Mindestens
30 Milliarden Jahre bis zum Big Rip
von Stefan
Deiters
astronews.com
23. Februar 2004
Die
ominöse dunkle Energie ähnelt nach neusten Untersuchungen immer mehr Einsteins
kosmologischer Konstante. Somit, da sind sich die Forscher sicher, müssen wir
innerhalb der nächsten 30 Milliarden Jahre nicht damit rechnen, dass unser
Universum in einem gewaltigen Big Rip auseinander gerissen wird.
Eine der von Hubble entdeckten entfernten Supernova-Explosionen.
Oben die Ansicht vor der Supernova, unten danach. Fotos:
NASA und A. Riess (STScI)
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Die Auswertung von Beobachtungen des Weltraumteleskops Hubble kommen
zu einem nicht ganz eindeutigen Ergebnis: Albert Einstein hatte recht -
vielleicht. Die neuen Daten sprechen nämlich dafür, dass die ominöse "dunkle
Energie" der von Einstein postulierten abstoßenden Kraft ähnelt, die das
Wissenschaftsgenie in seinen Formeln verwendet hatte, um die
Eigenanziehungskraft der Materie auszugleichen. Und selbst wenn Einstein sich am
Ende doch geirrt haben sollte, bleibt noch genügend Zeit, um den Fehler zu
finden: Die dunkle Energie im Universum könnte dem Weltall frühestens in 30
Milliarden Jahren gefährlich werden.
"Zur Zeit sind wir doppelt so sicher wie früher, dass Einsteins kosmologische
Konstante wirklich existiert oder zumindest, dass die dunkle Energie sich nicht
schnell genug ändert, um - wenn überhaupt - das Universum innerhalb der nächsten
30 Milliarden Jahre zu zerstören", erläutert Adam Riess vom Space Telescope
Science Institute. Der Wissenschaftler hatte mit Hubble entfernte
Supernova-Explosionen untersucht, die wegen ihrer enormen Entfernung zu einem
Zeitpunkt explodierten, zum dem das Universum nur etwa die Hälfte seines
heutigen Alters hatte. Aus diesen Daten können Kosmologen dann die
Expansionsgeschwindigkeit des Alls zu verschiedenen Zeiten ableiten.
Riess und seine Kollegen arbeiteten im Rahmen des Great Observatories
Origins Deep Survey (GOODS) Programms zusammen, bei dem das Weltraumteleskop
in eine regelrechte Supernova-Suchmaschine verwandelt wurde. Mit Erfolg: Die
Forscher entdeckten 42 neue entfernte Supernovae, darunter sechs der sieben am
weitesten entfernten.
Obwohl die meisten Wissenschaftler von der Existenz der "dunklen Energie"
überzeugt sind und viele davon ausgehen, dass sie der dominierende Bestandteil
des Universums ist, wissen sie praktisch gar nichts über diese ominöse Energie.
Daher versuchen sie mit allen Mitteln zumindest ihre Wirkung zu analysieren,
also wie stark sie ist und ob sie sich ändert. Mit Hilfe der Hubble-Daten
gelang nun erstmals eine Berechnung, wie stabil die "dunkle Energie" im Laufe
der Geschichte ist.
Die "dunkle Energie" zu erklären ist recht mühsam: Trotzdem gibt es neben
einigen exotischen Theorien derzeit hauptsächlich zwei konkurrierende Modelle.
Es könnte sich um eine Energie handeln, die irgendwie aus dem leeren Raum
durchsickert, also um eine Form von Einsteins kosmologischer Konstante, die auch
als "Energiedichte des Vakuums" beschrieben wird. Das würde bedeuten, dass die
dunkle Energie konstant ist und sich nicht ändert. Einstein hatte die Einführung
der kosmologischen Konstante immer als "größten Irrtum seines Lebens" bezeichnet
und war fest davon überzeugt, dass sie Null sein müsste.
Die alternative Theorie führt die dunkle Energie auf die so genannte
"Quintessenz" zurück, ein sich änderndes Energiefeld, das für die beobachtete
beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich ist. Es ist im Prinzip
eine abgeschwächte Version der Inflationsperiode kurz nach dem Urknall, in der
sich das Universum in kürzester Zeit aufblähte.
Doch was bedeutet nun die Beobachtung, dass unser Universum sich mit
zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt für dessen Schicksal? Wird die
Beschleunigung deutlich größer, könnte die Expansion Werte erreichen, bei denen
alles auseinander gerissen wird: Galaxien, Sterne und Planeten. Astronomen
sprechen dabei vom "Big Rip". Oder aber die dunkle Energie könnte mit der Zeit
ihre Wirkung verlieren und das Weltall würde unter dem Einfluss seiner eigenen
Materie in sich zusammenstürzen - der so genannte "Big Crunch". "Dieses Szenario
sieht im Moment am unwahrscheinlichsten aus", so Riess. Und auch vor dem "Big
Rip" bliebe nach den neuen Daten noch ausreichend Zeit: Ihn erwarten die
Forscher frühestens in 30 Milliarden Jahren - wenn überhaupt.
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