Europäische Sonnensonde im Perihel
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
16. Juni 2020
Die europäische Sonnensonde Solar Orbiter hat gestern den sonnennächsten
Punkt ihrer aktuellen Umlaufbahn um die Sonne erreicht und war dabei lediglich
noch 77 Millionen Kilometer von unserem Zentralstern entfernt. Da sich die
Mission noch in einer sehr frühen Phase befindet, sollen in diesen Tagen
hauptsächlich die Instrumente kalibriert werden. Erste Bilder werde Mitte Juli
erwartet.
Der Solar Orbiter näherte sich gestern der
Sonne bis auf rund 77 Millionen Kilometer.
Bild: ESA/Medialab [Großansicht] |
Die ESA-Raumsonde Solar Orbiter hat gestern den sonnennächsten Punkt
ihrer aktuellen Umlaufbahn um die Sonne erreicht. Nur etwa 77 Millionen
Kilometer trennten die Sonde von unserem Zentralgestirn. Das ist etwas mehr als
die Hälfte des Abstandes zwischen Sonne und Erde. Alle wissenschaftlichen
Instrumente an Bord, die auf die Sonne blicken, wurden gestern oder in den
nächsten Tagen eingeschaltet. Noch nie zuvor wurden Aufnahmen der Sonne aus
solcher Nähe gemacht.
Da sich die Mission viereinhalb Monate nach ihrem Start noch in einer frühen
Phase befindet, dienen die Messdaten allerdings in erster Linie der Kalibration
der Instrumente. In den nächsten Jahren wird Solar Orbiter auf
zunehmend engeren Ellipsen um die Sonne kreisen und sich ihr so nach und nach
auf 42 Millionen Kilometer annähern.
"Auch wenn die Aufnahmen der Fernerkundungsinstrumente noch nicht Teil der
wissenschaftlichen Messkampagne von Solar Orbiter sind, ist der heutige
Tag ein Meilenstein", erklärt Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Leiter des Teams um das
Doppelteleskop PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager) an Bord von Solar
Orbiter gestern. "Noch nie hat ein Teleskop die Sonne aus so geringer
Entfernung abgebildet", fügt er hinzu. Andere Raumsonden haben sich zwar schon
näher an unser Zentralgestirn herangewagt. Die Sonde Parker Solar Probe
der NASA etwa erkundet die Sonne seit zwei Jahren aus großer Nähe. Diese
Vorgänger von Solar Orbiter waren und sind jedoch nicht mit
Instrumenten ausgerüstet, die die Sonne abbilden.
Wichtig für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist vor allem die
räumliche Auflösung der Messdaten. Ziel ist es, möglichst kleine Strukturen auf
der Sonne sichtbar zu machen. Im Laufe der Mission werden die Instrumente von
Solar Orbiter einen schärferen Blick auf die Sonne bieten als andere
Sonnenobservatorien im All. Nur einige bodengebundene Sonnenteleskope wie etwa
das Anfang des Jahres in Betrieb genommene Daniel K. Inouye Solar Telescope auf
Hawaii können mit ihren deutlich größeren Spiegeln kleinere Details abbilden.
Anders als Solar Orbiter müssen die bodengebundenen Teleskope jedoch
ohne die ultraviolette Strahlung von der Sonne auskommen. Diese wird zum
Großteil in der Erdatmosphäre absorbiert. Gerade die ultraviolette Strahlung ist
für drei der Solar Orbiter-Instrumente, zu denen das MPS beigetragen
hat, entscheidend. Die Instrumente EUI (Extreme-Ultraviolett Imager), SPICE (Spectral
Imaging of the Coronal Environment) und der Koronograph Metis blicken auf die
heißen äußeren Sonnenschichten, die vor allem Licht dieser Wellenlängen
abstrahlen.
Fast ebenso spannend wie der Blick auf die Sonne selbst ist für diese
Instrumente der Stern Regulus im Sternbild Löwe, den die Sonne (aus Sicht von Solar
Orbiter) während der Perihel-Passage verdeckt. Vorher und nachher wird er
im Blickfeld der Solar Orbiter-Instrumente dicht neben der Sonne zu
sehen sein. "Regulus wurde bereits von anderen Teleskopen wie etwa dem
Weltraumteleskop Hubble eingehend untersucht. Es ist ein sehr heißer
Stern, der deshalb vor allem ultraviolette Strahlung emittiert", erklärt Dr.
Luca Teriaca vom MPS, der zu den Teams von EUI, SPICE und Metis gehört. Der
Stern ist für die Forscherinnen und Forscher deshalb ein optimaler Eichstern;
mit seinem Licht können sie ihre Instrumente kalibrieren.
Trotz der eher technischen Zielsetzung der nächsten Tage werden die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber natürlich auch mit einem
"wissenschaftlichen Auge" auf die aktuellen Aufnahmen schauen. Allzu große
Hoffnungen, etwas völlig Neuartiges zu entdecken, machen sie sich indes nicht.
Die Sonne zeigt sich derzeit allerdings von ihrer eher eintönigen Seite: Seit
Tagen schon ist kaum ein Sonnenfleck, kaum eine Eruption zu sehen. "Für die
Kalibration kann dies allerdings sogar von Vorteil sein", so MPS-Wissenschaftler
Dr. Johann Hirzberger, "Operations Scientist" des Instruments PHI.
Die Aufnahmen vom Perihel-Vorbeiflug werden im Laufe der kommenden Woche auf
der Erde eintreffen und dann zunächst sorgfältig prozessiert. Mitte Juli werden
die fertigen Bilder veröffentlicht.
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