Anzeige
 Home  |  Nachrichten  | Frag astronews.com  | Bild des Tages  |  Kalender  | Glossar  |  Links  | Forum  | Über uns    
astronews.com  
Nachrichten

astronews.com
astronews.com

Der deutschsprachige Onlinedienst für Astronomie, Astrophysik und Raumfahrt

Home  : Nachrichten : Forschung : Artikel [ Druckansicht ]

 
PHYSIK-NOBELPREIS
Das beschleunigt expandierende Universum
von Stefan Deiters
astronews.com
4. Oktober 2011

Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an drei Kosmologen: Eine Hälfte erhält Saul Perlmutter, die andere Hälfte teilen sich Brian P. Schmidt und Adam G. Riess. Alle drei werden für ihre Entdeckung des sich beschleunigt ausdehnenden Universums ausgezeichnet. Die Astronomen hatten in zwei konkurrierenden Teams Supernova-Explosionen in weit entfernten Galaxien beobachtet.

Supernovae

Eine Auswahl von entfernten Supernova-Explosionen, die mit dem Weltraumteleskop Hubble beobachtet wurden. Aus solchen Beobachtungen schlossen die Astronomen auf eine sich beschleunigende Expansion des Universums. Bild: NASA, ESA und A. Riess (STScI) [Großansicht]

Manche Entdeckung wird erst viele Jahrzehnte später durch einen Nobelpreis gewürdigt, denn oft lässt sich erst im Nachhinein erkennen, welche Bedeutung die einstige Entdeckung für das jeweilige Forschungsgebiet hatte. Heute zeichnete die Schwedische Akademie der Wissenschaften drei Astronomen für eine Entdeckung aus, die nur etwas mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt. Doch schon damals war vielen klar, dass die noch vergleichsweise jungen Wissenschaftler auf etwas gestoßen waren, was das Weltbild der Kosmologen deutlich verändern würde. Perlmutter und Schmidt und ihre Teams hatten nämlich nicht weniger festgestellt, als dass sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern die Geschwindigkeit dieser Expansion sogar weiter zunimmt.

Perlmutter vom Lawrence Berkeley National Laboratory und der University of California hatte mit seinem Team 1988 begonnen, mit Hilfe bestimmter Supernova-Explosionen das entfernte Universum möglichst genau zu vermessen. Das gleiche Ziel hatte Brian Schmidt von der Australian National University und sein Team, in dem Adam G. Riess vom Space Telescope Science Institute und der Johns Hopkins University eine entscheidende Rolle spielte.

Das Messen von Entfernungen im Universum ist alles andere als leicht, insbesondere, wenn es um weit entfernte Objekte geht. Astronomen nutzen dazu sogenannte Standardkerzen, also astronomische Objekte, deren Helligkeit sie genau zu kennen glauben. Durch Vergleich der scheinbaren - also beobachteten - Helligkeit mit der als bekannt angenommenen tatsächlichen Helligkeit lässt sich dann die Entfernung des Objektes errechnen.

Als eine Standardkerze dienen Supernova-Explosionen vom Typ Ia. Es handelt sich dabei um Doppelsternsysteme aus einem alten ausgebrannten Stern, einem Weißen Zwerg, und einem massereicheren Begleiter, von dem der Weiße Zwerg ständig Materie aufnimmt. Irgendwann erreicht der Weiße Zwerg auf diese Weise eine kritische Masse und es kommt zu einer Supernova-Explosion. Eine solche Explosion ist außerordentlich hell und eignet sich daher auch über weite Distanzen zur Entfernungsmessung.

Anzeige

Gleichzeitig lässt sich aus dem Spektrum entfernter Objekte auch ihre sogenannte Rotverschiebung ablesen, die wiederum etwas über die Geschwindigkeit verrät, mit der sich die Objekte - bedingt durch die Expansion des Universums - von uns entfernen. Untersucht man also entfernte Supernova-Explosionen, lässt sich auf diese Weise rekonstruieren, wie sich das Universum im Laufe seiner Geschichte ausgedehnt hat.

Bei ihrer Arbeit stießen beide Teams nun auf mehr als 50 entfernte Supernova-Explosionen, die nicht so recht ins Bild passen wollten: Sie waren heller, als sie nach den Modellen der Kosmologen eigentlich sein sollten. Dies war nur zu erklären, wenn die Geschwindigkeit, mit der sich das Universum ausdehnt, nicht - wie bislang angenommen - durch die Anziehungskraft der Masse des Universums allmählich geringer wird, sondern zunimmt.

