Als kleine Monde auf die Erde stürzten
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
7. August 2018
Unser Mond entstand, so die allgemein akzeptierte Theorie,
durch den Einschlag eines etwa marsgroßen Protoplaneten auf der jungen Erde.
Allerdings gibt es Hinweise dafür, dass dieser Einschlag nicht das einzige
Ereignis dieser Art in der Frühphase der Erde war. So könnten mehrere
kleine Monde entstanden sein, deren Schicksal Astronomen nun näher untersucht haben.
Mond und Erde aufgenommen von der NASA-Sonde
Galileo.
Bild: NASA / NSSDC [Großansicht] |
Der Mond ist unter den Himmelskörpern der einzige natürliche Begleiter der
Erde. Seine Entstehung wirft in der astrophysikalischen Forschung noch immer
viele Fragen auf. Und möglicherweise war er einst nicht allein: Neueren
Untersuchungen zufolge gab es in der Frühzeit der Erde eine Reihe von kleineren
Monden, Moonlets genannt, deren Verschwinden ungeklärt ist. Gemeinsam mit seinen
Kollegen Dr. Uri Malamud und Professor Hagai Perets vom Technion Israeli
Intitute of Technology in Haifa sowie Christoph Burger von der Universität
Wien geht Christoph Schäfer vom Institut für Astronomie und Astrophysik der
Universität Tübingen der Frage nach, was aus den Moonlets wurde. Ihre
aufwendigen Simulationen ergeben, dass sie auf die Erde gestürzt sein und bei
der Kollision die Zusammensetzung ihres Mantels verändert haben könnten.
Der derzeit anerkannten Theorie zufolge entstand der Mond vor ungefähr 4,5
Milliarden Jahren bei der Kollision der Proto-Erde mit einem marsgroßen
Protoplaneten, der Theia genannt wird. Hierbei formte sich zuerst eine Scheibe
um die Erde aus dem bei der Kollision ausgeworfenen Material beider Körper. Aus
dem Material dieser Scheibe entstand schließlich der Mond. Neue Untersuchungen
zeigen jedoch, dass die Erde höchstwahrscheinlich zum einen nicht nur einer
solchen großen, sondern mehreren Kollision ausgesetzt war und zum anderen auch
häufig kleinere Einschläge auf der Proto-Erde geschahen. In der Folge entstanden
mehrere Moonlets, die nach Annahme der Forscher jeweils etwa ein Sechstel bis
zur Hälfte der Mondmasse gehabt haben könnten. Ihr Schicksal hat das
Forscherteam genauer untersucht.
"Es gibt zwei Möglichkeiten: Die Moonlets konnten sich unter anderem durch
die gegenseitig wirkende Schwerkraft verbinden und größere Objekte bilden oder,
so die andere Möglichkeit, durch die Erdanziehung wieder auf die Erde abregnen",
erklärt Schäfer. "Uns interessierte vor allem diese zweite Möglichkeit." Um die
Kollisionen der Moonlets mit der Erde zu simulieren, verwendeten die
Wissenschaftler ein Computerprogramm, das in der Abteilung Computational Physics
am Institut für Astronomie und Astrophysik in der Arbeitsgruppe von Professor
Wilhelm Kley unter der Leitung von Schäfer entwickelt wurde. Die Rechnungen
selbst wurden auf dem Tübinger BinAC-Computercluster und dem TAMNUN-Cluster in
Israel durchgeführt.
Das Computerprogramm der Tübinger Physiker verwendet für die Rechnungen einen
als "smooth particle hydrodynamics" genannten Ansatz und nutzt Grafikkarten, um
die aufwendigen Rechnungen zu beschleunigen. Burger schrieb den Computercode für
die komplizierten Anfangsbedingungen, die für die Simulationen benötigt wurden.
Für ihre Studie gingen die Wissenschaftler von einem vereinfachten Modell der
Proto-Erde und dem einfallenden Moonlet aus, wonach beide einen Eisenkern und
einen Mantel aus Silikat besaßen. Der Kern vereinte jeweils ein Drittel der
Masse auf sich. Die Gruppe führte mehr als 70 Simulationen zu dem Einschlag
eines Moonlets auf der Erde durch. Variiert wurden Parameter wie
Kollisionswinkel, Größe des Moonlets und die Rotationsgeschwindigkeit der Erde.
"Insgesamt benötigten die Berechnungen über 100 Wochen Rechenzeit der
Cluster-Grafikkarten", berichtet Malamud, der die Resultate der Simulationen
analysierte: Er bestimmte, welche Fragmente der Körper nach der Kollision das
System verlassen können, welche die Erde in einem gebundenen Orbit umkreisen und
welche nach dem Einschlag auf der Erde verbleiben. Darüber hinaus berechnete er
die Änderung der Rotationsperiode der Erde durch die Kollision.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass im Falle des Einschlags eines Moonlets auf
der Erde die Verteilung des Einschlagsmaterials nicht homogen ist. Diese Art
Kollisionen können daher zu Asymmetrien und Inhomogenitäten in der
Materialzusammensetzung des Erdmantels führen", fasst Malamud die Erkenntnisse
zusammen.
Über ihre Untersuchungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen ist.
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