Frontalaufprall auf die Ur-Erde?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bayreuth astronews.com
8. Februar 2016
Der Vergleich von Gestein aus verschiedenen Regionen der
Erde und vom Mond lieferte Wissenschaftlern jetzt neue Hinweise auf die
Kollision, durch die einmal unser Mond entstanden ist. Danach prallte ein
marsgroßes Objekt frontal auf die Ur-Erde. Bislang waren viele Forscher von
einem eher flachen Aufschlagwinkel ausgegangen.

Künstlerische Darstellung des Aufpralls von
Theia auf der Ur-Erde.
Bild:
NASA/JPL-Caletch [Großansicht] |
Wie ist der Mond entstanden? Die Fachwelt ist sich weitgehend darin einig,
dass vor rund 4,5 Milliarden Jahren ein planetenartiger Himmelskörper auf die
Erde geprallt ist, die zu diesem Zeitpunkt bereits einen festen Gesteinsmantel
hatte. Dabei wurden riesige Wolken von Staub und Gesteinsbrocken in die
Erdumlaufbahn geschleudert, aus denen sich allmählich der Mond herausbildete.
Bisher war in der Forschung die Annahme verbreitet, jener Himmelskörper - der
nach einer Gestalt aus der griechischen Mythologie den Namen Theia erhielt - sei
von der Seite her in einem eher flachen Winkel auf der Erdoberfläche
aufgeschlagen. Diese Hypothese hält jedoch ein internationales Forscherteam für
nicht plausibel. Sie sind überzeugt, dass Theia mit extrem hoher Geschwindigkeit
frontal auf die Erde zugestürzt ist, vermutlich mit rund 10 Kilometern pro
Sekunde.
Die enorme Wucht des Aufpralls setzte Energien frei, die einen großen Teil
des Erdgesteins aufgeschmolzen haben. Dadurch ist Theia tief in die Erde
eingedrungen und hat sich mit dem Gestein der Erde vermischt – mit dem Effekt,
dass es sich bei dem in die Erdumlaufbahn herausgeschleuderten Material
ebenfalls um eine solche Mischung handelte.
Die Wissenschaftler sind zu diesem Ergebnis gekommen, indem sie
Gesteinsproben unterschiedlicher Herkunft miteinander verglichen haben:
einerseits Gestein aus Hawaii und Arizona, das infolge vulkanischer Prozesse aus
dem Erdmantel an die Erdoberfläche gelangt ist, andererseits Mondgestein, das
die Astronauten der Apollo-Missionen 12, 15 und 17 mitgebracht hatten.
Entscheidend war dabei die Analyse des Sauerstoffs, der rund 90 Prozent des
Volumens dieser Gesteinsbrocken ausmacht. Der Sauerstoff im Erdgestein enthält
fast nur O-16-Isotope, also Sauerstoffatome, deren Kerne jeweils aus acht
Protonen und acht Neutronen bestehen. In nur sehr geringen Mengen kommen auch
die schwereren Isotope O-17 und O-18 vor, deren Kerne ein bzw. zwei weitere
Neutronen enthalten. Die gleichen Mengenverhältnisse finden sich in allen Proben
des Mondgesteins.
"Wir haben hinsichtlich der Sauerstoff-Isotope keine signifikanten
Unterschiede zwischen dem irdischen Gestein und dem Mondgestein feststellen
können", erklärt Prof. Dr. David Rubie vom Bayerischen Geoinstitut (BGI) der
Universität Bayreuth, der die an der Gesteinsbildung beteiligten
Sauerstoff-Isotope modelliert hat.
Die gleichen Anteile von Sauerstoff-Isotopen im Gestein von Erde und Mond
sind umso auffälliger, als die Erde, der Mars und andere Planeten des
Sonnensystems sich in dieser Hinsicht signifikant unterscheiden. Auch Theia als
extraterrestrischer Himmelskörper dürfte sich in diesem Punkt deutlich von der
"Ur-Erde" unterscheiden haben.
"Die Ergebnisse unserer Gesteinsanalysen sprechen deshalb eindeutig dafür,
dass die Erde in ihrer heutigen Gestalt und der Mond aus einer Materialmischung
hervorgegangen sind, die ihren Ursprung in einer wechselseitigen Durchdringung
von Theia und 'Ur-Erde' hat", meint der Bayreuther Geowissenschaftler. "Die nach
dem Aufprall in die Erdumlaufbahn geschleuderten Staub- und Gesteinsmengen, aus
denen der Mond entstanden ist, enthielten einen ungefähr gleich hohen Anteil von
Theia-Material wie die Materialmischung, die sich nach dem Aufprall zum heutigen
Planeten Erde verfestigt hat."
Dieser Befund – so die Wissenschaftler – spricht eindeutig für einen äußerst
heftigen und zerstörerischen Frontalaufprall von Theia. Wäre dieser
extraterrestrische Körper seitlich in einem relativ flachen Winkel
aufgeschlagen, wäre das Material von Theia größtenteils in der Erdumlaufbahn
gelandet. Das heutige Mondgestein würde dann sehr wahrscheinlich andere Anteile
von Sauerstoff-Isotopen aufweisen als das Gestein der Erde.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Science erschienen ist.
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