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Ein Gammastrahlenblitz der Superlative, den Astronomen Ende April beobachten konnten, erweist sich als Glücksfall für die Wissenschaft. Der Gamma-ray Burst, dessen Verlauf von zahlreichen Teleskopen verfolgt wurde, wirft allerdings auch neue Fragen auf: So passen die Beobachtungen nicht immer zu den Vorstellungen, die die Forscher über die Entstehung solcher Bursts hatten.
Am 27. April 2013 registrierten die Detektoren des Fermi-Weltraumteleskops im Sternbild Löwe eine außergewöhnliche Eruption von hochenergetischer Gammastrahlung (astronews.com berichtete). Schnell wurde klar, dass sich diese Beobachtung zu einem Glücksmoment in der Erforschung derartiger Gammastrahlungsblitze entwickeln wird: "Wir Wissenschaftler warteten schon lange auf einen derartig eindeutigen Rekordbrecher", bestätigt der Innsbrucker Astroteilchenphysiker Olaf Reimer. "GRB130427A, so die offizielle Bezeichnung dieses Gammastrahlungsausbruches, war nicht nur der bisher hellste Gamma-ray Burst (GRB), sondern auch der mit dem am längsten andauernden Nachleuchten im Gammastrahlenbereich." Doch damit nicht genug: "Seit dem Start des Fermi-Weltraumteleskops im Juni 2008 war dieser Blitz auch derjenige mit der bisher höchsten Energie vermessene und mit den meisten Teleskopen und Satelliten nachbeobachtete Gammastrahlungsausbruch", so Reimer. Obwohl Gammastrahlenblitze schon seit mehreren Jahrzehnten bekannt sind, geben diese Explosionen der Wissenschaft noch immer Rätsel auf. Die Blitze wurden zufällig bei einem Programm zur Überwachung von Nukleartests auf der Erde in der Zeit des Kalten Krieges entdeckt. "Seit Jahrzehnten schon kennt man derartige Gammastrahlungsausbrüche als die energiereichsten, beobachtbaren Phänomene in unserem Universum", erzählt Reimer. Wie allerdings diese Ausbrüche entstehen, darüber diskutieren Astrophysiker seit mehr als 40 Jahren.
Tausende von diesen jeweils einmalig auftretenden Blitzen wurden seitdem beobachtet, ausgewertet und modelliert. "Wir gehen davon aus, dass der wesentliche Teil der Energie einer stellaren Katastrophe in einem nur wenige Sekunden andauernden Zeitfenster freigesetzt wird. Vermutlich gelingt das nur, wenn ein hochgradig fokussierter Materiestrahl die Hülle eines kollabierenden, massereichen Sterns durchstößt und dann auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird", beschreibt Reimer die dramatischen Ereignisse. Doch verstanden ist bislang vergleichsweise wenig, insbesondere nach den Beobachtungen des Rekord-Bursts vom April: "Wie genau die prompte Gammastrahlung in diesem fokussierten Materiestrahl erzeugt wird, und wie der Materiestrahl mit seiner Umgebung wechselwirkt und das Nachleuchten erzeugt, ist nun wieder rätselhafter denn je," so Dr. Jochen Greiner vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, der verantwortliche Wissenschaftler für den Gamma-Ray Burst Monitor an Bord von Fermi. Nicht nur die Eigenschaften von GRB130427A, sondern auch die Vielzahl der davon motivierten Folgebeobachtungen setzen Rekorde: Bis zum September 2013 haben 58 internationale Observatorien und Teleskope das Nachleuchten von GRB130427A in anderen Wellenlängenbereichen beobachten können. Aber zunächst verbindet man Gammastrahlenausbrüche natürlich mit hochenergetischer Gammastrahlung. Hier hat GRB 130427A den ersten Rekord zu verzeichnen: Das höchstenergetische Photon wurde mit 95 GeV (etwa das Hundert Milliardenfache der Energie eines Photons im sichtbaren Licht) vermessen, ein Wert, der bisher noch nie von Gammablitzen verzeichnet wurde. Die relative "Nähe" des Explosionsorts und die damit überdurchschnittliche Helligkeit erlaubte es, das Abklingen der Gammastrahlung auch ungewöhnlich lange aufzunehmen. Aus diesem Grund konnte auch eine Großzahl von anderen Satelliten und bodengebundenen Teleskopen in anderen, niederen Wellenlängenbereichen dem Nachleuchten folgen. Die Vielzahl der nun verfügbaren spektralen und temporalen Messungen wird diesen Gammablitz zum vermutlich bestbeobachteten und meistdiskutierten Objekt dieser Klasse machen. Neben den Superlativen, die den Gammastrahlenausbruch GRB 130427A begleiten, haben die exquisiten Daten des Fermi-Weltraumteleskopes auch die bisherigen Theorien gehörig infrage gestellt und erfordern nun eine kritische Sicht auf Modellvorstellungen aller Gammastrahlenblitze. Insbesondere das bislang allgemein akzeptierte Modell zur Erklärung des Nachleuchtens durch Synchrotronstrahlung energiereicher Elektronen, die ihre Energie aus der Stoßwelle beim Beschleunigen auf Lichtgeschwindigkeit beziehen sollten, wirft Probleme auf. "Vermutlich müssen nun andere, extreme Strahlungsmechanismen herangezogen werden, um das langdauernde Nachleuchten im Lichte höchstenergetischer Photonen überzeugend erklären zu können", glaubt Reimer. Noch dramatischer ist die Lage bei der Erklärung der prompten Gammaemission. "Das seit rund 15 Jahren favorisierte Modell der 'internen Schocks', bei denen später emittierte, schnellere Schalen mit früher emittierten langsameren Schalen kollidieren, ist nun eindeutig widerlegt", so Greiner. "Wir erleben hier gerade einen Fall, bei dem außergewöhnliche Beobachtungen eines spektakulären astrophysikalischen Phänomens, gepaart mit einer guten Portion Glück, lang etablierte Interpretationen revidieren werden." Über ihre Resultate berichtet das Team in der heute erscheinenden Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Science.
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