Erster Nachweis von Antimateriewellen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
7. Mai 2019
Im Urknall müssen gleiche Mengen an Materie und Antimaterie
entstanden sein, nur fehlt von dieser Antimaterie heute jede Spur. Dieses
Ungleichgewicht ist eines der großen Rätsel der Physik, das man auch durch eine
gezielte Untersuchung der Antimaterie lösen will. Jetzt gelang erstmals mit
einem Interferenz-Experiment der Beweis, dass sich Antimaterie-Teilchen nicht
nur wie Teilchen, sondern auch wie Wellen verhalten können.
Das Talbot-Lau-Interferometer der
QUPLAS-Kollaboration im Positronenlabor des
Politecnico di Milano in Como.
Bild: LHEP / AEC, Universität Bern [Großansicht] |
Gemäß den Gesetzen der Quantenphysik weisen Materie-Teilchen nicht nur die
Eigenschaften von Teilchen, sondern auch diejenigen von Wellen auf. Dieser
Welle-Teilchen-Dualismus wurde bereits 1924 vom französischen Physiker Louis de
Broglie postuliert. Die Existenz des Wellenverhaltens von Materie
(Materiewellen) wurde seither erfolgreich in verschiedenen Experimenten mit
Elektronen und Neutronen sowie auch mit komplexerer Materie bis hin zu großen
Molekülen nachgewiesen.
Auch bei Antimaterie-Teilchen kann der Welle-Teilchen-Dualismus nachgewiesen
werden – dies gelang bereits mit sogenannten Beugungsexperimenten. Nun schafften
es Forschende der internationalen QUPLAS-Kollaboration jedoch erstmals,
Antimateriewellen auch anhand von einzelnen Positronen (Antiteilchen des
Elektrons) mit einem sogenannten Interferenz-Experiment nachzuweisen. Zur
QUPLAS-Kollaboration gehören Forschende der Universität Bern und des Politecnico
di Milano.
Um den Welle-Teilchen-Dualismus von einzelnen Positronen nachzuweisen,
führten sie ein Experiment durch, das dem sogenannten Doppelspalt-Experiment
ähnlich ist. Dieses hatten bereits berühmte Physiker wie Albert Einstein und
Richard Feynman als Gedankenexperiment ins Spiel gebracht; es wird in der
Quantenphysik oft verwendet, um das Wellenverhalten von Teilchen zu
demonstrieren.
Bei diesem Experiment werden Teilchen (in diesem Fall Positronen) von einer
Quelle aus auf einen Detektor-Schirm geschossen. Dazwischen befindet sich eine
Platte mit zwei oder mehreren Spalten, durch die die Teilchen hindurchfliegen
können. Wenn sich die Teilchen wie Teilchen verhalten, zeigt sich auf dem Schirm
ein Muster aus Streifen, das der Anzahl Spalten entspricht. Wenn sich die
Teilchen jedoch wie Wellen verhalten, zeigt sich auf dem Schirm ein sogenanntes
Interferenzmuster, bestehend aus mehreren Streifen (mehr Streifen als Spalten).
Dies kommt daher, weil sich die von der Quelle ausgehenden Wellen gegenseitig
überlagern.
Den QUPLAS-Forschenden gelang es nun erstmals in einem solchen Experiment,
ein Interferenzmuster von Antimateriewellen nachzuweisen. Sie nutzen dazu einen
innovatives sogenanntes Talbot-Lau-Interferometer mit einer Kernemulsionsplatte
als ortsempfindlichen Detektor für die auftreffenden Teilchen. "Mit der
Kernemulsion konnten wir den Auftreffpunkt der einzelnen Positronen sehr exakt
bestimmen und so das Interferenzmuster auf den Mikrometer – also den millionstel
eines Meters – genau rekonstruieren", erklärt Dr. Ciro Pistillo vom
Laboratory for High Energy Physics (LHEP) und Albert Einstein Center
for Fundamental Physics (AEC) der Universität Bern. Damit konnten die
Forschenden zwei große Hindernisse von Antimaterieexperimenten überwinden: den
geringen Antiteilchenfluss und die komplexe Manipulation der
Antiteilchen-Strahlung.
"Unsere Beobachtung der Energieabhängigkeit des Interferenzmusters beweist
eindeutig dessen quantenmechanischen Ursprung und somit das Wellenverhalten der
Positronen", unterstreicht Professorin Paola Scampoli. Der Erfolg des
Experiments ebnet den Weg zu einem neuen Untersuchungsfeld auf der Grundlage von
Antimaterie-Interferometrie.
Ein Ziel dabei sind beispielweise Gravitationsmessungen mit exotischen Atomen
wie Positronium, das aus einem Elektron und einem Antiteilchen (Positron)
besteht. Damit könnte die Gültigkeit des sogenannten schwachen
Äquivalenzprinzips für die Antimaterie überprüft werden. Dieses Prinzip ist die
Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie und wurde noch nie mit Antimaterie
geprüft.
Künftige Forschungsfelder auf Basis der Antimaterie-Interferometrie könnten
einst Aufschluss liefern über das Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie im
Universum. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Science
Advances publiziert.
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