Experimente mit Sonden und Minisatelliten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
5. Juni 2014
In der vergangenen Woche starteten mit den Forschungsraketen
REXUS 15 und REXUS 16 wieder acht Experimente zu einem kurzen
Flug in die obere Atmosphäre. Sie waren alle von europäischen Studierendenteams
entwickelt, gebaut und zuvor getestet worden. Dabei wurden diesmal während des
Flugs auch Mess-Sonden und Kleinstsatelliten ausgesetzt.

Am 29. Mai 2014
um 12 Uhr MESZ startete REXUS 15 vom
Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Schweden.
Foto: ZARM [Großansicht] |
Nicht nur innerhalb einer Rakete kann geforscht werden: Studenten nutzten die
Forschungsrakete REXUS 15, die am 29. Mai 2014 um 12 Uhr MESZ vom
Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Schweden startete, um Mess-Sonden und
Minisatelliten während des Flugs auszusetzen. Bereits einen Tag zuvor war
REXUS 16 mit vier weiteren Experimenten an Bord erfolgreich gestartet. Rund
50 Studentinnen und Studenten aus Deutschland, Schweden, Großbritannien,
Belgien, Italien und Rumänien erforschten bei der Doppelkampagne des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der schwedischen Raumfahrtbehörde
SNSB und der Europäischen Weltraumorganisation ESA die Lufthülle der Erde und
testeten neue Raumfahrttechnologien.
Acht Teams hatten rund ein Jahr lang selbständig eigene Experimente
entwickelt, gebaut und getestet, die nun in den rund sechs Meter langen
einstufigen REXUS-Raketen zum Einsatz kamen. Rund zehn Minuten dauerten
die beiden Flüge mit jeweils vier Experimenten an Bord, bei denen REXUS 15
eine Höhe von etwa 80 Kilometern und die leichtere REXUS-16-Rakete rund
87 Kilometer Höhe erreichte.
Das Experiment MEDUSA (MEasurements of the D-region plasma USing Active
falling plasma probes) von Studenten der Universität Rostock untersuchte die
Konzentration von positiven Ionen in der so genannten D-Region der Atmosphäre.
Diese Schicht befindet sich in einer Höhe zwischen 70 und 90 Kilometern über dem
Erdboden. In diesem Bereich werden durch die Energie der Sonnenstrahlung
Elektronen aus den Gasatomen und -molekülen geschlagen. So entsteht ein Plasma,
also ein elektrisch geladenes und leitendes Gas mit freien Elektronen und Ionen.
Während der Nachtzeit verschwindet die Schicht wieder, da ohne Sonnenenergie die
Elektronen und Ionen wieder verschmelzen.
Für die Untersuchungen wurden kurz vor Erreichen des höchsten Punktes der
Raketenflugbahn zwei zylinderförmige Sonden ausgeworfen, die während des Falls
zurück zur Erde die elektrischen Signale der Ionen registrieren. Zudem enthalten
die Sonden GPS-Empfänger, welche punktgenaue Ortsinformationen liefern. Durch
die Kombination der Höheninformation mit den elektrischen Signalen können
erstmalig zwei zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten gemessene Höhenprofile
des Plasmas in der D-Region erstellt werden. Dies ist die Grundlage, um
zukünftig dreidimensionale Informationen über kleinräumige Änderungen der
Ladungsverteilung zu erhalten. Damit könnten physikalischer Phänomene in der
Atmosphäre aufgeklärt werden, wie die im Winter in einer Höhe von der 55 bis 80
Kilometern auftretenden Radarechos und neue Erkenntnisse der chemischen Vorgänge
gewonnen werden.
Ziel des Experiments ISAAC (Infrared Spectroscopy to Analyse the middle
Atmosphere Composition) des Studententeams der KTH Stockholm war die Bestimmung
des Kohlendioxidgehalts in der mittleren Atmosphäre. Während des REXUS-15-Flugs
wurde in einem ersten Schritt der Auswurfmechanismus für zwei scheibenförmige
Flugkörper getestet, mit denen die Messungen außerhalb der Rakete durchgeführt
werden sollen.
