Suche nach der verschwundenen Antimaterie
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Exzellenzcluster Origins astronews.com
2. April 2019
Seit rund einer Woche läuft der Messbetrieb mit dem neuen
Belle-II-Detektor am SuperKEKB-Beschleuniger im japanische Tsukuba. Mit der
modernisierten Anlage hoffen die Forschenden rund 50 Mal mehr Kollisionen
beobachten zu können, als mit den jeweiligen Vorgängern. Gesucht wird dabei nach
Hinweisen zur Erklärung der Asymmetrie von Materie und Antimaterie.
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Das erste hadronische Ereignis im Physiklauf
der Belle II Phase 3.
Bild: Belle II / KEK [Großansicht] |
Erfolgreicher Start des neuen Belle II-Detektors in Japan: Seit Montag, dem
25. März 2019 um 19:44 Uhr japanischer Zeit misst das Instrument die ersten
Teilchenkollisionen, die im SuperKEKB-Beschleuniger erzeugt werden. Das komplett
modernisierte und umgerüstete Duo soll 50 mal mehr Kollisionen produzieren als
seine Vorgänger. Mit dem enormen Zuwachs an auswertbaren Daten steigen die
Chancen, die Ursache für das Materie-Antimaterie-Ungleichgewicht im Universum zu
finden.
Im Belle II-Experiment werden Elektronen und ihre Antiteilchen, die
Positronen, zur Kollision gebracht. Dabei entstehen B-Mesonen, Paare aus einem
Quark und einem Anti-Quark. In früheren Experimenten (Belle und BaBar) konnten
Wissenschaftler beobachten, dass der Zerfall von B-Mesonen und Anti-B-Mesonen
unterschiedlich verläuft. Dieses Phänomen bezeichnet man als CP-Verletzung. Sie
bietet einen Anhaltspunkt für die Frage, warum das Universum kaum Antimaterie
enthält – obwohl nach dem Urknall beide Materieformen zu gleichen Teilen
vorhanden gewesen sein müssen.
"Allerdings ist die beobachtete Asymmetrie zu klein, um das Fehlen der
Antimaterie zu erklären", sagt Hans-Günther Moser vom Max-Planck-Institut für
Physik. "Wir suchen daher nach einem stärkeren, bisher unbekannten Mechanismus,
der die Grenzen des heute gültigen 'Standardmodells der Teilchenphysik' sprengen
würde. Um diese neue Physik zu finden und statistisch zu belegen, müssen
Physiker allerdings viel mehr Daten als bisher erheben und auswerten."
"Bisherige Messungen haben schon Hinweise darauf gegeben, wo wir diese Belege
finden könnten. Bald wissen wir, ob sich diese Hinweise bestätigen", ergänzt
Thomas Kuhr von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Um diese Aufgabe zu
bewältigen, wurden der frühere KEK-Beschleuniger und Belle – Laufzeit 1999 bis
2010 – komplett modernisiert. Sie firmieren jetzt unter den Namen Belle II und
SuperKEKB. Die wesentliche Neuerung ist die 40-fach gesteigerte Luminosität, die
Rate an Teilchenkollisionen pro Flächeneinheit.
Dafür haben Wissenschaftler und Techniker den Durchmesser des Teilchenstrahls
stark verkleinert; zugleich lässt sich künftig die Anzahl der eingeschossenen
Teilchenpakete verdoppeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilchen tatsächlich
aufeinandertreffen steigt damit erheblich. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler können so künftig die 50-fache Datenmenge auswerten.
Allerdings stellt das Plus an Daten hohe Anforderungen an die Analysequalität
des Detektors und die Algorithmen zur Auswertung der Daten. Nach der
Teilchenkollision zerfallen die B-Mesonen auf einer mittleren Flugstrecke von
nur 0,1 Millimetern – die Detektoren müssen also sehr schnell und präzise
arbeiten. Dafür sorgt ein hochsensibler Pixel-Vertex-Detektor, der zu großen
Teilen am Max-Planck-Institut für Physik, dem Halbleiterlabor der
Max-Planck-Gesellschaft, der Technischen Universität München und der
Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt und gebaut wurde.
Insgesamt hat der Detektor acht Millionen Pixel und liefert 50.000 Bilder pro
Sekunde. "Im Detektor ist zudem eine spezielle Technologie verbaut, die
sicherstellt, dass die Pixel schnell ausgelesen und damit wieder für neue
Zerfälle frei werden", erklärt Moser. "Das ist wichtig, weil neben relevanten
Teilchenzerfällen auch viel Ausschuss zu erwarten ist: Pro Sekunde erwarten wir
eine Million Teilchen auf einen Quadratzentimeter."
Durch den Einsatz neuer Technologien und die höher Luminosität steigt die
Menge der Daten, die aufgezeichnet und verarbeitet werden muss, drastisch an.
"Wir setzen speziell entwickelte Algorithmen und moderne Big-Data-Analytics-Methoden
ein, um die Daten auszuwerten", sagt Kuhr.
Mit dem Erreichen des Messbetriebs geht ein großes Bauprojekt zu Ende. Neun
Jahre lang haben Wissenschaftler und Ingenieure am Umbau und der Modernisierung
gearbeitet. Der jetzt gestartete erste Run dauert bis zum 1. Juli 2019. Nach
einer kurzen Wartungspause laufen SuperKEKB und Belle II dann im Oktober 2019
wieder an. Der Bau des Pixel-Vertex-Detektors und die Entwicklung der
Algorithmen zur Datenanalyse für das Belle II-Experiment wird auch durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Die BMBF
finanzierte Verbundforschungsförderung für Belle II ist eingebettet in das
Rahmenprogramm "Erforschung von Universum und Materie (ErUM)".
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