Studierende forschen in der Stratosphäre
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
12. Oktober 2015
Zwei BEXUS-Forschungsballons sind in den letzten Tagen vom
Raumfahrtzentrum Esrange in Nordschweden aus gestartet und haben mehrere Experimente
von Studierenden in eine Höhe von über 28 Kilometern gebracht. Erforscht wurden
dort unter anderem die Partikel der Stratosphäre und aufblasbare Antennen, die
einmal auf Kleinstsatelliten zum Einsatz kommen könnten.

Start von BEXUS 21: Der Ballon hat ein
Fassungsvermögen von 12000 Kubikmetern und ist
zwischen 65 und 100 Metern lang. Damit kann der
Stratosphärenballon in eine Höhe von bis zu 35
Kilometern aufsteigen.
Bild: DLR [Großansicht] |
Frische 0 Grad Celsius, leichter Südwind und bewölkter Himmel: am 10. Oktober
2015 startete um 11.17 Uhr MESZ der Forschungsballon BEXUS 20 vom
Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden in Richtung Stratosphäre. An
Bord der gemeinsamen Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) und der Schwedischen Raumfahrtbehörde SNSB befanden sich drei
wissenschaftliche Experimente.
Insgesamt hatten sich zuvor in einem Auswahlverfahren im Dezember letzten
Jahres sechs Studententeams aus Deutschland, Belgien, Norwegen, Polen und
Spanien qualifiziert, ihre Experimente auf den Gondeln der BEXUS-Ballone 20 und
21 zu platzieren. Mit BEXUS 20 lag das wissenschaftliche Augenmerk auf Teilchen
und Strahlung in der Stratosphäre.
An Bord war auch das deutsche Experiment COSPA von Studenten der Technischen
Universität Darmstadt und der Hochschule Darmstadt. "Wir hatten auf einen
möglichst langen Flug gehofft, da COSPA dann mehr Proben sammeln kann", freut
sich Teamleiterin Katharina Schütze über die Flugzeit von knapp viereinhalb
Stunden, zwei Stunden und zehn Minuten davon in einer Flughöhe von 28.200
Metern. BEXUS 21 hatte bereits am 7. Oktober 2015 um 10.31 Uhr von Esrange
abgehoben - hier schickte das deutsche Team der Technischen Universität Dresden
sein Experiment InTex auf die Reise in die Stratosphäre. Getestet wurde eine
aufblasbare Antennenstruktur.
Das kleine Multi-MINI Gerät im Inneren des Darmstädter Experiments COSPA
saugt die in der Stratosphäre vorhandenen Partikel auf zwei hintereinander
angeordnete Probenträger. Der erste, ein feinmaschiges Sieb, hält die größeren
fest, die kleinen fliegen weiter auf den zweiten. Zwölf solcher
Probenträgerpaare ermöglichen die Probennahme in verschiedenen Höhen und
Flugphasen des Ballons.
Später im Labor werden die jungen Wissenschaftler die genaue Zusammensetzung
der Teilchen analysieren und feststellen, ob sie organisch oder anorganisch,
natürlichen oder anthropogenen Ursprungs, also vom Menschen gemacht, sind. Die
Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Entstehung und Zusammensetzung von polaren
Stratosphärenwolken besser zu verstehen, die einen großen Einfluss auf den Abbau
der Ozonschicht haben.
Aufblasbare Antennen sollen leicht sein, in einem möglichst kleinen Raum
verstaut werden können, und nach der Entfaltung eine große Reichweite haben.
Dann können sie zum Beispiel bei Kleinstsatelliten oder auf der Erde bei
Exkursionen in unwegsamen Gebieten vorteilhaft eingesetzt werden. In der Regel
besteht ihre Hülle aus einer sehr dünnen Kunststofffolie, die wie ein Luftballon
mit einem Gas aufgeblasen wird.
Bei der aus Stoff genähten Antennenstruktur der Dresdner Studierenden geht es
allerdings darum, die bisherigen Schwachstellen - die Gefahr, mit der Zeit Gas
und damit Stabilität zu verlieren - zu bekämpfen. Das Textil wurde deshalb mit
einem Polymer getränkt, welches bei UV-Strahlung, wie sie in der oberen
Atmosphäre anzutreffen ist, aushärtet. Die so entstandene
Textil-Polymer-Struktur soll so auch bei Druckverlust im Innern ihre Form
behalten. "Zwar müssen wir jetzt erst noch die Messdaten auswerten, aber während
des Fluges hat alles geklappt - sogar besser, als wir erwartet hatten!",
berichtet Hannes Weisbach vom Team InTex nach dem Flug in 28 Kilometern Höhe.
Die anderen Experimente Im polnischen Experiment FREDE 2015 (CFC Decay
Experiment) wurde von Studenten der Technischen Universität Breslau der Zerfall
von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) erforscht, die für die Zunahme des
Treibhauseffekts verantwortlich gemacht werden. Das SPADE Team der Universität
Sevilla testete die Verwendung von kommerziellen Bauteilen wie Smartphones als
Datenaufzeichnungsplattform für Stratosphärenflüge sowie die kabellose
Übertragung von Sensor-Messdaten innerhalb der Ballongondel.
Zur Überprüfung von Literaturangaben hat das Studententeam der Universität
Antwerpen mit HACORD (High Altitude Cosmic Ray Detector) den Fluss und die
Winkelverteilung kosmischer Strahlung in verschiedenen Atmosphärenhöhen gemessen
und im Gemeinschaftsprojekt CPT-SCOPE (Cosmic Particle Telescope) von
Studierenden der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie
Trondheim, der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin
sowie der Beuth Hochschule für Technik Berlin wurde ein Sensor mit neuartiger
strahlenfester integrierter Schaltung für die Messung von Elektronen und
Protonen der Stratosphäre erprobt.
Das deutsch-schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für
Universitäts-Studenten) ermöglicht Studierenden, ein von ihnen entwickeltes
Experiment unter Realbedingungen durchzuführen. Von Design, Bau und Tests über
den Flug selbst bis hin zur Datenauswertung und Veröffentlichung durchlaufen die
Teams ein komplettes Raumfahrt-Projekt. Hierbei stehen ihnen Experten von DLR,
SNSB, ZARM und ESA zur Seite.
Gestartet wird der Ballon vom Esrange Space Center in Nordschweden.
"Knapp zehn Monate Vorbereitungszeit für die Ballonexperimente einschließlich
Entwicklung und Bau und etwa 13 Monate für die Raketen sind nicht lang, aber
eine große Herausforderung für die Teams während des Studiums. Sie arbeiten mit
sehr großem Engagement an ihrem Projekt", erläutert Maria Roth, Programmleitung
von REXUS/BEXUS, die Motivation der Studenten.
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