Weltraummüll und drehende Raketen
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
20. März 2017
In der vergangenen Woche sind wieder zwei
REXUS-Forschungsraketen vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna aus
zu einem kurzen Flug ins All gestartet. An Bord waren wieder verschiedene
Experimente von Studierenden aus europäischen Universitäten. Erforscht wurde
dabei unter anderem eine mögliche Bergung von Weltraummüll.

Start von REXUS 22 am 16. März 2017 vom
Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in
Nordschweden.
Foto: DLR [Großansicht] |
Wie kann Weltraummüll eingefangen werden? Wie lässt sich die Drehung der
Forschungsrakete in Schwerelosigkeit reduzieren? Am 16. März 2017 startete um 14
Uhr MEZ vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden die
REXUS-22-Forschungsrakete mit Experimenten von Studierenden an Bord, um diese
und weitere Fragen zu klären. Bereits einen Tag zuvor, am 15. März 2017, war
REXUS 21 erfolgreich gestartet.
Rund 50 Studierende aus Deutschland, Schweden, Polen und Italien nahmen an
der gemeinsamen Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
der schwedischen Raumfahrtbehörde SNSB teil. Etwa zehn Minuten dauerten die
Flüge der knapp sechs Meter langen einstufigen Raketen vom Start bis zur Landung
der Nutzlast.
An der Doppelkampagne nahmen fünf deutsche Experimente teil: Die Studenten
der Universität Bremen und der Hochschule Bremen testeten in ihrem Experiment
UB-SPACE (University of Bremen - Image Processing for Determination of relative
Satellite Motion) eine Software, welche die relative Bewegung eines Satelliten
mithilfe von Bildaufnahmen erkennen soll. Um dieses Szenario nachzustellen,
wurde ein würfelförmiger Kleinstsatellit aus der REXUS-22-Rakete geworfen und
von mehreren Kameras, die in der Rakete befestigt waren, gefilmt. Mit dieser
Technik könnten später autonome Satelliten ausgerüstet werden, die den
Weltraummüll selbstständig einsammeln.
Das Einfangen von Weltraummüll stand auch im Fokus des Teams GRAB (Gecko-Related
Adhesive testBundles). Die Studenten der Technischen Universität Braunschweig
wollen mit ihrem Experiment das Andocken an einem Zielobjekt, wie zum Beispiel
einem defekten Satelliten, erleichtern. Dafür testeten sie sogenannte adhäsive
"Gecko-Materialen" an raumfahrttypischen Oberflächen in Schwerelosigkeit. Diese
Materialien weisen aufgrund ihrer Struktur aus feinen Härchen und Stempeln eine
gute Haftkraft an glatten Flächen auf.
Da im Weltraum ein Vakuum herrscht, führt das Ablassen von Gas zu einem
Rückstoß. Dadurch kann zum Beispiel eine Rakete gebremst und deren Drehimpuls
reduziert werden. Um die Flugbahn der REXUS-Rakete zu stabilisieren, dreht sich
die Rakete während des Anstiegs um die eigene Achse mithilfe einer besonderen
Einstellung der sogenannten Finnen, die am Raketenmotor befestigt sind.
Allerdings benötigen einige Experimente Schwerelosigkeit, daher muss die Drehung
auf ein Minimum reduziert werden.
Mit RaCoS (Rate Control System Experiment) sollte die Drehung der
REXUS-22-Rakete mithilfe eines Kaltgasantriebs reduziert und kontrolliert
werden. Dafür entwarfen die Studierenden der Universität Würzburg einen
Kontrollalgorithmus, um die Öffnungszeiten der Ventile zu berechnen, die den
Gasfluss steuert. Dieses System könnte zur Lageregelung von Satelliten
eingesetzt werden.
Entfaltbare Strukturen sind besonders zur Erforschung des Weltraums
interessant, da sie aufgrund ihrer geringen Masse und des Materials aus
Dünnfilmen und gasdichten Textilien platzsparend und leicht sind. Das Team der
Technischen Universität Dresden testete mit DIANE (Dipole Inflatable Antenna
Experiment) eine rund sieben Meter lange, stabförmige Antenne, die sich während
des REXUS-21-Flugs in Schwerelosigkeit entfalten sollte. Die Antenne war
zusammen mit ihrem Equipment, Entfaltungsmechanismus, Gaserzeugungssystem,
Sender und Steuerplatine in einem würfelförmigen Kleinsatelliten (CubeSat)
verstaut. Während des Einsatzes wurde das dynamische Flugverhalten und die
Signalübertragung der Antenne untersucht und mithilfe einer Kamera beobachtet.
Das Experiment AtmoHIT (Atmospheric Heterodyne Interferometer Test) hatte das
Ziel, das AtmoCube-1-Instrument zur Erdbeobachtung unter Weltraumbedingungen zu
testen. Dieses sollte während des REXUS-22-Flugs mithilfe eines speziellen
Spektrometers Temperaturen in der mittleren Atmosphäre messen. Das Instrument
zeichnet sich durch eine hohe Lichtempfindlichkeit und geringe Größe aus,
wodurch es für wissenschaftliche Fernerkundungsmessungen mit einem
würfelförmigen Kleinsatelliten (CubeSat) geeignet ist. Das Experiment wurde
innerhalb der Initiative für Kleinsatelliten zur Klimaforschung durch
Tomographie entwickelt, die von Studierenden der Bergischen Universität
Wuppertal in Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich entstand.
Die Untersuchung von Mars-typischen Salzproben stand im Fokus der
Studierenden der Technischen Universität Luleå in Schweden. Das Experiment
SALACIA (Saline Liquids And Conductivity In the Atmosphere) könnte eine spätere
Mars-Mission unterstützen, da in einigen Flughöhen der BEXUS-21-Rakete ähnliche
Umweltbedingungen wie auf dem Mars existieren. Während des Raketenflugs
erforschte das Team die Eigenschaften der Absorption, also die Aufnahme von
Wasser und die Reaktion von Salzen mit Wasser, indem die Leitfähigkeit gemessen
wurde. In Abhängigkeit der Flughöhe änderten sich Zusammensetzung, Feuchtigkeit
und Temperatur der Salzproben.
Das Team der Universität Pisa untersuchte in ihrem Experiment U-Phos (Upgraded
Pulsating heat pipe Only for Space), wie sich eine Flüssigkeit in Abhängigkeit
der Temperatur in Schwerelosigkeit verändert. Hierfür entwickelten die
Studierenden ein passives Temperaturkontrollsystem aus Kapillarröhrchen, die mit
Lösungsmittel gefüllt waren. Ziel war es herauszufinden, inwieweit ein
Temperaturmanagementsystem unter Weltraumbedingungen funktioniert und Anwendung
finden kann.
DREAM (DRilling Experiment for Asteroid Mining) hieß das Experiment des Teams
der Technischen Universität Breslau in Polen. Es dient zur Vorbereitung für das
sogenannte Asteroid Mining, damit sind Abbauverfahren von Rohstoffen und
Bohrungen im Weltraum gemeint. Während des Flugs der REXUS-21-Rakete testeten
die Studierenden die Verteilung und das Verhalten von Bohrspänen in
Schwerelosigkeit.
Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für
Universitäts-Studenten) ermöglicht Studenten, eigene praktische Erfahrungen bei
der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre
Vorschläge für Experimente können jährlich im Oktober eingereicht werden. Der
diesjährige Aufruf dazu wird im Juni 2017 veröffentlicht. Jeweils die Hälfte der
Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher Universitäten und
Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSB hat den
schwedischen Anteil für Studenten der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen
Weltraumorganisation ESA geöffnet.
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