Neues Licht auf
dunkle Energie
von Stefan
Deiters
astronews.com
19. Mai 2004
Mit
Hilfe von Aufnahmen von Galaxienhaufen, die das NASA-Röntgenteleskop Chandra
gemacht hat, haben Astronomen die mysteriöse dunkle Energie mit einer
ganz neuen Methode untersucht. Die Dichte der Energie scheint sich kaum
zu ändern und könnte sogar konstant sein - ein Konzept, das erstmals von
Einstein mit der so genannten kosmologischen Konstante eingeführt wurde.
Der Galaxienhaufen Abell 2029. Für dieses Bild wurde eine
Chandra-Aufnahme im Röntgenbereich (rot) mit einer optischen
Aufnahme (blau) kombiniert. Gut zu erkennen ist eine große
elliptische Galaxie im Zentrum des Haufens, die von vielen
kleineren Galaxien umgeben ist. Eingehüllt ist alles von bis zu
100 Millionen Grad heißem Gas, das von den gewaltigen
Gravitationskräften aufgeheizt wird und nur im Röntgenbereich
erkennbar ist. Abell 2029 ist ungefähr eine Milliarde Lichtjahre
von der Erde entfernt. Foto: NOAO / Kitt Peak / J. Uson,
D. Dale (optisch), NASA /CXC / IoA /S. Allen et al. (Röntgen) [Großansicht] |
Das Forscherteam hat die mysteriöse dunkle Energie mit Hilfe einer neuen Methode
detektiert und untersucht, die Aufnahmen von Galaxienhaufen nutzt, die das NASA-Röntgenteleskops Chandra
gemacht hat. So konnten die Astronomen die Übergangsphase vor einigen Milliarden
Jahren verfolgen, in der die zunächst immer langsamer werdende Expansion des
Universums in eine beschleunigte Ausdehnung des Weltalls umschlägt. Von den
Beobachtungen erhoffen sich die Wissenschaftler ganz neue Erkenntnisse über die
Natur der dunklen Materie und schließlich auch über das Schicksal des
Universums.
"Dunkle Energie ist vermutlich das größte Mysterium in der Physik", meinte Steve
Allen vom Institute for Astronomy der Universität im englischen
Cambridge, der die Studie leitete. "Daher ist es auch extrem wichtig unabhängige
Tests zu machen, die ihre Existenz und ihre Eigenschaften bestätigt." Allen und
seine Kollegen haben Chandra benutzt, um insgesamt 26 Galaxienhaufen in einer
Entfernung von einer bis zu acht Milliarden Lichtjahren zu studieren. Dieser
Zeitraum umfasst die Phase in der das Universum zunächst immer langsamer
expandierte, dann aber durch die abstoßende Wirkung der dunklen Energie
wieder beschleunigte.
"Wir können die Expansion des Universums direkt beobachten, indem wir die
Entfernung der Galaxienhaufen bestimmen", erläutert Allens Kollege Andy Fabian
aus Cambridge. Die Ergebnisse deuten drauf hin, dass sich die Dichte der dunklen
Energie nicht plötzlich geändert hat, sondern, dass eventuell ein Konzept, wie
die ursprünglich von Einstein vorgeschlagene kosmologische Konstante durchaus
zutreffend sein könnte. Wenn das stimmt, sollte sich das Universum bis in alle
Ewigkeit ausdehnen, was dazu führen dürfte, dass nach und nach das sichtbare
Universum immer weniger Galaxien enthält und es recht einsam um uns herum wird.
Das mag zwar langweilig erscheinen, ist aber sicherlich angenehmer als die als
"Big Rip" bekannte Möglichkeit, bei der die dunkle Energie so stark wird, dass
sie schließlich alles auseinander reißt oder die Variante, bei der das Universum
irgendwann im "Big Crunch" wieder in sich zusammenstürzt.
Für die Messungen machten sich das Team um Allen die Fähigkeit Chandras
zu Nutze, das heiße Gas aufzuspüren, das sich in den Galaxienhaufen befindet.
Aus diesen Daten konnten die Forscher das Verhältnis der Masse des heißen Gases
und der dunklen Materie im Haufen errechnen. Der beobachtete Gasanteil hängt von
der angenommenen Entfernung des Haufens ab und diese wiederum von der Krümmung
des Raumes und der dunklen Energie. Da Galaxienhaufen so riesig sind, nehmen die
Astronomen an, dass sie repräsentativ sind für unser Universum und somit der
Anteil von heißem Gas zu dunkler Materie in jedem Galaxienhaufen gleich ist. Mit dieser Annahme konnte das Team die Entfernungsskala kalibrieren und
ermittelte so, dass das Universum zunächst immer langsamer expandierte, dann aber
- vor rund sechs Milliarden Jahren - begann, sich beschleunigt auszudehnen.
Zu ähnlichen Ergebnissen waren Astronomen auch durch Auswertung von entfernten
Supernova-Explosionen gekommen, durch die erstmals der Beschleunigungs-Effekt
der dunklen Energie gezeigt werden konnte. Die Ergebnisse von Chandra
sind von diesen Arbeiten komplett unabhängig - es wurde in anderen Wellenlängen
beobachtet und durchweg andere Objekte. Diese neue Arbeit ist daher ein
wichtiger Schritt, um die Ergebnisse der Supernova-Untersuchungen zu bestätigen,
die von einigen Wissenschaftlern noch angezweifelt werden.
Durch Kombination der neuen Chandra-Ergebnisse mit Daten des NASA
Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP), die extrem genauen Messungen
der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung durchführt, konnte Allen und
seine Kollegen die Zusammensetzung des Universum unmittelbar nach dem Urknall
errechnen. Auch damals bestand das Universum offenbar schon größtenteils aus
dunkler Energie: Sie machte rund 75 Prozent des Weltalls aus, dunkle Materie war
für 21 Prozent verantwortlich und sichtbare Materie für rund vier Prozent.
All die Daten, so das Team, sind konsistent mit der Annahme, dass die Dichte der
dunklen Energie immer konstant ist und sich somit nicht geändert hat. Allerdings
würden die Daten auch eine ansteigende Dichte der dunklen Energie zulassen. Erst
weitere noch detailliertere Beobachtungen können hier genaueres ergeben. So ist
das Schicksal des Universums weiterhin offen - und das zumindest so lange, bis
wir verstanden haben, was eigentlich dunkle Energie ist.
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