Ein Burst und zwei Erklärungen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
1. Dezember 2011
Am ersten Weihnachtstag des vergangenen Jahres entdeckte der
NASA-Satellit Swift einen eigentümlichen Gammastrahlenblitz, der den
Astronomen in den folgenden Monaten erhebliches Kopfzerbrechen bereitete. Jetzt
präsentieren zwei Teams zwei ganz unterschiedliche Szenarien für dieses
Ereignis. In beiden Fällen wird ein Neutronenstern benötigt, doch damit hören
die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
Entstand der Weihnachtsburst durch einen
Kometen, der auf einen Neutronenstern gestürzt
ist?
Bild: NASA / Goddard Space
Flight Center |
Gammastrahlenblitze (Gamma-ray Bursts, GRBs) sind kurze, hochenergetische
Strahlungsausbrüche im Gammastrahlenbereich, die an jeder Stelle des Himmels
auftreten können und durch fatale Sternkatastrophen ausgelöst werden. Die Dauer
dieser Blitze reicht im Gammastrahlenbereich von wenigen Millisekunden bis zu
über einer halben Stunde und sie sind so hell, dass sie bis zum Rand des uns
bekannten Universums beobachtet werden können. Da die Erdatmosphäre nicht für
Gammastrahlen durchlässig ist, können GRBs nur mit Gammadetektoren an Bord von
Satelliten, etwa des Swift-Satelliten der NASA, detektiert werden.
Beobachtungen von erdgebundenen Teleskopen haben gezeigt, dass die Blitze im
Gammabereich von Emissionen bei optischen, infraroten bis hinunter zu
Radiowellenlängen begleitet werden. Dieses "Nachglühen", der sogenannte
Afterglow, wird von Synchrotronstrahlung hervorgerufen, welche entsteht, wenn
sich ultrarelativistische, elektrisch geladene Teilchen (also Partikel mit
Geschwindigkeiten von mehr als 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit) in starken
Magnetfeldern bewegen und dabei Photonen aussenden.
Am 1. Weihnachtsfeiertag 2010 registrierte der NASA-Satellit Swift
einen sehr speziellen Gammablitz, GRB 101225A, den die Wissenschaftler wegen des
Datums seiner Entdeckung auch "Weihnachtsburst" getauft haben. Dieser GRB
dauerte über eine halbe Stunde und war damit länger als fast alle bisher
detektierten GRBs. Die Emission in Wellenlängen unterhalb des Gammabereichs war
nicht - wie bei allen bisherigen GRBs - von Synchrotronstrahlung dominiert,
sondern zeigte ein klassisches Schwarzkörperspektrum, also Wärmestrahlung.
Eine internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von
Christina Thöne vom Instituto de Astrofísica de Andalucía im spanischen
Granada präsentierte jetzt in einen Artikel in der Fachzeitschrift Nature
ein Modell, das die ungewöhnlichen Beobachtungen erklären könnte. Die
Kollaboration umfasste auch Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für
Astrophysik, die zur theoretischen Interpretation der Daten und der Entwicklung
eines plausiblen Modells beitrugen.
Gestützt auf eine große Anzahl von Beobachtungen schlägt das Team ein neues
Szenario vor, um diesen exotischen Sternentod zu erklären. Die zwei populärsten
Modelle für GRBs waren bisher der Kollaps eines massereichen Sterns (für GRBs
mit mehr als zwei Sekunden Dauer im Gammastrahlenbereich) und die Verschmelzung
von zwei kompakten Objekten (für Bursts mit weniger als zwei Sekunden Dauer).
Der Weihnachtsburst mit seinen seltsamen Eigenschaften benötigt jedoch nach
Auffassung der Forscher ein neues, drittes Modell.
Im Falle von GRB 101225A vermuten die Wissenschaftler, dass der Burst das
Ergebnis der Verschmelzung eines Neutronensterns mit einem Riesenstern war, der
sich bereits im späten Entwicklungsstadium befunden hat, in seinem Kern also
Helium verbrannte. Während sich der Neutronenstern dem Riesenstern näherte und
schließlich in dessen Atmosphäre eintrat, wurde ein Großteil der Wasserstoff-
und Heliumhülle des Riesensterns abgestoßen. Bei der endgültigen Verschmelzung
des Neutronensterns mit dem Kern des Riesensterns entstand eine
Akkretionsscheibe und ein GRB-artiger ultrarelativistischer Jet, der mit der
zuvor ausgestoßenen Sternhülle wechselwirkte.
Dies führte zu dem beobachteten Schwarzkörperspektrum aus heißem Gas, das von
einer Million Kelvin direkt nach dem GRB bis auf 5.000 Kelvin drei Wochen später
abkühlte. Etwa zehn Tage nach der Explosion entwickelte sich außerdem eine
schwache Supernova-Komponente, die 40 Tage nach dem GRB ihr Maximum erreichte
und die nachlassende Schwarzkörperstrahlung dominierte. Dabei dürfte es sich um
eine Typ Ic-Supernova in einer Entfernung von rund 5,5 Milliarden Lichtjahren
handeln. Das Team glaubt auch, an der entsprechenden Stelle am Himmel ein Objekt
entdeckt zu haben, bei dem es sich um die entfernte Galaxie handeln könnte, in
der sich das alles abgespielt hat. Würde sich dies bestätigen, wäre das ein
starkes Indiz für die Richtigkeit des neuen Modells.
Es gibt aber auch noch eine ganz andere Erklärung für den Weihnachtsburst: In
einer zweiten Veröffentlichung, die auch heute in Nature erschienen
ist, wird der Burst auf ein Ereignis zurückgeführt, das sich in sehr viel
geringerer Entfernung ereignet hat: Ein Team um Sergio Campana vom
Osservatorio Astronomico di Brera im italienischen Merate glaubt, dass sich
GRB 101225A durch einen großen Kometen erklären lassen könnte, der sich einem
Neutronenstern genähert hat und dabei zerbrochen ist und dessen Trümmerteile
anschließend auf den Neutronenstern stürzten. Abgespielt haben sollte sich dies
in einer Entfernung von nur rund 10.000 Lichtjahren. Erforderlich wäre dazu ein
Komet mit etwa der halben Größe des Zwergplaneten Ceres in unserem Sonnensystem.
Welches der beiden Szenarien nun für den Weihnachtsburst zutrifft, kann -
wenn überhaupt - nur durch weitere Beobachtungen geklärt werden: Wird an der
Stelle von GRB 101225A tatsächlich eine Galaxie nachgewiesen, würde das für das
Modell mit dem Riesenstern sprechen. Findet man allerdings dort nur eine
punktförmige Quelle oder einen Pulsar spräche das eher für das Kometenmodell.
Wie weit GRB 101225A nämlich tatsächlich entfernt war, haben die Astronomen bis
heute nicht feststellen können.
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