Doch diese Schlussfolgerung war den Astronomen zunächst nicht geheuer: "Ich weiß noch, wie ich bei der Analyse der Daten dachte, 'Oh, da habe ich aber irgendwo einen furchtbaren Fehler gemacht'", erinnert sich Adam Riess in einem Telefoninterview, das auf der Webseite des Nobelpreis-Komitees veröffentlicht ist. "Ich habe dann wochenlang nach dem Fehler gesucht und erst dann langsam die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das Universum sich tatsächlich beschleunigt ausdehnt."

Dass zwei Teams versuchten eine Erklärung für ganz ähnliche Beobachtungsergebnisse zu finden, hat alles nur noch aufregender gemacht: "Dadurch war die Sache natürlich dringender", so Riess. "Und als ich herausfand, dass sie (Perlmutter und sein Team, Anmerkung der Redaktion) das gleiche sehen, dachte ich plötzlich nicht mehr 'Oh, da muss irgendwo ein furchtbarer Fehler sein', sondern 'Oh mein Gott, das könnte die richtige Antwort sein!'.

Als schließlich beide Teams zu dem Schluss kamen, dass sich das Universum tatsächlich beschleunigt ausdehnt, benötigte man dafür natürlich auch eine Ursache, die man - analog zur "Dunklen Materie" - heute als "Dunkle Energie" bezeichnet. Um was es sich dabei handelt, weiß man bislang nicht. Mit der heute ausgezeichneten Entdeckung nahm die Kosmologie somit eine ganz neue und unerwartete Wendung. Man geht heute davon aus, dass das Universum zu fast drei Vierteln aus Dunkler Energie besteht. 

Saul Perlmutter, der Leiter des Supernova Cosmology Projects, wurde 1959 im US-Bundesstaat Illinois geboren, machte 1986 seinen Doktortitel an der University of California in Berkeley und arbeitet heute als Professor für Astrophysik in Berkeley und am Lawrence Berkeley National Laboratory.

Brian P. Schmidt, der Leiter des High-z Supernova Search Teams, ist US-amerikanischer und australischer Staatsbürger, wurde 1967 im US-Bundesstaat Montana geboren, machte 1993 seinen Doktortitel an der Harvard University und ist heute Professor an der Australian National University in Weston Creek. Adam G. Riess wurde 1969 in Washington DC geboren, schloss 1996 seine Doktorarbeit an der Harvard University ab und ist heute Professor für Astronomie und Physik an der Johns Hopkins University und am Space Telescope Science Institute in Baltimore. 

Forum
Physik-Nobelpreis 2011 für die Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums. Diskutieren Sie mit anderen Lesern im astronews.com Forum.
siehe auch
Kosmologie: Entdecker der Dunklen Energie ausgezeichnet - 20. Juli 2007
Supernovae: Kosmische Entfernungsmesser - 9. Februar 2007
Hubble: Dunkle Energie im jungen Universum - 17. November 2006
Kosmologie: Größte Dummheit ein Geniestreich? - 25. November 2005
Kosmologie: Gravitationswellen statt Dunkler Energie? - 17. März 2005
Chandra: Neues Licht auf dunkle Energie - 19. Mai 2004
XMM-Newton: Sprechen neue Daten gegen dunkle Energie? - 15. Dezember 2003
Supernovae: Der dunklen Energie auf der Spur - 22. September 2003
Gravitationslinsen: Weiteres Indiz für dunkle Energie - 12. November 2002
Kosmologie: Neue Beweise für dunkle Energie - 22. März 2002
Hubble: Entfernteste Supernova enttarnt dunkle Energie - 3. April 2001
Links im WWW
Nobelprize.org
In sozialen Netzwerken empfehlen
 
Anzeige
astronews.com 
Nachrichten Forschung | Raumfahrt | Sonnensystem | Teleskope | Amateurastronomie
Übersicht | Alle Schlagzeilen des Monats | Missionen | Archiv
Weitere Angebote Frag astronews.com | Forum | Bild des Tages | Newsletter
Kalender Sternenhimmel | Startrampe | Fernsehsendungen | Veranstaltungen
Nachschlagen AstroGlossar | AstroLinks
Info RSS-Feeds | Soziale Netzwerke | astronews.com ist mir was wert | Werbung | Kontakt | Suche
Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Cookie-Einstellungen
     ^ Copyright Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999-2023. Alle Rechte vorbehalten.  W3C
Diese Website wird auf einem Server in der EU gehostet.

© astronews.com / Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999 - 2020
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung.


URL dieser Seite: https://astronews.com:443/news/artikel/2011/10