, desto mehr
erhöht sich die wissenschaftliche Ausbeute von Solar Orbiter," freut
sich Wimmer-Schweingruber.
Gestern wurden auch alle Beschreibungen der zehn Instrumente auf Solar
Orbiter und der Raumsonde und des Missionskonzeptes im Fachjournal
Astronomy & Astrophysics veröffentlicht. "Diese Informationen sind
unverzichtbar, um eine verlässliche Analyse der Daten zu gewährleisten. Auch in
zehn Jahren, wenn die Ingenieurinnen und Ingenieure, die die Instrumente gebaut
haben schon längst wieder an anderen Projekten arbeiten" so Wimmer-Schweingruber.
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