Zwei würfelförmige Kleinstsatelliten (CubeSats) mit einer Kantenlänge von
zehn Zentimetern bildeten das Herzstück des Strathsat-R2 Experiments der
schottischen Universität Strathclyde. Einer der Satelliten enthielt ein
pyramidenförmiges Segel mit aufblasbaren Stangen, der andere eine Struktur aus
kissenförmigen Zellen. Beide Konstruktionen sollten sich nach dem Auswurf
entfalten.
Mit dem Experiment wollten die Studenten zeigen, dass beide Strukturen sich
mit Hilfe des darin enthaltenen Sauerstoffs stabil aufblasen können, da dieser
sich im Weltraum-Vakuum ausdehnt. Solche Strukturen können eingesetzt werden, um
den Querschnitt eines Satelliten zu vergrößern. Damit wird im Weltall der Druck,
den die Partikel aus dem Sonnenwind darauf ausüben erhöht, so dass ausrangierte
Satelliten schneller in einen niedrigen Orbit und damit schneller zum Verglühen
gebracht werden können.
Mit dem Experiment FOVS (Fiber Optical Vibration Sensing Experiment) testete
das Team von der Technischen Universität in München einen sehr kleinen und
flexiblen optischen Dehnungssensor, der als Beschleunigungsmesser -
beispielsweise für Vibrationsmessungen an Raketen - eingesetzt werden soll. Von
Vorteil für den Test waren die vielen Auswürfe von Experimenten auf REXUS 15,
in denen die Körper beschleunigt wurden und Störungen hervorriefen.
Die REXUS-Raketen sind ungesteuert. Das heißt sie taumeln und drehen sich
während des Fluges. Dies ist für das Team HORACE (HORizon ACquisition
Experiment) von der Universität Würzburg eine ideale Testumgebung: Aus
Kamerabildern, die während des Flugs vom Horizont aufgezeichnet werden, sollte
die Ausrichtung der REXUS-Rakete zum Erdmittelpunkt berechnet werden. Diese
Technik soll zukünftig auf Satelliten eingesetzt werden, um diese wieder zur
Erde auszurichten, wenn deren Orientierungssystem versagt hat.
An der Zusammensetzung der Atmosphäre ist das MOXA-Team (Measuring ozone and
OXygen in the Atmosphere) von der TU Dresden interessiert. Dort wurden kleine
Sensoren zur Bestimmung des atomaren und molekularen Sauerstoffgehalts sowie des
Ozons entwickelt. Die Studenten wollten mit den Apparaturen, die in die Wand
ihres Raketenmoduls eingebaut wurden, die Konzentrationen der Gase in
Abhängigkeit von der Höhe messen.
Experimente zur Materialforschung steuerten außerdem die Teams CWIS (Chemical
Waves In Soret effect) von Studierenden der Freien Universität Brüssel und der
Universität Frederico II in Neapel sowie des Teams LOW-GRAVITY von der
Polytechnischen Universität von Bukarest (Rumänien) bei.
Das Deutsch-Schwedische Programm REXUS/BEXUS (Raketen-/Ballon-Experimente für
Universitäts-Studenten) ermöglicht Studenten, eigene praktische Erfahrungen bei
der Vorbereitung und Durchführung von Raumfahrtprojekten zu gewinnen. Ihre
Vorschläge für Experimente können jährlich im Oktober eingereicht werden. Der
diesjährige Aufruf dazu mit dem genauen Datum wird am 16. Juni veröffentlicht.
Jeweils die Hälfte der Raketen- und Ballon-Nutzlasten stehen Studenten deutscher
Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur
SNSB hat den schwedischen Anteil für Studenten der übrigen Mitgliedsstaaten der
europäischen Weltraumagentur ESA geöffnet.
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